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Anthropologie: In 120. Generation

Sesshaft: Die Vorfahren zweier Harzbewohner lebten schon vor 3000 Jahren in derselben Gegend. Es war ein langer Weg bis zur gelungenen Verwandtschaftsanalyse.

Manfred Huchthausen und Uwe Lange kennen sich schon länger. Beide stammen aus dem Landkreis Osterode am südwestlichen Rand des Harz. Doch dass der 58-jährige Berufsschullehrer und sein zehn Jahre jüngerer Bekannter verwandt sind, wissen sie erst seit kurzem.

Die beiden sind aber nicht etwa Brüder, die als Babys getrennt wurden oder heimliche Halbgeschwister, weil ein Elternteil einen Seitensprung gemacht hat. Die Verwandten, die Huchthausen und Lange gemeinsam haben, sind seit 3000 Jahren tot. Ihre Überreste wurden bereits im Jahr 1980 in der Lichtensteinhöhle im Südharz entdeckt. Erst jetzt konnten Erbgutanalysen zeigen, dass die beiden Männer aus dem Harz direkte Nachfahren von Höhlenmenschen aus der Bronzezeit sind, die in derselben Gegend zu Hause waren.

Allerdings war es ein langer Weg von der Entdeckung der Fossilien bis zur gelungenen Verwandtschaftsanalyse. Im Jahr 1980 drangen Forscher in der Lichtensteinhöhle in unbekannte Kammern vor. Darin lagen neben Schmuck menschliche Knochen, die später 40 Individuen zugeordnet und auf die Bronzezeit datiert werden konnten. Erst in den neunziger Jahren wurde systematisch mit der Bergung begonnen. Nach und nach landeten die Knochen auf den Labortisch der Anthropologin Susanne Hummel von der Universität Göttingen, die auf die Analyse von alter Desoxyribonukleinsäure (DNS) spezialisiert ist.

Bei einer konstanten Höhlentemperatur von acht Grad Celsius und geschützt von einem Kalkfilm, der sich durch herabtropfendes Wasser auf der Oberfläche der Knochen gebildet hatte, überdauerte das Erbgut die Jahrtausende nahezu unversehrt. „Es ist so außergewöhnlich gut erhalten, dass wir zum ersten Mal einen Stammbaum 3000 Jahre zurückverfolgen konnten“, sagte Hummel dem Tagesspiegel. Der Forscherin war es gelungen, ganze genetische Fingerabdrücke der Bronzezeit-Menschen zu erstellen. Die Qualität der DNS in den Knochen sei nur wenig schlechter als Proben, die heute an Tatorten gefunden und in der Forensik analysiert werden, sagte Hummel, die an einer Veröffentlichung der Ergebnisse in einem Fachjournal arbeitet.

Im vergangenen Jahr wurden die Bürger aus dem Landkreis Osterode schließlich zu einem Speicheltest aufgerufen. Knapp 300 Bewohner stellten ihre DNS zur Verfügung. Bei Manfred Huchthausen und Uwe Lange konnten die Göttinger Forscher tatsächlich genetische Merkmale finden, die nur Verwandte der Bronzezeit-Menschen haben können. Damit gehören sie zur ältesten Familie der Welt. Denn ihr Stammbaum lässt sich um etwa 120 Generationen zurückverfolgen.

Ihre Familie ist zwar nicht viel rumgekommen – dank ihrer Sesshaftigkeit kommt sie jetzt aber zumindest unter Anthropologen zu Weltruhm. Nachbildungen der Urahnen sind seit Freitag im Höhlen-Erlebniszentrum in Bad Grund im Harz zu sehen.Dagny Lüdemann

Weitere Informationen unter:

www.hoehlen-erlebnis-zentrum.de

Dagny Lüdemann

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