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Posing für die Kameras: Vor dem Abflug geben die drei Astronauten noch eine Pressekonferenz - hinter einer Glasscheibe.

© dpa

Update

Alexander Gerst auf der ISS: "Es ist wie im Traum"

Der deutsche Alexander Gerst hat zusammen mit einem US-Amerikaner und einem Russen die Internationale Raumstation ISS erreicht. In einer ersten Videokonferenz meldete er sich bei seiner Familie - und ist begeistert.

Mit einer ersten Videokonferenz nach der Ankunft auf der Internationalen Raumstation ISS hat sich der deutsche Astronaut Alexander Gerst bei seiner Familie gemeldet. „Der Flug war fantastisch“, sagte der 38-Jährige bei der Schalte aus 400 Kilometern Höhe zum Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. „Ich kann es noch nicht glauben, es ist wie im Traum. Der Blick auf die Erde ist super.“

Als dritter Deutscher hatte Gerst zuvor seinen Dienst auf der Internationalen Raumstation ISS angetreten. Nach dem Andocken der Sojus-Kapsel öffneten sich am Donnerstagmorgen um 5.52 Uhr MESZ die Luken der Raumschiffe, und Gerst schwebte an Bord. Begleitet wurde er von dem Russen Maxim Surajew und dem US-Amerikaner Reid Wiseman.

"Wir sind Freunde geworden"

Rückblick: Sein letzter öffentlicher Auftritt vor dem großen Flug ins All ist fast vorbei - doch der 38-Jährige aus Künzelsau (Baden-Württemberg) will noch eine Sache klarstellen. Die schwere internationale Krise wegen des Ukraine-Konflikts gehe nicht völlig am dreiköpfigen Team aus Deutschland, Russland und den USA vorbei, betont Gerst bei der Pressekonferenz in der kasachischen Stadt Baikonur. „Aber unsere Familien haben die Wochenenden gemeinsam auf der Datscha verbracht, und wir sind Freunde geworden“, sagt der 38-Jährige. „Wir fliegen als Mannschaft in den Weltraum, nicht als Vertreter einzelner Staaten.“

Gerührt verfolgen Großmutter und Vater Hans-Dieter Gerst in der ersten Reihe den humanistischen Appell des Astronauten. Da sie seit Tagen aus Gesundheitsgründen von der Öffentlichkeit abgeschirmt ist, sitzt die Crew hinter einer großen Glasscheibe. Doch vor dem Start am späten Mittwochabend dürfen Vater und Sohn noch einmal miteinander sprechen. „Mach's gut, Junge, und komm heil und gesund zurück“, habe er gesagt, erzählt Hans-Dieter Gerst in Baikonur der Nachrichtenagentur dpa. Eine Umarmung war nicht erlaubt.

Massive körperliche Belastung

„Besucher der Astronauten müssen einen Meter Abstand halten, um jede Ansteckung zu vermeiden“, betont Raimund Lentzen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Allein schon der Startort Baikonur hält massive Belastungen für den menschlichen Organismus bereit. Brütende Hitze von mehr als 30 Grad liegt an diesem Maitag über der staubtrockenen Steppe. Schatten spenden auf dem Weltraumbahnhof nur die Abschussrampen, die wie Bohrtürme in den Himmel ragen. Kamele liegen dösend zwischen braunen Grasbüscheln.

Putz bröckelt von den Mietskasernen, der Straßenasphalt zeigt breite Risse. Gut 50 Jahre nach dem Bau leidet das Areal unter erheblichen Alterserscheinungen. Die 115 Millionen US-Dollar (84,4 Millionen Euro) Pacht, die Russland jährlich für seine Starts an die kasachische Führung zahlt, reichen längst nicht für den Unterhalt des größten Kosmodroms der Welt. Frühere Pläne, das riesige Areal nach dem Vorbild der US-Weltraumbahnhöfe für Touristen zu erschließen, scheiterten auch an Sicherheitsfragen. Noch immer wird Baikonur militärisch genutzt.

Von Seifenkisten zu Raumraketen

„Unsere Steppe ist für Raketenstarts ideal, denn angesichts dieser tristen Landschaft fällt den Raumfahrern der Abschied von der Erde leicht“, sagt Ingenieur Nurlan Otarbajew und lacht. Vorsichtig legt er Geldstücke auf die Schienen, auf denen gleich eine Diesellok die weiße Sojus-Rakete für Gerst und seine Kollegen Maxim Surajew und Reid Wiseman zur Startrampe zieht. Als der 40 Tonnen schwere Zug vorbeigerollt ist, nimmt Otarbajew die platt gewalzten Münzen von den Gleisen. „Die schenke ich meinen Kindern. Bringt Glück“, sagt der 43-Jährige und zeigt beim Grinsen ein paar Goldzähne.

An der Startrampe verfolgt Hans-Dieter Gerst gespannt das Auftanken der Sojus. Sein ältester Sohn habe schon immer eine Leidenschaft für ungewöhnliche Fahrzeuge gehabt, sagt der 59-Jährige. „Als Kind ist er in Seifenkisten herumgerast“, erzählt der Schlossermeister aus Baden-Württemberg und lächelt wie bei einer schönen Erinnerung.

Für Ulf Merbold, der als einziger Deutscher dreimal im All war, ist Alexander Gerst die richtige Wahl für den Flug. „Er ist in hohem Maße ein Mannschaftsspieler, das ist wichtig, denn die bemannte Raumfahrt funktioniert nur im Team“, meint der 72-Jährige. Merbold ist zum Start nach Baikonur gereist und ahnt, was Gerst in den letzten Stunden vor dem Abheben im Kopf herumgangen sein könnte. „Du denkst ständig: Hätte ich das doch bloß besser trainiert und jenes noch einmal diskutiert“, sagt er. „Aber dafür ist es dann zu spät.“

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