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Neue Wege: Wem der Alltag im Job nicht mehr reicht, kann neue Perspektiven in Hörsaal und Bibliothek finden. Vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Technik macht es Sinn, sein Wissen durch ein berufsbegleitendes Studium zu erneuern und zu vertiefen. Fotos: Thilo Rückeis, dpa

© picture-alliance/ ZB

Wirtschaft: Zwischen Beruf und Bibliothek

Ein weiterführendes Studium kann der Karriere nutzen. Staatliche und private Anbieter bieten Plätze

Wenn Kerstin Nerath an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in der Vorlesung sitzt, ist sie oft online. Kommt eine wichtige E-Mail herein, kann die 31-jährige Studentin gleich antworten. Zeigt das Handydisplay einen Anruf aus der Firma, ruft sie spätestens in der Pause zurück. „Es ist mir wichtig, dass ich auch in den Präsenzphasen für meine Kollegen erreichbar bin“, sagt sie. Denn eigentlich ist Kerstin Nerath Produktmanagerin beim Pharmaunternehmen Berlin-Chemie AG.

Ihre Kommilitonen sind Ärzte, Medizintechniker und Krankenkassenmitarbeiter. Sie alle machen den „Master of Business Administration“ (MBA) im Fach Health Care Management neben dem Vollzeitjob. Das Weiterbildungsstudium für Berufstätige im Gesundheitswesen dauert zwei Jahre. Der Unterricht vor Ort ist auf elf einwöchige Blöcke verteilt. Auf dem Plan stehen betriebswirtschaftliche Fächer wie Rechnungswesen und Pharmaökonomie genauso wie Managementmethoden und Personalplanung.

Ein Studium neben dem Beruf kann die Karriere anschieben, neue Motivation bringen und den Arbeitsplatz sichern. Ob Erst- oder Aufbaustudium – das Angebot berufsbegleitender Studiengänge ist vielfältig. Laut einer Erhebung des Hochschul-Informations-Systems (HIS) gab es 2008 deutschlandweit mehr als 950 berufsbegleitende Bachelor- und Masterstudiengänge mit staatlich anerkanntem Abschluss. Hinzu kamen mehr als 2700 Zertifikatslehrgänge.

Private Einrichtungen konkurrieren dabei mit staatlichen Hochschulen. Der Unterricht kann als Fernstudium, Abendlehrgang, in Blockveranstaltungen oder Wochenendseminaren organisiert sein. „Oft liegt der Charme in der Mischung verschiedener Lernformen“, sagt Karl-Heinz Minks, Leiter des Bereichs Absolventenforschung und lebenslanges Lernen beim HIS.

Die mit Abstand meisten Studiengänge gibt es im Bereich Wirtschaftswissenschaften. Vor allem bei den Bachelor-Abschlüssen sind die privaten Einrichtungen stärker vertreten als die staatlichen. „Für private Hochschulen gehören berufsbegleitende Angebote meist zum Kerngeschäft, während sich die staatlichen auch stark auf das klassische grundständige Studium und die Forschung konzentrieren müssen“, erklärt Hochschulforscher Minks.

So bietet die private Hochschule für Ökonomie und Management (FOM) allein am Berliner Standort dreizehn verschiedene Wirtschaftsstudiengänge an, von Business Administration bis Wirtschaftsinformatik. Die Präsenztermine finden wahlweise an drei Abenden in der Woche statt oder kompakt am Freitagabend und Samstag. Beim so genannten Tages-Studium finden die Vorlesungen an zwei Wochentagen statt. Das zweitgrößte Studienangebot bieten die Ingenieurswissenschaften, hier ist der Bedarf an akademischer Weiterbildung besonders groß: „In den neunziger Jahren gab es eine Entlassungswelle bei älteren Ingenieuren. Darunter waren viele, die bei den neuesten Informationstechnologien den Anschluss verloren hatten – ein Beweis dafür, wie wichtig lebenslanges Lernen auch für Hochqualifizierte ist“, sagt Minks.

In Berlin sind auch die staatlichen Fachhochschulen gute Anlaufstellen. Die Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) zum Beispiel bietet neben Master-Spezialisierungen auch den neunsemestrigen Bachelor in Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurswesen im Fernstudium mit Wochenendvorlesungen an. Bewerbungsschluss für den Start im Herbst ist jeweils der 15. Juli.

Einen Bachelor können übrigens auch Berufstätige machen, die kein Abitur, sondern die so genannte fachgebundene Hochschulreife haben. Dazu gehören der Realschulabschluss, eine für das Studium geeignete Ausbildung und vier Jahre entsprechende Berufserfahrung. Alternativ werden auch Titel wie der Meister, der staatlich geprüfte Techniker oder Betriebswirt anerkannt.

Auf welche Hochschule, welches Fach und Studienmodell die Entscheidung auch fällt – „es macht nur Sinn, wenn man ein bestimmtes Ziel verfolgt“, sagt Thomas Rübel, Geschäftsführer des Büros für Berufsstrategie. „Wer sich nur von der eigenen Unzufriedenheit im Job ablenken will, wird die Doppelbelastung wahrscheinlich nicht durchhalten.“

Denn ohne Disziplin, Motivation und gutes Zeitmanagement geht es nicht: Nach der Arbeit und am Wochenende muss man oft in die Bücher gucken. Freunde und Familie müssen zurückstecken, die freie Zeit muss gut organisiert sein. Wer für Präsenzphasen an Wochentagen nicht den Jahresurlaub opfern will, muss außerdem den Arbeitgeber einweihen. Viele Unternehmen unterstützen die Weiterbildung, indem sie Bildungsurlaub gewähren oder die Fehlzeiten mit Überstunden verrechnen.

Ein weiterer Knackpunkt sind die Gebühren, die je nach Anbieter und Fachrichtung variieren. Zum Vergleich: An der HWR kosten die berufsbegleitenden Master-Programme zwischen 4200 und 15 000 Euro, die man in drei Raten zahlen kann. An der FOM reicht die Spanne von 295 monatlich für den günstigsten Bachelor bis hin zu 390 Euro im Monat für den teuersten MBA. Der Maschinenbau-Bachelor an der HWT kostet 427 Euro pro Semester.

Um das zu finanzieren, gibt es mehrere Möglichkeiten (siehe Kasten). Ob sich der Chef an den Kosten beteiligt, ist Verhandlungssache. „Einerseits ist es eine Möglichkeit, gute Mitarbeiter zu belohnen. Zum anderen müssen Unternehmen Weiterbildung fördern, um ihre Innovationsfähigkeit zu erhalten“, sagt Minks. Deshalb empfiehlt Karriereberater Thomas Rübel, dies im Gespräch mit dem Chef zu betonen: „Man sollte erklären, wie man das zusätzliche Wissen im Unternehmen einbringen und welche neuen Aufgaben man übernehmen könnte.“

Selina Byfield

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