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Artenschutz: Die letzten Luchse Andalusiens

Vielfalt in Gefahr: Die iberischen Raubkatzen sind bedroht - Berliner Forscher helfen bei der Nachzucht.

Als Tourist in Andalusien einem Luchs zu begegnen, ist in etwa so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Denn während seine eurasischen Verwandten, die auch in Deutschland leben, noch zu Tausenden vorkommen, ist der Bestand der Iberischen Luchse (Lynx pardinus) auf unter 200 geschrumpft. Kann diese Katzenart nicht gerettet werden, wäre sie die erste nach dem Aussterben der Säbelzahntiger vor 10000 Jahren, die vom Erdball verschwinden würde.

Damit der Iberische Luchs eine Zukunft bekommt, hat die spanische Regierung begonnen, ihn zu züchten. Auf Schwangerschaftstests bei Raubkatzen spezialisierte Biologen vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) unterstützen das Zuchtprogramm.

Ursprünglich waren die Luchse auf der ganzen Iberischen Halbinsel verbreitet. „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten hier rund 100000 Exemplare“, sagt Katarina Jewgenow vom IZW. Die Raubkatzen jagen hauptsächlich Wildkaninchen, selten erbeuten sie auch ein Huhn oder eine Ente. „Durch eine Kaninchenseuche in den fünfziger Jahren fanden die Luchse nicht mehr genug Nahrung“, sagt die Biologin. Zwar überlebten rund 5000 Tiere diese Hungerperiode, doch gleichzeitig schrumpfte ihr Lebensraum – der mediterrane Buschwald aus Korkeichen, Pinien und Zistrosensträuchern – durch die Ausbreitung der Landwirtschaft. Eine zweite Epidemie unter Kaninchen dezimierte den Luchsbestand schließlich auf 150 Tiere im Jahr 2005. Zu wenige, als dass er sich von alleine hätte erholen können.

Damals wurde mit der Zucht begonnen. „In freier Wildbahn gab es nur noch 25 bis 33 fruchtbare Weibchen. Und die waren auf zwei isolierte Gebiete verteilt“, sagt Jewgenow. Im Nationalpark Coto de Doñana starben im Jahr 2007 dann auch noch alle Luchsmännchen an Feliner Leukose – einer Virusinfektion, die von verwilderten Hauskatzen eingeschleppt worden war. Die Forscher brachten deshalb zwei Kater aus der zweiten Restpopulation in der Sierra de Andújar (Provinz Jaén) in den Nationalpark. So konnten sich die Tiere wieder fortpflanzen und das Erbgut wurde durchmischt. Das ist wichtig, denn Inzucht führt auf Dauer zur Ausbreitung von Erbkrankheiten, Gendefekte werden nicht ausgeglichen, und die Tiere sind anfälliger für Seuchen.

Zweimal im Jahr fliegt die Forscherin aus Berlin mit dem Tierarzt Frank Göritz nach Südspanien, um die Luchsweibchen in der Aufzuchtstation einem Schwangerschaftstest zu unterziehen. „Außerdem machen wir einen Gesundheitscheck, der beim letzten Mal sehr positiv ausgefallen ist.“ Um herauszufinden, ob ein Weibchen trächtig ist, reicht eine Hormonuntersuchung von Kotproben nicht. „Bei Hauskatzen geht das, doch für Luchse ist die Methode ungeeignet“, erklärt die Reproduktionsbiologin. „Deshalb müssen wir Blutproben auf das Plazentahormon Relaxin untersuchen.“ Lässt es sich nachweisen, bekommt das Luchsweibchen Nachwuchs.

Damit die Forscher die Raubkatzen zum Blutabnehmen nicht einfangen müssen – schließlich sollen sie sich nicht an die Nähe von Menschen gewöhnen, um die Auswilderung nicht zu gefährden – hat sich die Berlinerin etwas Besonderes ausgedacht. „Wir legen in den Einzelgehegen hungrige mexikanische Raubwanzen aus, die sich mit dem Blut vollsaugen.“ Sind die zwei Zentimeter großen Wanzen prall gefüllt, werden sie eingesammelt. Mit einer Spritze entnimmt Jewgenow das Luchsblut. Damit die Wanzen, die auch Menschenblut mögen, nicht ausbüchsen, werden sie in kleinen Käfigen in den Korkmatten gehalten, auf denen die Luchse schlafen. So können sie zustechen, aber nicht wegkrabbeln. „Zur Sicherheit haben wir die Blutsauger vorher mit Röntgenstrahlen sterilisiert“, sagt Jewgenow.

Mehr als 20 Iberische Luchse konnten bereits gezüchtet werden. Inzwischen leben 52 Tiere in den spanischen Aufzuchtstationen, in Portugal sind weitere Gehege geplant. Im Jahr 2010 soll mit der Auswilderung begonnen werden. Die Luchse, die mit der Flasche aufgezogen wurden, weil ihre Mütter sie verstoßen haben, können in freier Wildbahn allerdings nicht überleben. Sie werden nur als Zuchttiere eingesetzt.

Trotz erster Erfolge ist der Iberische Luchs noch nicht gerettet. Jedes Jahr werden Tiere überfahren, wogegen jetzt Zäune gebaut werden. Und da der Lebensraum dieser nachtaktiven Räuber weiter schrumpft und es noch immer zu wenige Kaninchen gibt, werden auch die letzten Luchse in Freiheit zusätzlich gefüttert.

Dagny Lüdemann

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