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AIDS: Moderate HIV-Fälle am gefährlichsten für die Übertragung

Menschen, die die längste Zeit keine Symptome zeigen, geben die Erkrankung am häufigsten weiter.

HIV-positive Personen, die keine Symptome haben, jedoch hohe Virusspiegel im Blut aufweisen, galten lange Zeit als die Gruppe, die HIV mit der größten Wahrscheinlichkeit verbreitet. Wissenschaftler haben nun jedoch entdeckt, dass diejenigen mit moderaten Virusspiegeln auf lange Sicht HIV mit größerer Wahrscheinlichkeit übertagen. Der Grund dafür, so Christophe Fraser, Epidemiologe am Imperial College in London, liegt darin, dass diejenigen mit "mittleren Virusspiegeln" längere Zeit asymptomatisch bleiben, so dass sie länger Gelegenheit haben, das Virus zu streuen. "Personen mit hohen Virusspiegeln sind ein wenig infektiöser, ihre Infektion besteht jedoch nicht so lange", erklärt Fraser. Diese Befunde, über die Frasers Team berichtet (1), legen nahe, dass "unvollkommene" Behandlungen, die lediglich die Virusspiegel reduzieren, den ungewollten Nebeneffekt haben könnten, die Übertagungsrate zu erhöhen, sagen die Wissenschaftler. Die Anzahl der Viruspartikel im Blut wird als Maßstab für die Schwere der Viruserkrankung verwendet. Je mehr Partikel jemand aufweist, desto schlechter ist die Prognose und desto höher die Wahrscheinlichkeit, andere zu infizieren. Während der asymptomatischen Phase, die der Entwicklung des Krankheitsbildes AIDS vorausgeht, bewegt sich Anzahl der Viren, die eine unbehandelte Person trägt, um einen relativ beständigen Wert. Dieser Wert variiert von Person zu Person und liegt im Allgemeinen zwischen eintausend und einer Million Viruskopien pro Milliliter Blut. Fraser und seine Kollegen analysierten Daten von mehr als 100 HIV-positiven homosexuellen Männern, die zwischen 1982 und 1993 erhoben wurden (bevor Proteaseinhibitoren, die Bestandteil der modernen HIV-Therapie sind, eingeführt wurden). Sie fanden heraus, dass die asymptomatische Phase zwischen 15,6 Jahren bei Personen mit einem Virusspiegel von eintausend und nur 2,1 Jahren bei Personen mit einem Wert von einer Million variierte. Mit diesem Wissen analysierten sie erneut die Daten bekanntermaßen HIV-positiver heterosexueller Personen in Sambia und Uganda, die HIV-negative Sexualpartner hatten. Diejenigen mit einem Wert von einer Million Viruspartikeln pro Milliliter Blut hatten eine zehnmal höhere Wahrscheinlichkeit pro Jahr, ihre Partner versehentlich zu infizieren, als diejenigen mit einem Wert von eintausend.

Langzeitgefahr

Als die Wissenschaftler jedoch das Übertragungspotenzial während der gesamten asymptomatischen Phasen kalkulierten, entdeckten sie, dass diejenigen mit einem Virusspiegel zwischen zehntausend und hunderttausend Kopien pro Milliliter Blut mit größter Wahrscheinlichkeit ihre Partner infizieren werden. HIV-positive Personen mit Werten um 50.000 infizieren rund gerechnet doppelt so viele Personen wie diejenigen mit Werten um eine Million. Mittlere Virusspiegel sind unter unbehandelten Personen am meisten verbreitet, was nahe legt, dass das Virus seine Verbreitung maximiert, indem es die Virusspiegel in seinem Wirt auf einem moderaten Niveau hält, fügt Fraser hinzu. Die Befunde seien interessant, sagt Loic Desquilbet, Epidemiologe am National Institute of Agronomy in Paris. Er fügt jedoch hinzu, dass Studien, die auf Daten von vor 1993 basierten, heutzutage nur noch begrenzte Aussagekraft haben könnten, denn moderne HIV-Therapien reduzieren üblicherweise die Virusspiegel unter einen mittleren Wert. "Wenn man einen Betroffenen behandelt, senkt man normalerweise den Virusspiegel auf einen Wert unter 10.000 Kopien", erklärt er.

(1) Fraser, C. et al. Proc. Natl Acad. Sci. USA 104, 17441-17446 (2007).

Dieser Artikel wurde erstmals am 22.10.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2007.185. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Heidi Ledford

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