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Andächtig lauschen. Professoren genießen in Deutschland viel Prestige.

© dpa

Akademiker: Wer „Professor“ heißen darf

Die Hochschulen belohnen regelmäßig Berufspraktiker mit dem prestigeträchtigen Professoren-Titel. Das sei eine Verwässerung der Marke, bemängeln Kritiker.

Kann man an der Freien Universität etwa einen Professorentitel kaufen? Das behauptet ein Kritiker aus der FU, der anonym bleiben will. Er zielt auf die Honorarprofessur, die der Geschäftsführer der Mercator-Stiftung, Bernhard Lorentz, bekommen soll. Lorentz, 40 Jahre alt und promovierter Historiker, hat schon länger Lehraufträge an der FU wahrgenommen, am Institut für Kultur und Medienmanagement (IKM). Der Direktor des IKM, Klaus Siebenhaar, hat sich für die Ernennung von Lorentz zum Honorarprofessor eingesetzt – wie der Kritiker aus der FU meint, aus Dankbarkeit über Mittel, die Siebenhaar von Mercator bekommt. Zwischen 2009 und 2011 fördert Mercator mit 160 000 Euro einen von Siebenhaar betreuten „Kulturmanageraustausch mit China“, der gemeinsam mit dem Goethe-Institut durchgeführt wird.

Die FU weist den Eindruck zurück: „Diese Förderung steht in keinem Zusammenhang zu einer Honorarprofessur“, erklärt die Uni-Leitung. Siebenhaar spricht von einem „Intrigantenstadl“. In dem für das KMI zentralen Gebiet „Stiftungsmanagement“ sei Lorentz ein herausragender Experte, der außerdem eine „echte Uni-Karriere“ vorweisen könne. Lorentz, der seit mindestens vier Jahren an der FU unterrichte, habe sich im Übrigen schon mehrfach als „Türöffner“ erwiesen: Vier Absolventen würden heute für die Mercator-Stiftung arbeiten. Um Honorarprofessor an der FU zu werden, „muss man etwas für die Uni tun und etwas Besonderes in der Lehre bieten“, sagt Siebenhaar.

Tatsächlich hat der Fachbereich, auf dessen Vorschlag ein Honorarprofessor erst bestellt werden kann, vorher eine Kommission gebildet und zwei externe Gutachten eingeholt. Der anonyme Kritiker stößt sich jedoch daran, dass drei der sechs Kommissionsmitglieder zu Siebenhaars Institut gehören, darunter Siebenhaar selbst, und daran, dass einer der beiden Gutachter, Helmut Anheier, Leiter der Hertie-School of Governance ist, die ebenfalls von Mercator gefördert wird und deren Geschäftsführer Bernhard Lorentz war. Siebenhaar bestätigt, dass Anheier gegutachtet hat, sieht aber nicht die Gefahr einer zu positiven Berurteilung: „Es muss ja jemand sein, der ihn kennt.“

Hat die Sache Geschmäckle oder nicht? Das hängt vom Betrachter ab. Alle Hochschulen binden ihnen wichtige Praktiker an sich, indem sie sie mit dem Professorentitel belohnen. Denn der Lehrauftrag bringt fast kein Geld. Je bedeutender die Hochschule, desto bekanntere Professoren tauchen in den Vorlesungsverzeichnissen auf: Wirtschaftsvertreter wie Josef Ackermann (Universität Frankfurt), Hans-Olaf Henkel (Uni Mannheim) oder Hans-Peter Keitel (TU Berlin), aber auch Politiker wie Annette Schavan (FU), der Berliner Staatssekretär für Gesundheit, Benjamin Hoff (Alice-Salomon-Hochschule) oder die CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters, die, wie der Journalist Ernst Elitz und Berlins ehemaliger Wissenschaftssenator Christoph Stölzl, eine Professur am Siebenhaar-Institut hat. Im Jahr 2010 kamen sechs Honorarprofessoren neu an die FU, teilt die Leitung mit.

Gelegentlich kann durchaus auch finanzieller Einsatz für eine Hochschule bei der Vergabe einer Professur eine Rolle spielen. Die Hochschulen erhofften sich von Honorarprofessuren nun einmal „Unterstützung, pekuniär und ideell“, sagt Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Schließlich sei die Grundfinanzierung durch den Staat nicht ausreichend. Das könne einzelne Hochschulen denn auch in die „Versuchung“ führen, „sich sehr offen zu verhalten“. In aller Regel gingen die Hochschulen aber „sehr verantwortungsvoll“ mit ihrem Tafelsilber, den akademischen Titeln, um. Schließlich würde eine Fakultät sonst ihre Reputation beschädigen. Immerhin können sie unter bestimmten Voraussetzungen auch Prüfungen abnehmen, bis zur Promotion.

Auch Stefan Hornbostel vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) hält es für sinnvoll, mit Hilfe von Professorentiteln Praktiker an die Hochschulen zu bringen: „Aber natürlich gibt es eine Grauzone.“ Die Hochschulen müssten aufpassen, dass sie nicht zu großzügig mit dem Titel umgehen. An britischen und amerikanischen Eliteunis gebe es jeweils harte Debatten, um ein „Inflationsproblem“ zu verhindern.

Kritischer ist der BWL-Professor Manuel René Theisen von der Universität München, der sich jahrelang mit Titelmissbrauch in Deutschland befasst hat. Er nennt die Praxis, Praktiker mit Lehraufträgen zu Professoren zu ernennen, ein „Ärgernis“. Denn die Hochschulgesetze der Länder verlangten zwar von den Honorarprofessoren eine wissenschaftliche Leistung auf dem Niveau der hauptberuflichen Professoren. „Doch wir wissen ja um die Praxis“, sagt Theisen. Auf dem Briefpapier sind die feinen Unterschiede zwischen den Praktikern und den Wissenschaftlern nicht mehr zu erkennen: Beide schmücken sich mit dem Titel Professor. Theisen ist darum für „eine Verschärfung der Titelführung“. Zumindest sollten die Honorarprofessoren als „Hon.-Prof“ auf der Visitenkarte firmieren. „Und die wenigen, die sich wirklich wissenschaftlich ausgezeichnet haben, sollten zu außerplanmäßigen Professoren ernannt werden, das wäre fairer“, sagt Theisen.

Auch Peer Pasternack, Direktor des Instituts für Hochschulforschung (HoF) an der Uni Halle-Wittenberg spricht von einem „Etikettenschwindel“. „Den meisten Ministerien erscheint dieses Problem aber wohl zu geringfügig.“

Könnten die Hochschulen ihre Praktiker aber nicht auch für Lehraufträge gewinnen, ohne sie dafür mit ihrem Markenzeichen „Professor“ zu belohnen? Berlins Staatssekretär Benjamin Hoff sagt, er hätte auch ohne den Professorentitel weiter an der Alice Salomon Hochschule gelehrt. Doch er freue sich auch über die Honorarprofessur: „Sie ist ja auch eine Anerkennung und Wertschätzung der Lehrleistung:“ Einen Gewinn an Sozialprestige hat der Politiker für sich auch festgestellt. Als promovierter Sozialwissenschaftler, der jahrelang an Hochschulen gelehrt und auch eine längere wissenschaftliche Publikationsliste vorzuweisen hat, hat Hoff aber nicht das Gefühl, überdekoriert zu sein.

Womöglich sind die Hochschulen mit ihren Professorentiteln auch gar nicht übermäßig großzügig. Vielleicht weisen die Deutschen den Professoren einfach übermäßig viel Prestige zu, indem sie sie durchweg für „extrem klug“ und „begütert“ halten, wie Peer Pasternack zu bedenken gibt. Das aber wäre ein Fehler, erklärt der Hochschulforscher. Professoren seien in Deutschland längst ein „Massenphänomen“ (38 000) und oft schlecht bezahlt (W-Besoldung).

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