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Zielstrebig. Die meisten Schüler verknüpfen mit dem Deutschlernen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Im Bild ein Deutsch-Workshop am Goethe-Institut in Tunis.

© Goethe-Institut/Bernhard Ludewig

60 Jahre Sprachkurse des Goethe-Instituts: Deutsch lernen mit Schnäpschen

Deutsch ist beliebter denn je: Vor allem in Südeuropa verbindet sich mit dem Spracherwerb die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Seit 60 Jahren schon vermittelt das Goethe-Institut über die Sprache auch Kultur.

Wie Deutsch klingt, das kannte Laura bisher nur aus Filmen über Nazis. Jetzt lernt die junge Akademikerin die Sprache selbst und findet sie gar nicht mehr so hart. Laura ist eine der Protagonistinnen in dem Dokumentarfilm „Warum lernen Sie Deutsch?“, den die Regisseurin Maren Niemeyer im Auftrag des Goethe-Instituts gedreht hat.

Lauras Geschichte, die darin erzählt wird, gleicht der von vielen anderen jungen, gut ausgebildeten Spaniern. Sie verlassen zuhauf ihre von der Krise geschüttelte Heimat und wollen sich in Deutschland auf die Suche nach Arbeit begeben. Das Goethe-Institut kann sich über so viele Sprachschüler freuen wie noch nie – nicht nur in Südeuropa, auch wenn da der Zuwachs am größten ist. Um fast 60 Prozent sind die Kursteilnehmerzahlen in Spanien von 2010 auf 2012 angestiegen, in Italien sind es immerhin 34 Prozent, in Griechenland 24 Prozent.

Weltweit nutzten im vergangenen Jahr 248 000 Sprachschüler die Angebote der deutschen Kultureinrichtung im In- und Ausland. Das sind insgesamt 30 400 Menschen mehr als noch 2010.

Der Film erscheint also zur rechten Zeit. Nicht nur, was die aktuelle Beliebtheit der deutschen Sprache betrifft. Auch historisch. 1951 wurde das Goethe-Institut gegründet. Zwei Jahre später, also genau vor 60 Jahren, fanden die ersten Sprachkurse statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Deutschland sämtliche Sympathien zerstört. Es galt, wieder um sie zu werben. Das versuchte man an hübschen Bilderbuch-Orten vor Alpenpanorama: Die ersten Deutschlektionen im Inland fanden im bayerischen Bad Reichenhall, Murnau und Kochel statt.

Papst Franziskus lernte einst am Mittelrhein Deutsch

Weitere beschauliche Orte kamen neben Auslandsfilialen in ganz Europa, Ägypten und Indien hinzu. So erfährt man im Film etwa, dass in den achtziger Jahren Jorge Mario Bergoglio, mittlerweile Papst Franziskus, als „Goethe“-Student für zwei Monate nach Boppard kam. Das Goethe-Institut am Mittelrhein bildete viele Theologen aus, die die Schriften deutscher geistlicher Vordenker gerne im Original lesen wollten.

Deutschunterricht ist immer auch Kulturvermittlung. Dass das Goethe-Institut dabei manchmal seiner Zeit voraus war, zeigt eine Anekdote aus Paris. So spielten Ende der 80er Jahre die Toten Hosen vor Schülern in Paris. Das Goethe-Institut an der Seine verursachte damit einen kleinen Eklat. Denn die Punkband galt damals in der Bundesrepublik nicht gerade als exportwürdiges deutsches Kulturgut. Aus heutiger Sicht kann man darüber lachen.

Die ersten Sprachfilme sollten ein lässiges Bild der spießigen BRD vermitteln

Überhaupt ist der Film der 1964 in Bremen geborenen Regisseurin als Spiegel der (west-)deutschen Geschichte ziemlich unterhaltsam. Niemeyer, die auch als Produzentin fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen arbeitet, hat Perlen der alten Lehr- und Werbefilmen der 60er und 70er Jahre ausgewählt. Sie trugen Titel wie „Viel Glück in Deutschland“, waren für die erste Generation der Gastarbeiter bestimmt und sollten ein betont lässiges und freundliches Bild der als spießig und engstirnig verschrienen BRD vermitteln. „Auffällig ist, wie qualitativ gut diese Filme gemacht waren, was Drehbuch, Inszenierung und Schauspieler betrifft“, sagt Maren Niemeyer.

Hängen bleiben aber auch klischeehafte Szenen wie jene, in denen ein älterer Herr zwei Müllmänner betont heiter heranwinkt und seine Frau sogleich mit einem Tablett voller Schnapsgläschen an die Tür eilt, auf dass man sich gemeinsam einen Kurzen genehmigt.

Niemeyers Dokumentation wird im August erstmals im Rahmen der diesjährigen Internationalen Deutschlehrertagung in Bozen und Ende Oktober außer Konkurrenz auf dem Dokumentarfilmfest in Leipzig gezeigt. Mit öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ist die Regisseurin in Verhandlung. Außerdem wird der Film Teil einer DVD-Edition des Goethe-Instituts, die Ende des Jahres erscheinen soll, zusammen mit einer ersten Folge über das 60. Jubiläum und zahlreichen alten Lehrfilmen, die mehr als dreißig Jahre lang in den Kellern schlummerten. Unter anderem hatte Regisseur Edgar Reitz, damals noch Student, damit sein Geld verdient.

Russland, USA, Vietnam: Überall wird zielstrebig Deutsch gelernt

Eineinhalb Jahre hat Niemeyer für ihre eigene Dokumentation recherchiert, ist auf der ganzen Welt herumgereist, von Äthiopien bis Russland, hat prominente Sprachschüler wie die Opernsängerin Renée Fleming oder den ehemaligen israelischen Botschafter Avi Primor genauso wie eine Mittelklassefamilie in Vietnam interviewt. „Ich war schon erstaunt“, erzählt die Filmemacherin, „wie unglaublich zielstrebig alle Deutsch lernen.“ Fast immer verknüpft sich wie bei der Spanierin Laura das Fremdsprachenlernen mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Überraschend ist die USA-Station. Der Film führt den Zuschauer in die Oper von San Francisco. Regelmäßig gibt dort eine Lehrerin des Goethe-Instituts den Sängern und Dirigenten des Hauses Deutschunterricht. Sie wollen deutsche Libretti verstehen und artikulieren können. Ihre Lehrbücher sind bis zu 200 Jahre alt, studieren sie doch Texte, die einst Mozart oder Wagner schrieben.

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