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Aale: Warten für die Liebe

Aale schwimmen nachts in durchschnittlich 280 Metern Wassertiefe, während sie in der Morgendämmerung auf durchschnittlich 560 Meter Tiefe abtauchen. Womöglich um ihre Geschlechtsorgane zu kühlen.

An einem dieser stürmischen Herbstabende bricht der Aal zu seiner letzten großen Reise auf. Aus dem kleinen See schlängelt er sich über eine feuchte Wiese in den nahen Bach, von dort mit der Strömung Richtung Meer und in die Sargassosee östlich von Florida. Einen Teil dieser für alle Aale Europas ähnlichen Reise hat ein Forscherteam um den Dänen Kim Aarestrup jetzt im Fachmagazin „Science“ vorgestellt (Band 325, Seite 1660).

Bei 22 gefangenen und betäubten Blankaalen haben die Forscher jeweils einen kleinen Sender an die Haut genäht. Die Geräte zeichneten alle 15 Minuten Wasserdruck, Temperatur und Helligkeit auf. Der schnellste Aal legte in nur 58 Tagen eine Entfernung von 1340 Kilometern zurück und damit fast ein Drittel der Distanz zur Sargassosee. Das waren immerhin 23,3 Kilometer am Tag.

Die anderen Tiere bummelten dagegen eher durch den Atlantik: Fünf der Fische schafften im Schnitt gerade einmal ein Pensum von fünf oder sechs Kilometern am Tag. Das hat wohl auch mit dem Golfstrom zu tun, gegen den die Aale zunächst anschwimmen müssen. Weiter im Süden werden sie dann von einer Westströmung kräftig beschleunigt, die sie in Richtung Sargassosee treibt.

Während der Reise schwimmen die Aale nachts in durchschnittlich 280 Metern Wassertiefe, während sie in der Morgendämmerung auf durchschnittlich 560 Meter Tiefe abtauchen. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Tiere im rund zehn Grad Celsius kühlen Wasser der Tiefe das Wachstum ihrer Geschlechtsorgane bremsen.

Uwe Brämick vom Institut für Binnenfischerei in Potsdam erklärt den Hintergrund dieser Überlegung: „Die Aale könnten so die Entwicklung der Geschlechtsorgane synchronisieren.“ Diese entwickeln sich auf der Reise in die Sargassosee, die aber aus Skandinavien viel länger als von der iberischen Halbinsel ist. Damit die Geschlechtsteile bei allen Weitwanderern pünktlich zur Ankunft fertig sind, bremsen eben einige Tiere die Entwicklung im kühlen Tiefenwasser.

Nach der Fortpflanzung in der Sargassosee sterben die völlig ausgezehrten Tiere, die seit Beginn der Reise keinen Bissen mehr zu sich genommen haben. Der Nachwuchs aber kommt nach einigen Jahren zurück nach Europa und frisst sich in den Flüssen und Seen Fett an. Für seine eigene große und letzte Reise in die Sargassosee.

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