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Wirtschaft: Zwischen Siemens und Adtranz knirscht es gewaltig

Die Münchener bezweifeln, daß der Konkurrent zwei Aufträge für Straßenbahnen zu Recht erhalten hat / EU eingeschaltetVON DANIEL RHEE-PIENING / THOMAS FISCHER BERLIN.Der Markt für Straßenbahnen ist hart umkämpft, die Margen sind knapp und die Produktionswerke oftmals nicht richtig ausgelastet.

Die Münchener bezweifeln, daß der Konkurrent zwei Aufträge für Straßenbahnen zu Recht erhalten hat / EU eingeschaltetVON DANIEL RHEE-PIENING / THOMAS FISCHER BERLIN.Der Markt für Straßenbahnen ist hart umkämpft, die Margen sind knapp und die Produktionswerke oftmals nicht richtig ausgelastet.Der Wettbewerb verschärft sich.Drei große Systemanbieter konkurrieren dabei derzeit weltweit: GEC Alsthom, Siemens und Adtranz.Während zwischen GEC Alsthom und Siemens eine freundschaftliche Zusammenarbeit besteht und gemeinsame Projekte durchgeführt werden, sind Siemens und Adtranz in jüngster Zeit gleich zweimal heftig aneinandergeraten.Der Grund: Adtranz hat zwei wichtige Ausschreibungen gewonnen, und Siemens bezweifelt, ob es dabei jeweils mit rechten Dingen zugegangen ist.Der erste Fall betrifft Berlin.Die BVG entschied kürzlich, wie berichtet, daß ein 30 Straßenbahnwagen umfassender Auftrag an Adtranz geht.Der Systemhersteller wird den "GT 6" liefern, von dem die BVG bereits 120 in Betrieb hat.Siemens hatte vergeblich versucht, mit seinem "Combino" ins Geschäft zu kommen.Zum Preis wurde zwar Stillschweigen vereinbart, doch wurden für die letzten Fahrzeuge rund drei Mill.DM pro Stück gezahlt.Die neuen Fahrzeuge sind zwar technisch aufwendiger, doch war die BVG wegen der harten Konkurrenz in einer deutlich besseren Verhandlungsposition.Es wird geschätzt, daß sich der Auftrag auf etwa 100 Mill.DM belaufen könnte.Bei Siemens ist man, salopp ausgedrückt, ausgesprochen sauer, auch wenn es einigen wenigen vorbehalten bleibt, dies auch öffentlich zu artikulieren.Geteilt wird der Ärger der Bosse naturgemäß aber auch von den Siemensianern an der Basis (vgl.Standpuntk auf dieser Seite).Die Berlin-Gegner in der Münchener Zentrale wittern Morgenluft, die psychologische Stimmung könnte sich gegen Berlin wenden.Dem Vernehmen nach soll Wirtschaftssenator Elmar Pieroth als Aufsichtsratsvorsitzender auch ein Protestbrief aus der bayerischen Landeshauptstadt erreicht haben.Es tröstet die Münchener wenig, daß sie mit ihren "Combino" Anfang 1997 in Potsdam zum Zuge kamen.Die Stadt hat 48 Stück bestellt.Berlin, das zum Kompetenzzentrum für Verkehrstechnik werden will, dient nun einmal auch als Referenzprojekt. Der zweite Fall ist fast noch brisanter.Es geht um einen Großauftrag aus Porto.Die portugiesische Stadt will ein neues Straßenbahnsystem bauen.Das Streckennetz beträgt insgesamt 68 Kilometer, von denen 18 Kilometer neu zu verlegen sind.Auf den übrigen Strecken denkt man an die Nutzung bereits bestehender Eisenbahnlinien in die Vororte.Auf sieben Kilometer sollen die Züge unterirdisch rollen.Es handelt sich um das derzeit größte Nahverkehrsprojekt in Europa mit einem Auftragswert von umgerechnet gut 1,6 Mrd.DM.Dort standen sich das Konsortium Metropor unter Führung von Siemens und das Konsortium Normeto gegenüber, bei dem wiederum Adtranz die führende Rolle innehat.Auch hier gewann Normeto schließlich den Auftrag, was Siemens "auf die Palme" brachte.In München bezweifelt man nämlich ernsthaft, daß dies zu Recht geschah und hat das Projekt deshalb der EU-Kommissionzur Prüfung vorgelegt.Zuständig ist dort EU-Kommissar Mario Monti. Der argumentiert nun auf einer ähnlichen Linie wie die Vertreter von Metropor.Dabei nimmt er weniger den Preis ins Visier.Er fragt vor allem, ob beide Partner gleich behandelt und ob ihre Offerten an den gleichen Maßstäben gemessen wurden.Die Kommission will von der Regierung etwa wissen, ob beide Gruppen bei allen Phasen der Verhandlungen über die Metro zugegen waren, ob ihnen die gleichen Fragen gestellt wurden und ob sie in gleichem Maße Gelegenheit hatten, ihre Vorschläge abzuändern.Konkret führt die EU-Kommission mehrere Indizien für eine Ungleichbehandlung auf.Sie findet es etwa merkwürdig, daß Normetro verschiedene Preise für die gleiche Leistung präsentieren konnte.Und es wird gefragt, weshalb Normetro für einen Bahnhof mit einer Soll-Länge von 90 Metern nur eine Länge von 70 Metern vorsah, ohne dafür Strafpunkte zu kassieren.Nicht zuletzt wundert sich die Kommission darüber, daß Metropor in mehreren technischen Aspekten besser abschnitt als der Rivale Normetro. Die portugiesische Regierung hat das Schreiben der Kommission erst einmal an die für den Stadtbahnbau zuständige Gesellschaft Metro do Porto weitergeleitet.In Lissabon wird betont, daß die Einwände aus Brüssel nicht zwangsläufig zur Suspendierung des Bauvorhabens führen müßten.Noch ist aber unklar, ob die Besucher der Nordmetropole schon zu Beginn des nächsten Jahrtausends mit der Metro zu den berühmten Portweinkellereien fahren werden. Geht es nach Siemens, haben sich die Sieger der Öffentlichen Ausschreibung zu früh gefreut.Metropor hat gebeten, das weitere Verfahren zu suspendieren.Für Zündstoff zwischen den beiden Rivalen ist also gesorgt.Es bleibt zu hoffen, daß diese Auseinandersetzungen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten, insbesondere in der Region Berlin ausgetragen werden.

DANIEL RHEE-PIENING, THOMAS FISCHER

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