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In Deutschland gibt es derzeit 1,2 Millionen Patienten.

© Mauritius

Alzheimer: Gegen das Vergessen

Es ist ein Hoffnungsschimmer. Ein Forscherteam hat an Mäusen erfolgreich einen Impfstoff gegen Alzheimer getestet. Die Wissenschaftler sind optimistisch, dass die Therapie auch auf Menschen übertragbar ist.

Wäre es nicht wunderbar, wenn es eine Impfung dagegen gäbe? Wenn Alzheimer, die Krankheit, vor der sich alle fürchten, sobald sie an ihr eigenes Alter und das ihrer nächsten Angehörigen denken, schon bald besiegbar würde – wie Pocken und Polio? Wenn eine Impfung gegen das Leiden, mit dem allein in Deutschland 1,2 Millionen Menschen leben und mit dem im Alter zwischen 80 und 90 fast jeder Dritte zu rechnen hat, zum Vorsorgeprogramm gehören würde wie der Schutz vor Masern und Mumps?

Nach zahlreichen Fehlschlägen könnte es nun einen neuen Hoffnungsschimmer geben: Ein internationales Forscherteam unter Führung des Psychiatrieprofessors Thomas Bayer von der Uniklinik in Göttingen hat eine Impfung entwickelt, die zumindest bei Mäusen wirkt. Sie richtet sich gegen einen Eiweißkomplex, der bisher nicht im Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit stand. Nach Ansicht der Göttinger Grundlagenforscher ist das Eiweiß namens Pyroglutamat-Abeta jedoch der „eigentliche Übeltäter“ in dem krankhaften Geschehen, das zum gefürchteten Abbau von Gedächtnis und Denkfähigkeit führt.

Bei der Impfung handelt es sich um eine passive Immunisierung: Ein spezifischer Antikörper soll eine besonders giftige Variante des Eiweißes erkennen und unschädlich machen, indem er sie bindet. Im Tiermodell hat das funktioniert: Wie die Forscher in der Online-Ausgabe des „Journal of Biological Chemistry“ berichten, hat sich das Lernverhalten der erkrankten Mäuse nach der Impfung deutlich stabilisiert.

Neu an diesem Ansatz der europäischen Arbeitsgruppe, zu der auch Wissenschaftler aus Finnland und den Niederlanden gehören, ist, dass sie sich nicht die charakteristischen Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn von Erkrankten als Zielscheibe ihrer Alzheimer-Impfung wählten. Diese „Plaques“ in Schach zu halten, war das Ziel zahlreicher bisheriger Impf- und Behandlungsstrategien.

So weckte eine aktive Immunisierung, für die genetisch veränderten „Alzheimer-kranken“ Mäusen synthetisch hergestelltes Beta-Amyloid in die Blutbahn gespritzt wurde, vor zehn Jahren Hoffnung in der Wissenschaftsgemeinde: Das Immunsystem der Nager bildete Antikörper gegen das Eiweiß, und sie schnitten in mäusespezifischen Gedächtnistests besser ab. Eine erste Studie, die daraufhin an der Uni Zürich mit Erkrankten gemacht wurde, brachte jedoch im Jahr 2002 einen herben Rückschlag. Einige Teilnehmer erlitten schwere Entzündungen des Gehirns und der Hirnhaut, ausgelöst wahrscheinlich durch heftige Reaktionen des Immunsystems auf die Impfung, so dass die Untersuchung abgebrochen werden musste. Damit ist der Ansatz zwar nicht gestorben, doch auch weitere gezielte Strategien gegen die Verklumpungen mündeten bisher in Enttäuschungen. Noch dazu zeigten Untersuchungen, etwa an 600 amerikanischen Ordensschwestern, dass die Menge der Ablagerungen allein keine Rückschlüsse auf die kognitiven Fähigkeiten erlaubt: Einige Nonnen hatten viel davon im Gehirn, lösten die Testaufgaben aber problemlos.

Inzwischen sei man dabei, die Vorstellung zu überdenken, dass das Beta-Amyloid den Anstoß für die Verheerungen im Gehirn gibt, sagt auch Charité-Psychiaterin Isabella Heuser. „Wir versuchen zu verstehen, was die Verbindungen zwischen den Nervenzellen wirklich in den Untergang treibt.“ Die neue europäische Impfstudie ist in ihren Augen ein interessanter Versuch. „Dem muss jetzt unbedingt weiter nachgegangen werden“, sagte die Psychiaterin.

Der Leiter der neuen Impfstudie, Thomas Bayer, sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass klinische Studien an Menschen schon in zwei Jahren starten könnten. Die Ergebnisse der Studie seien auf Menschen zu übertragen, sagte Bayer weiter. „Mit dieser Form der passiven Impfung können wir vermutlich keine Heilung erreichen, aber unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass Antikörper offenbar das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit stoppen“, betonte der Experte.

„Schon das wäre angesichts der augenblicklichen Situation ein ungeheurer Fortschritt“, kommentiert Psychiaterin Heuser. Sie warnt jedoch davor, nun ebenso euphorisch wie voreilig von einem Durchbruch in der Bekämpfung von Alzheimer zu sprechen. „Nach all den Enttäuschungen, die nicht allein wir Ärzte, sondern auch die Betroffenen in den letzten zehn Jahren zu verkraften hatten, muss man jetzt erst einmal zurückhaltend sein.“ Zurückhaltend, mit diesem Wort beschreibt sie auch die Stimmung, in der sie ihre Kollegen während eines internationalen Expertentreffens im französischen Toulouse in dieser Woche antraf: In den Studien an Menschen zeichnet sich derzeit nämlich kein wirklicher Durchbruch ab.

Alzheimer ist die häufigste Form von Demenz. Die alzheimersche Krankheit befällt das Gehirn und ist gekennzeichnet durch das fortschreitende Absterben von Nervenzellen und Nervenzellkontakten. Die Erkrankungszahlen steigen mit dem Lebensalter. In Einzelfällen sind aber auch Jüngere betroffen, sogar Kinder.

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