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Angst vor "Mers": Wie gefährlich ist das neue Coronavirus?

Die Weltgesundheitsorganisation warnt eindringlich vor dem neuen Coronavirus „Mers“. Wie groß ist die Ansteckungsgefahr?

Für die Bevölkerung gebe es keinen Grund zur Beunruhigung, betonte Frankreichs Gesundheitsministerin Marisol Touraine. Da war der 65-jährige Patient, der im französischen Lille aufgrund einer Erkrankung mit dem neuen Coronavirus namens „Mers“ behandelt wurde, gerade gestorben. Er hatte sich vermutlich auf einer Reise nach Dubai mit dem Virus angesteckt. In Frankreich gibt es nur einen weiteren Fall; der Patient lag mit dem Verstorbenen auf einem Zimmer. Dutzende Kontaktpersonen werden überprüft, doch anscheinend hat sich sonst niemand infiziert. Die Gesundheitsbehörden seien sehr wachsam, sagte Touraine.

Die Fachbezeichnung MERS-CoV steht für „Middle East Respiratory Syndrome Corona Virus“, also ein Coronavirus aus dem Nahen Osten, das ein Atemwegssyndrom auslöst. Mers ist eines von sechs Coronaviren, die den Menschen infizieren. Vier davon verursachen nur einen Schnupfen und gelten als ungefährlich. Vor zehn Jahren kam „Sars“ neu dazu und infizierte in einer Epidemie mehr als 8000 Menschen in 30 Ländern, jeder zehnte dieser Patienten starb an dem schweren Atemnotsyndrom. Mers verursacht ebenfalls ungewöhnlich schwere Lungenentzündungen, greift aber auch andere Organe wie die Nieren an. Es wurde vor einem Jahr erstmals bei einem Menschen entdeckt. Seitdem weiß man von 49 Infektionen, 24 dieser Patienten haben nicht überlebt. Erst am Montag meldete das Gesundheitsministerium von Saudi-Arabien fünf weitere Fälle im Land, nannte jedoch keine Details.

Margaret Chan, Generalsekretärin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hatte am Montag in Genf gesagt, dass Mers „eine Gefahr für die ganze Welt“ sei, insbesondere weil man über das Virus zu wenig wisse. „Jedes neue Virus, das sich schneller verbreitet als unser Verständnis davon, ist nicht unter Kontrolle.“

Experten sehen darin eine politische Äußerung, die die betroffenen Länder und Forscher dazu auffordert, offen zusammenzuarbeiten. Die europäische Seuchenbehörde ECDC betonte in ihrer aktuellen Risikoanalyse, dass es aufgrund der fehlenden Daten im Moment unmöglich sei, die Bedrohung verlässlich einzuschätzen. Bislang seien mehrere Szenarien möglich. Auch eine Epidemie wie bei Sars könne nicht ausgeschlossen werden.

„Auf Sars wurde die Welt viel später aufmerksam“, sagt Sars-Forscher Christian Dosten von der Uni Bonn, der nun auch Diagnostik für Mers entwickelt hat. Damals gab es bereits Ausbrüche in Krankenhäusern in mehreren Ländern. „In dieser Situation war die WHO aktiver und hat die Einzelinteressen von Ländern und Forschern stärker gesteuert, damit alle verfügbaren Daten auf den Tisch kamen.“

Das Auswärtige Amt weist auf die Infektionsgefahr bei Reisen hin

Bei Mers sei bisher nur ein Ausbruch in einer kleinen saudischen Privatklinik mit Sars-Zeiten vergleichbar. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien gab es lediglich einzelne importierte Fälle. Dabei handelt es sich zum einen um Patienten aus dem Nahen Osten, die zur Behandlung nach Europa ausgeflogen wurden oder um Menschen, die zuvor in die Region gereist waren. In Großbritannien steckte ein Patient weitere Familienangehörige an, in Frankreich einen Mitpatienten. Offenbar ist also eine Mensch-zu- Mensch-Übertragung möglich. Es gibt jedoch noch keinen Nachweis für wirkliche Übertragungsketten.

Angesichts der unsicheren Situation weist das Auswärtige Amt auf seinen Internetseiten Reisende in alle Länder auf der arabischen Halbinsel und Jordanien auf das neue Virus und ein geringes Infektionsrisiko hin, gibt aber keine konkreten Ratschläge. Der Arabische Rat für Hygiene und Länder wie Kuwait rufen besorgte Bürger dazu auf, vorsorglich allgemeine Hygieneregeln einzuhalten. So solle man in der Region Menschenmassen meiden, sich oft die Hände waschen und Kranke möglichst wenig besuchen.

Für Deutschland gibt es im Moment lediglich Handlungsempfehlungen für Ärzte und Pflegepersonal, die Mers-Verdachtsfälle versorgen. Das Robert Koch-Institut in Berlin mahnt, diese Patienten ähnlich strikt zu isolieren wie bei Sars und Schutzkleidung zu tragen. „Wir würden bei Mers aber nicht in den Seuchenmodus gehen wie bei Ebola“, sagt Norbert Suttorp, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie an der Charité. In der Klinik wird derzeit erforscht, wie Mers Zellen der menschlichen Lunge infiziert. Das Virus greife anders als die Grippe unterschiedliche Zellen an, sagt er. „Trotzdem bin ich allenfalls mäßig besorgt. Aber man muss man genau beobachten, wie es weitergeht.“

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