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© DAVIDS/Darmer

200 Jahre Berliner Universität: Humboldt feiert

700 Gäste kamen am Montagvormittag ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt, doch manchen war das Fest nicht glanzvoll genug.

Von allen Seiten strömten am Montagmorgen festlich gekleidete Menschen ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Die Humboldt-Universität hatte sich Berlins prächtigsten und traditionsreichsten Saal ausgesucht, um ihr 200. Gründungsjubiläum zu feiern. In Schinkels Schauspielhaus, im Parkett des Großen Konzertsaals erlebten 700 Gäste unter dem Glanz von Kronleuchtern wie eine Universität sich feiert, die sich – mit den Worten ihres Präsidenten Christoph Markschies – „trotz aller Schwierigkeiten durchgesetzt hat“. Im Publikum waren viele Ehrengäste, die der Uni nahestehen, darunter Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, Bischof Wolfgang Huber und der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger.

Die dramatische Geschichte der Universität würdigte dann der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit kritisch: Zu den Idealen der von Wilhelm von Humboldt 1809/10 gegründeten ersten preußischen Reformuniversität habe es gehört, sie weitgehend frei von staatlicher Einflussnahme zu halten. Dies sei an der Berliner Universität, die seit 1828 Friedrich-Wilhelms-Universität und seit 1949 Humboldt-Universität heißt, nicht immer gewährleistet gewesen. Wowereit erinnerte an „dunkle Zeiten“: In der NS-Zeit wurden jüdische Gelehrte und Studierende vertrieben, 1948 führten stalinistische Repressalien zur Gründung der Freien Universität als Gegenmodell. Das Freiheitsideal habe an der Humboldt-Universität erst wieder durch die friedliche Revolution von 1989 Einzug gehalten.

Es war Wowereits „klares Bekenntnis zu den Universitäten und der reichhaltigen Wissenschafts- und Forschungslandschaft in Berlin“, für das es zum ersten Mal spontanen Beifall gab. Als Wowereit versprach, dass sich Berlin weiter „zwei große Universitäten“ leisten wolle, brandete Applaus auf.

Die Feier im Konzerthaus war der Auftakt zu einem wahren Festmarathon in den kommenden 15 Monaten. Fünf Institutionen der Berliner Wissenschaft, darunter auch die Charité und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften begehen mit zahlreichen Veranstaltungen in diesem und im nächsten Jahr runde Jubiläen. Schon am Mittwochabend gehen die Feiern an der Charité weiter: Dann beginnt dort ein „World Health Summit“, ein Weltgesundheitsgipfel, der das 300-jährige Jubiläum der Unimedizin im Jahr 2010 einläuten soll.

Wie ein Leitmotiv zogen sich im Konzerthaus die Bekenntnisse zur Vielfalt der Wissenschaft in Berlin – und zur hohen Qualität von Forschung und Lehre – durch die Festreden. Das Nebeneinander von Humboldt-Universität und Freier Universität „ist ein Dualismus, der nicht schädlich ist, sondern Kräfte freisetzt“, sagte Wowereit. Der größere Erfolg der Freien Universität im Exzellenzwettbewerb zeige allerdings, „dass ein großer Name allein nicht reicht“, sagte Wowereit ausdrücklich an Markschies gerichtet. Die Humboldt-Universität müsse sich jetzt der Herausforderung stellen, ihre eigene Leistung neu zu definieren. „Wir arbeiten daran – heute feiern wir“, antwortete ihm Markschies.

Die Konkurrenz zur Freien Universität sprach auch der HU-Philosoph Volker Gerhardt an, der eine „Disputation“ zwischen dem Altphilologen Glenn W. Most (Scuola Normale Superiore, Pisa) und dem Rechtswissenschaftler Gerhard Casper (Stanford University) moderierte. Was es für Berlin bedeute, zwei große Universitäten zu haben, die in der Tradition Humboldts stünden, fragte Gerhardt. „Zwei humboldtartige Unis in einer Stadt“ – das sei ein politischer Glücksfall, sagte Most. Auch Casper lobte den fruchtbaren Wettbewerb der Nachbaruniversitäten. Und beide Gastredner forderten von den Berliner Universitäten, die Studierenden im Geiste Humboldts in die Forschung einzubeziehen. Mit Humboldt müsse die Universität „die Selbsttätigkeit der Studenten fördern“, sagte Casper.

Auch Markschies rief seine Universität zur „Selbstbehauptung einer Vision am Ort ihrer Entstehung“ auf: Das Humboldtsche Diktum, dass Lehrende und Lernende miteinander forschen sollten, sei von Anfang an bedroht gewesen. Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, ermutigte die Hochschulen, „die Bologna-Reform zu meistern, ohne die Ideale Humboldts aufzugeben“. Unis und Fachhochschulen hätten zu Recht damit begonnen, Fehlentwicklungen zu korrigieren, sagte Wintermantel unter demonstrativem Beifall.

Gut zweieinhalb Stunden dauerte die Feier. Im Publikum fand das Festprogramm allerdings nicht nur Zustimmung. In den Gängen konnte man auch kritische Äußerungen hören. „Ich hatte noch auf einen Überraschungsgast gehofft“, sagte ein Professor. Zu so einem Anlass müsse doch eigentlich der Bundespräsident sprechen. Auch andere vermissten „einen richtigen Promi-Redner“. Nicht zuletzt könnte die HU-Angehörigen ein Blick auf die Teilnehmerliste des Charité-Gesundheitsgipfels wurmen: Die Universitätsmedizin hat sich dafür die Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy gesichert.

Nach dem Festakt zogen einige Hundert Gäste weiter zum Hauptgebäude der Universität. Kurzzeitig kam so der Verkehr zum Erliegen – die Humboldtianer liefen erst auf der Charlottenstraße und dann auf dem Boulevard Unter den Linden, Autos mussten warten. Touristen, die am Straßenrand standen, schossen begeistert Fotos. Nicht alle verstanden allerdings auf Anhieb, dass es sich um einen Universitätsfestzug handelte: „Wogegen demonstrieren die hier eigentlich?“, fragte ein Mann seine Begleiterin. Womöglich wurden die Zuschauer auch durch das zivile Auftreten der Professoren verwirrt. Anders als es Präsident Markschies ursprünglich für den Umzug vorschwebte, hatte keiner einen Talar angelegt. Und auch nur eine Handvoll von Markschies’ Rektorenkollegen trug wie der HU-Präsident eine Amtskette.

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