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Wirtschaft: Zwei Strategen der Automobilindustrie: Ferdinand Piëch gegen Jürgen Schrempp

Ferdinand Piëch oder Jürgen Schrempp - wer macht das Rennen? Welcher Konzernlenker hat die schlüssigere Strategie, welches Unternehmen die bessere Perspektive?

Ferdinand Piëch oder Jürgen Schrempp - wer macht das Rennen? Welcher Konzernlenker hat die schlüssigere Strategie, welches Unternehmen die bessere Perspektive? Nach den Ergebnissen der vergangenen Woche liegt VW vorn. Der Wolfsburger Konzern hat in den ersten neun Monaten das Ergebnis nach Steuern um 50 Prozent erhöht, der operative Gewinn von Daimler-Chrysler brach im dritten Quartal um 79 Prozent ein, weil die Chrysler Group mehr als eine Milliarde Mark Verlust einfuhr. Auch die Börse hat sich inzwischen entschieden: Die Volkswagen-Aktie kostet mehr als das Daimler-Chrysler-Papier. Doch alles in allem leiden Piëch und Schrempp gleichermaßen unter der Missachtung der Anleger; trotz Internet-Plänen und der Verstärkung der Abteilung Investor Relations kommen die Kurse der Klassiker der Old Economy nicht recht vom Fleck.

Die Autokonjunktur gibt seit Monaten ein zwiespältiges Bild: Die Nachfrage im Inland ist so schwach, dass hier zu Lande in diesem Jahr rund zehn Prozent weniger Autos verkauft werden als im Vorjahr. Der unter anderem auf Grund des schwachen Euros hevorragend laufende Export gleicht das locker aus. Die Attraktivität der Fahrzeuge deutscher Hersteller belegt die Statistik: Inzwischen werden 67 Prozent der Personenwagen im Ausland verkauft, im vergangenen Jahr lag der Exportanteil noch bei 63 Prozent. Die Produkte von VW, Daimler-Chrysler, BMW und Porsche sind Weltklasse und die Unternehmen auf wichtigen Märkten der Welt so präsent, dass Schwächen in Einzelregionen kompensiert werden können. Also alles bestens, insbesondere für den größten europäischen Hersteller, nämlich VW, und den transatlantischen Konzern Daimler-Chrysler?

In den guten alten Zeiten gab es gleichsam ein Friedensabkommen zwischen Stuttgart und Wolfsburg. Mercedes beschränkte sich auf die Oberklasse und VW auf den Volkswagen. Beginnend mit der C-Klasse hat Mercedes sein Sortiment sukzessive nach unten erweitert und schließlich mit der A-Klasse und der neuen Marke Smart das Kerngebiet von VW angegriffen. Piëch seinerseit forciert die Fahrt in die margenreichen oberen Segmente; Audi wurde gegen BMW positioniert, demnächst gibt es VW-Oberklasseautos aus Dresden und ganz oben buhlen dann der Bentley (VW) gegen den Maybach (Mercedes) um die Gunst der Millionäre. Piëch gegen Schrempp, VW gegen Mercedes - gibt der Markt genug her für beide?

Piëch jedenfalls hat gegenwärtig die überzeugendere Strategie. Der VW-Konzern mit den wichtigsten Pkw-Marken Audi, Seat, Skoda und VW reizt die Plattformfertigung aus: In vergleichbaren Modellen unterschiedlicher Marken werden identische Baugruppen montiert, was enorme Kostenvorteile bringt. Daimler-Chrysler lehnt das ebenso ab wie BMW, weil die Verwässerung der Marken inklusive Imageverlust befürchtet wird. Oder, anders gesagt und auf VW bezogen: Warum einen Golf kaufen, wenn in einem deutlich günstigerem Skoda die gleiche Technik steckt? Schlimmstenfalls führt die Plattformstrategie also zur "Kannibalisierung" einzelner Konzernmarken - sagt die Theorie. Das wirkliche Leben indes gibt Piëch bislang recht, denn Autokäufer sind markentreu, wechseln also nicht so schnell von VW auf Skoda oder Seat.

Schrempp hat bis vor kurzem immer die Eigenständigkeit von Mercedes und der Chrysler Group betont. Aber wie sollen die Fusionssynergien gehoben werden, wenn jede Marke weiter ihr eigenes Programm abspult? Nun hat Schrempp umgeschaltet, die Jeeps von Chrysler sollen künftig verstärkt mit Mercedes-Teilen wie Getriebe und Motor ausgerüstet werden. Vorrangig ist jedoch eine milliardenschweres Sparprogramm, dass Chrysler wieder in den schwarzen Bereich führen dürfte, sowie die für das kommende Jahr avisierten neuen Modelle. Alles in allem muss man nicht so schwarz sehen wie das Wall Street Journal, dass den "Megamerger" bereits als "Big Flop" denunziert. Doch nach der "Hochzeit im Himmel" (Schrempp) ist der Konzernchef Opfer der großen Erwartungen geworden, die er selbst geweckt hat. Auch deshalb ist Ferdinand Piëch, gewiss kein Leisetreter, zurzeit in der besseren Position.

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