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Alt und jung. Im Haus der Generationen in den Franckeschen Stiftungen in Halle verbringen Kinder der Montessorischule regelmäßig Nachmittage mit an Demenz erkrankten Hausbewohnern.

© picture alliance / ZB

Alzheimer: Dem Verfall vorbeugen

Forscher gehen der Frage nach, wie man sich vor Demenz schützen kann. Ginkgo, Vitamin E, Omega-Fettsäuren - bewiesen ist davon nichts.

Gunter Sachs sah keinen Ausweg mehr. Die Furcht vor dem geistigen Verfall durch die Alzheimer-Demenz trieb den Industriellenerben, Lebemann und Fotografen mit 78 Jahren offenbar in den Suizid. Vielleicht waren es in Wahrheit Depressionen, die Sachs zu seiner Verzweiflungstat veranlassten. Trotzdem zeigt sein Handeln, welch schicksalhafte Bedeutung die Diagnose „Alzheimer“ inzwischen bekommen hat.

Nach einer Schätzung der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft leben in Deutschland 1,2 Millionen Demenzkranke, von denen zwei Drittel an Alzheimer erkrankt sind. 2050 könnten es 2,6 Millionen sein, wenn kein Durchbruch bei der Behandlung erzielt werden kann, warnt die Gesellschaft.

Mit der Frage, welche Risikofaktoren es gibt und wie man Alzheimer vorbeugen kann, hat sich vor kurzem im Auftrag der US-Regierung eine Gruppe unabhängiger Experten beschäftigt. Die Fachleute unter Leitung von Martha Daviglus von der Northwestern University Feinberg School of Medicine durchforsteten dazu die wissenschaftliche Literatur.

Der größte Risikofaktor für Alzheimer ist das Alter. Es lässt sich ebenso wenig beeinflussen wie ein erhöhtes Alzheimer-Risiko, das durch Spielarten des ApoE-Gens bedingt ist. Unübersichtlicher ist die Situation, was die Vorbeugung angeht, also die Frage, ob man sich vor Alzheimer schützen kann.

„Gegenwärtig reichen die Belege nicht aus, um eindeutige Schlussfolgerungen über die Verknüpfung irgendeines veränderbaren Risikofaktors mit der Alzheimer-Krankheit zu ziehen“, lautet das ernüchternde Ergebnis, über das die Forscher im Fachblatt „Archives of Neurology“ (online vorab) berichten. Im Klartext: Ob und wie man sich vor Alzheimer wappnen kann, bleibt vorerst ungewiss.

Die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus, erhöhte Blutfette in mittleren Jahren und Rauchen werden mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko verknüpft. Auf der anderen Seite sollen eine mediterrane Ernährung (viel Obst und Gemüse, wenig Fleisch und tierische Fette), Folsäure, Alkohol in Maßen sowie geistige und körperliche Aktivitäten die Gefahr mindern. Doch die Forscher sind skeptisch. Die Beweislage sei dünn, weitere Studien erforderlich, um die Ergebnisse auf eine solide Basis zu stellen. Weder Ginkgo- noch Vitamin-E-Präparate können das Risiko senken, auch Bluthochdruck, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B12 und Beta-Carotin haben vermutlich kaum Einfluss auf Alzheimer. Gleiches gilt nach heutigem Wissen für einen bestimmten Ernährungsstil. Also etwa, ob man viel gesättigte Fette oder auf der anderen Seite reichlich Obst und Gemüse zu sich nimmt.

Zwar gebe es reichlich Studien über Risikofaktoren und mögliche Behandlungen, aber wissenschaftlich klafften immer noch große Lücken. Weder könne man daher eine Beziehung zwischen irgendeinem veränderbaren Risikofaktor und Alzheimer herstellen noch sei es hinreichend belegt, dass ein bestimmter Lebensstil oder ein Nahrungsergänzungsmittel einen Einfluss haben können, schreiben die Forscher. Die bisherigen Studien sind aus ihrer Sicht methodisch schwach, verlassen sich zu sehr auf die Selbsteinschätzung der Patienten und haben oft keine klaren Maßstäbe für das Vorliegen einer Alzheimer-Krankheit.

Große, langfristige Untersuchungen sind daher nach Meinung der Forscher dringend erforderlich, um Risikofaktoren herauszufiltern und Maßnahmen zu ermitteln, mit denen sich Alzheimer verlangsamen lässt. In den künftigen Studien werde es dann vielleicht möglich sein, das eine oder andere bisher nur vermutete Risiko für Alzheimer eindeutig zu bestätigen. Trotzdem sei es sinnvoll, körperlich und geistig aktiv zu sein und einen gesunden Lebensstil zu pflegen, weil eben das einen Schutzfaktor bei vielen chronischen Krankheiten darstelle – ganz unabhängig von Alzheimer.

„Das ist alles wahr, aber sehr streng bewertet“, kommentiert der Alzheimerexperte Lutz Frölich vom Zentrum für seelische Gesundheit in Mannheim. Frölich ist überzeugt, dass vor allem viel körperliche Bewegung eine Rolle bei der Alzheimer-Vorbeugung spielen kann. „Auch die Bekämpfung von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist dabei wichtig“, sagt er. Noch mehr als für die Alzheimer-Krankheit gilt das für die gefäßbedingte „vaskuläre“ Demenz, die durch verengte und verkalkte Blutgefäße und Schlaganfälle hervorgerufen wird. Während sich die Forscher an Alzheimer und seinen Ursachen noch die Zähne ausbeißen, ist die Situation hier eindeutig: Was dem Herzen zusetzt (Cholesterin, Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen), erhöht auch die Gefahr einer vaskulären Demenz. Man kann also durchaus etwas gegen Demenz tun – auch heute schon.

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