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Tod und Verderben. Den Menschen im Mittelalter müssen die Pestepidemien wie eine Höllenvision erschienen sein. Kunstwerke aus der Zeit lassen den Horror erahnen, hier eine Wachsplastik von Gaetano Zumbo. Foto: akg-images / Orsi Battaglini

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Wissen: Als der Schwarze Tod nach Europa kam

Vier Skelette aus London offenbaren, warum die Pest im 14. Jahrhundert Millionen Menschen tötete

Am Ende des Jahres 1348 lagen in Londons Straßen zahllose Leichen mit riesigen, schwarzblauen Beulen. Der schwarze Tod hatte die Stadt fest in seinem Griff. Die Beulenpest fraß sich damals durch die europäisch Bevölkerung, wie ein Feuer durch ein Holzhaus: Jeder zweite Europäer fiel ihr zum Opfer. Zurück blieben Angst, Massengräber und ein Kontinent, der für immer verändert war. Deutsche und kanadische Forscher sind nun den Gründen für diese Ur-Katastrophe auf die Spur gekommen.

Um die vielen Pestopfer der Stadt zu bestatten, wurde Ende 1348 oder Anfang 1349 in London der East Smithfield-Friedhof eingerichtet. Ein Forscherteam um Johannes Krause von der Universität Tübingen hat vier Skelette von diesem Friedhof untersucht, aus ihren Zähnen den Pesterreger isoliert und dessen Erbgut entziffert. Mit den Ergebnissen liefern die Forscher in der Online-Ausgabe des Fachjournals „Nature“ jetzt auch eine stichhaltige Erklärung, warum das Bakterium in nur fünf Jahren fast 30 Millionen Menschen töten konnte: Die Menschen waren damals offenbar zum ersten Mal mit dem Pest-Bakterium Yersinia pestis konfrontiert. Der Organismus hatte sich also noch nicht an diesen Erreger anpassen können und niemand wusste, wie man die Epidemie eindämmen konnte. Spätere Ausbrüche der Pest verliefen dann auch weniger schrecklich.

Manche Forscher gingen bislang davon aus, dass Yersinia pestis schon früher furchtbare Epidemien verursacht hatte, etwa einen Ausbruch zu Zeiten des römischen Kaisers Justinian I.. Die Epidemie, die 541 in Ägypten ihren Ausgang nahm, breitete sich im Oströmischen Reich aus und soll bis zu 100 Millionen Menschen das Leben gekostet haben.

Aber ein Vergleich des Erbguts aus dem Londoner Friedhof mit neueren Varianten des Pesterregers legt nahe, dass das Bakterium erst im 12. oder 13. Jahrhundert auf den Menschen übertragen wurde. „Das Bakterium ist sehr eng mit dem letzten gemeinsamen Vorfahren aller heutigen Stämme von Yersinia pestis verwandt“, erklärt Johannes Krause. Das Bakterium sei offenbar so etwas wie der erste Urahne aller Pesterreger. „Die Pest-Epidemie von 1347 bis 1351 brachte anscheinend diese Infektion zum Menschen“, sagt der Biologe. Für frühere Epidemien müssten also andere Erreger die Ursache gewesen sein.

Auch heute tötet Yersinia pestis noch. Etwa 2000 Menschen sterben jedes Jahr an der Pest. Und: Seit dem schwarzen Tod, haben sich die gefährlichen Eigenschaften des Erregers kaum verändert. „Wir haben herausgefunden, dass es in den 660 Jahren Evolution als menschlicher Erreger, relativ wenige Veränderungen im Erbgut des uralten Bakteriums gab“, sagt Hendrik Poinar von der McMaster-Universität in Kanada, der an der Studie beteiligt war.

Warum verliefen dann spätere Pestepidemien, auch vor der Einführung von Antibiotika zu einer effektiven Behandlung deutlich glimpflicher als im 14. Jahrhundert? Johannes Krause denkt da zum Beispiel an den Begriff „Selektion“ aus der Evolutionstheorie: Vermutlich überlebten im 14. Jahrhundert vor allem die Menschen, deren Organismus mit dem Pesterreger am besten fertig wurde. Deren Nachfahren sind heute noch weniger empfindlich gegen eine solche Epidemie.

Überträger des Pestbakteriums ist ein Floh, der normalerweise auf Ratten lebt. Sterben die Nagetiere an der Pestinfektion, sucht sich der Floh einen neuen Wirt. Da in Städten und auf Schiffen seit alters her Ratten und Menschen eng aufeinander sitzen, sind eben häufig Menschen das nächste Opfer. Schiffe trugen so die Pest von der Halbinsel Krim, auf der bereits 1345 erste Opfer starben, in die Mittelmeerhäfen. Von dort breitete sich die Epidemie dann rasch über Europa aus. Besonders betroffen aber waren fast immer die Hafenstädte und die Ballungsgebiete.

Stirbt ein Pest-Infizierter, kühlt sein Leichnam rasch aus. Die Flöhe verlassen dann sehr schnell ihren toten Wirt und suchen sich ein neues Opfer. Ärzte infizierten sich daher viel häufiger als Totengräber, die erst viel später mit den ausgekühlten Pestopfern in Berührung kamen. „Aus dieser Beobachtung könnte die Quarantäne entstanden sein“, sagt Krause. Dieses Isolieren der Kranken bis einige Tage nach ihrer Gesundung oder ihrem Tod bremste die Ausbreitung der Pestepidemien deutlich aus.

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