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Wissen: Ägyptens neue Antike

Archäologen planen mit deutscher Hilfe.

Sieben Mal hat Hosni Mubarak den Grundstein bereits gelegt, erzählen sich Kairos Spötter. Und gut ein Jahr nach der Revolution versammelten sich unlängst seine politischen Nachfolger erneut auf dem Giza-Plateau in Sichtweite der Pyramiden. Wieder gab es festliche Reden und feierliche Schwüre. Das ehrgeizige Projekt „Großes Ägyptisches Museum“ solle nun wirklich bis zum August 2015 stehen. Mit 32 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche und 120 000 Exponaten soll es eine der größten Sammlungen der Welt werden. Es werde „keine weiteren Verzögerungen mehr geben“, schwor Antikenminister Mohamed Ibrahim, bevor er im Beisein der beiden Baukonzerne aus Belgien und Ägypten seine Unterschrift unter den 620-Millionen-Euro-Vertrag setzte.

Zwei Drittel der Kosten steuert Japan mit einem zinslosen Kredit bei, den Kairo erst zehn Jahre nach der Eröffnung in Raten zurückzahlen muss. Wo das übrige Drittel herkommen soll, ist unklar. Kein Wunder, im ersten Haushaltsjahr nach Mubarak klafft ein 20-Milliarden-Euro-Loch im Staatsetat.

Entsprechend fehlt das Geld auch in der Antikenverwaltung (SCA) mit ihren 30 000 Angestellten an allen Ecken und Enden. Seit dem Abgang des allmächtigen und umtriebigen Matadors Zahi Hawass im Juli 2011 sind vier Nachfolger gekommen und bald wieder gegangen. Da sich die Administration allein aus Tantiemen, Grabungsgebühren und Eintrittsgeldern finanziert, macht ihr vor allem der Einbruch im Tourismus schwer zu schaffen. „Der Geldmangel ist unser größtes Problem“, sagt der gegenwärtige Chef Mohamed Ibrahim  – und kündigte an, die Eintrittspreise für ausländische Besucher bald drastisch zu erhöhen.

Die Forschung dagegen hat wieder Tritt gefasst, auch wenn die Archäologen mit Sorge die wachsende Gesetzlosigkeit am Nil beobachten. Im ganzen Land gibt es einem Boom von illegalen Neubauten, der auch vor sensiblen Grabungsplätzen nicht Halt machte. Der Antikenverwaltung aber fehlen die Mittel, den Abriss der Schwarzbauten durchzusetzen. Die Diebstähle dagegen, in den ersten Monaten nach dem Sturz Mubaraks eine regelrechte Plage, sind seltener geworden. Im Prinzip blieben alle großen, bewachten Magazine unangetastet. In kleineren Lagerräumen, die sich in Grabungshäusern befanden, kam dagegen manches abhanden, genauso wie am 28. Januar 2011 bei dem nächtlichen Masseneinbruch im Ägyptischen Museum am Tahrir-Platz.

Gleichzeitig haben chronische Geldnot und innere Turbulenzen auf ägyptischer Seite zu einem bemerkenswerten Umdenken geführt. Die Antikenverwaltung will sich künftig offenbar ganz auf Großprojekte wie das Giza-Museum konzentrieren und sucht für kleinere Vorhaben Kooperationen mit ausländischen Partnern. Das bisher spektakulärste Anliegen wurde kürzlich an die Deutschen herangetragen. Sie sollen das im Rohbau befindliche Amarna-Museum in Minia fertigstellen und als Museum einrichten. „Eine wunderbare Aufgabe“ nennt das der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kairo, Stephan Seidlmayer. Denn die deutsche Archäologie ist mit Minia seit 100 Jahren eng verbunden. Hier lag die Hauptstadt Amarna von Pharao Echnaton, hier entdeckte Ludwig Borchardt am 6. Dezember 1912 die weltberühmte Büste der Nofretete.

Für die erste Maihälfte ist das erste Treffen zwischen Baufirma, Antikenverwaltung und den deutschen Fachleuten geplant. „Wir wollen zunächst feststellen, an welchem Punkt sich das ganze Projekt befindet“, sagt Seidlmayer. Die beiden Hochkräne drehen sich schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr über der Betonhülle mit dem Aussehen einer gespaltenen Pyramide.

Ideen für eine moderne Präsentation der Amarna-Objekte will auch das Ägyptische Museum in Berlin beisteuern. Der ungelöste Konflikt um Nofretete solle „das sensationelle Vorhaben“ nicht überschatten, sagt Seidlmayer. Tell el Amarna sei beiden Völkern wichtig. „Das neue Minia-Museum kann zum Symbol für die Gemeinsamkeit der beiden Nationen werden.“ Martin Gehlen, Kairo

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