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Altertumskunde: Tanz die Antike

Die Beschäftigung mit der Antike ist also alles andere als ein bloßes Kreisen um die Vergangenheit. Weltkongress in Berlin: Wie die Globalisierung die Altertumskunde verändert.

Aus der Perspektive von Althistorikern ist eine Zeitspanne von 40 Jahren ein Wimpernschlag. Für die deutschen Altertumsforscher verspricht es dennoch ein historischer Augenblick zu werden: Am heutigen Montag wird an der Humboldt-Universität erstmals nach 40 Jahren wieder in Deutschland der Weltkongress ihrer Zunft eröffnet. Über 800 Althistoriker, Archäologen, Altphilologen und Vertreter verwandter Wissenschaften, die sich mit den antiken Mittelmeerkulturen beschäftigen, werden für eine Woche in Berlin erwartet.

Altertumskunde im Zeitalter der Globalisierung – so könnte das Motto des Kongresses lauten, den der Dachverband der Altertumsforscher (FIEC) alle fünf Jahre veranstaltet. Ulrich Schmitzer, Professor für Klassische Philologie an der Humboldt-Universität und Chef des kleinen Organisationsteams, verweist auf die inhaltliche und methodische Öffnung der Disziplinen. Davon profitieren besonders Themen der Rezeptionsgeschichte. Dass bei der Neuinterpretation einer überschaubaren Anzahl altbekannter Quellentexte auch neue Fragestellungen aus den Kultur- oder Literaturwissenschaften zum Einsatz kommen, versteht sich – zumindest in Europa und den USA – mittlerweile beinahe von selbst. Tagungssektionen wie „Language of the Body“ zeugen davon.

Doch auch Altertumswissenschaftler aus dem Iran oder Südafrika halten Vorträge. Sie kommen aus Ländern, die nicht zu den „klassischen“ Forschernationen der Altertumskunde gehören. „Philologen aus Südafrika zum Beispiel haben eine ganz eigene Sicht auf die Literatur des aus Rom verbannten Dichters Ovid“, sagt der Ovid-Spezialist Schmitzer. „Ihre Interpretationen werden durch die eigene Apartheid-Erfahrung mitgeprägt.“

Die Beschäftigung mit der Antike ist also alles andere als ein bloßes Kreisen um die Vergangenheit. Immer wieder versprechen Vortragstitel kühne Vergleiche mit der Gegenwart, etwa wenn es um antike Sagengestalten wie Narziss und Faun und ihre Darstellung im sowjetischen Ballett geht. Eine ganze Sektion widmet sich zudem dem Bild der Antike in modernen Massenmedien wie Film und Fernsehen oder in der politischen Rhetorik eines George W. Bush.

Berlin als Tagungsort haben die deutschen Veranstalter bewusst gewählt. Das Hauptgebäude der Humboldt-Universität ist Tagungsort der Antikenspezialisten. In die Vorbereitungen einbezogen waren neben Schmitzers Team auch die Kollegen von der Freien Universität, die sich ebenso der großen Berliner Tradition der Altertumskunde verpflichtet fühlen dürfen. Klangvolle Namen wie Theodor Mommsen oder Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff stehen mit zum Teil bis heute fortgeführten Editionsprojekten für diese quellenkritische Berliner Forschungstradition. Michael Zajonz

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