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"Affenzirkus": Top-Forscher gibt der FU einen Korb

Thomas Tuschl sagt der Freien Universität ab. Seine Nominierung sei ein "Affenzirkus" gewesen.

Thomas Tuschl lässt sich nicht nach Deutschland locken. Der 42-jährige renommierte Zellbiologe, der an der Rockefeller University in New York forscht, lehnte es ab, dem Ruf auf eine Alexander-von-Humboldt-Professur an die Freie Universität zu folgen. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ übte der Forscher jetzt heftige Kritik an seinem Berufungsverfahren: Es habe sich um einen „Affenzirkus“ gehandelt.

Der Deutsche Tuschl gehörte zu den ersten neun Forschern, die im vergangenen Jahr mit der vom Bundesministerium für Forschung geschaffenen Humboldt-Professur geehrt werden sollten. Mit der Professur ist ein Preisgeld von bis zu fünf Millionen Euro verbunden. Ziel ist es, jährlich bis zu zehn Spitzenforscher aus dem Ausland für fünf Jahre nach Deutschland zu holen.

Tuschl erklärte im Interview, die FU habe im Mai 2007 entschieden, dass er als Nachfolger des Biochemikers Volker Erdmann antreten solle. Die Verhandlungen seien aber nie weit vorangekommen, im Zentrum hätten „administrative Vorgaben“ gestanden. Er habe der FU „bis zur Pipettenspitze“ aufgelistet, was er für ein gut funktionierendes Labor brauche. Vor allem seien ihm vier ausgezeichnete Arbeitsgruppenleiter zur Unterstützung wichtig gewesen. Um diese in Deutschland zu bekommen, müsse man aber Lebenszeitstellen einführen. Diese Forderung habe die FU aber „ständig ignoriert“.

Im Spätsommer 2007 habe es dann „das erste und letzte Gespräch mit einem zwölfköpfigen Universitätsgremium“ über die Ausstattung seines Lehrstuhls gegeben: „Dem Gremium gehörte vom Kanzler über die Verwaltung bis zur Frauenbeauftragten jeder an – nur niemand, der von meiner Arbeit etwas verstand.“ Der Kanzler habe das Gespräch mit der Frage eröffnet, ob Tuschl wirklich eine Spülkraft für seine Reagenzgläser und eine volle Sekretariatsstelle brauche: „Das führte nach einem erhitzten Wortwechsel dazu, dass die Sitzung vorerst abgebrochen wurde.“

Er habe jedenfalls nicht den Eindruck gewonnen, dass man ihn unbedingt haben wolle. „Bei so einem Affenzirkus kann man keine vernünftigen Gespräche führen“, sagte Tuschl. Auch seien weder die „Offiziellen“ der FU noch der Wissenschaftssenator seiner Einladung nach New York nachgekommen, um sich ein Bild von seinen Arbeitsbedingungen zu machen: „Es gab keinen Dialog. Wenn dazu die Bereitschaft fehlt, hätten sie aber erst gar nicht an mich herantreten sollen“, erklärte Tuschl.

Er selbst habe der FU geholfen, mehr Geld für seine Ausstattung einzuwerben, etwa die Humboldt-Professur, so dass sich sein Etat in fünf Jahren auf 13 Millionen Euro erhöht hätte. Die FU sei aber trotzdem bei ihrem ursprünglichen Angebot geblieben. Seine Stelle wäre damit sogar deutlich schlechter ausgestattet gewesen als die seines Vorgängers, sagte Tuschl. Deutsche Universitäten müssten Forschern, die sie abwerben wollten, „genügend Anreize“ bieten. New York habe ihm allerdings keinesfalls ein besseres Angebot gemacht. Erst in den kommenden Monaten werde sich entscheiden, ober er vom Associate zum Full Professor befördert werde: „In der jüngeren Vergangenheit hat die Rockefeller University den Abgang einzelner Wissenschaftler nicht durch Gegenangebote verhindert. Ich habe deshalb auch keines eingefordert“, sagte Tuschl.

Die FU hatte am Freitag bedauert, dass „nach langen intensiven Bemühungen und trotz eines in der deutschen Wissenschaftslandschaft bisher einmaligen umfangreichen Angebotes, das dauerhaft weit über die finanzielle Ausstattung des Preises der Alexander-von-Humboldt-Stiftung hinausgeht, es nicht gelungen ist, eine Einigung mit Professor Tuschl zu erzielen“.

Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung gab am Freitag weitere Forscher bekannt, die über eine Humboldt-Professur nach Deutschland kommen sollen. Darunter ist der 46-jährige Altphilologe und Medizinhistoriker Philip van der Eijk der Universität von Newcastle upon Tyne in Großbritannien, der künftig an der Humboldt-Universität forschen soll. Ausgewählt wurden auch der Wirtschaftswissenschaftler Gerard J. van den Berg (47), der an die Uni Mannheim kommen soll, der Mathematiker Marc Levine (56), der an der Uni Duisburg-Essen forschen soll, sowie der Quantenphysiker Mikhail Lukin (37), um den die TU München wirbt.

Zwei der in der ersten Runde erfolgreichen Forscher wollen ihrem Ruf nach Berlin folgen: Der Physiker Piet Wibertus Brouwer geht an die FU, der Informatiker Oliver Brock an die TU. Tsp

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