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Asteroid: "Vesta" überrascht die Planetenforscher

Erste dreidimensionale Aufnahmen von dem Asteroiden zeigen eine unerwartet zerklüftete Oberfläche mit vielen Kratern und hohen Bergen. Und vor allem jede Menge Schutt.

Je näher die Sonde „Dawn“ dem Asteroiden kommt, desto größer ist die Verwirrung der Planetenforscher. „Vesta hat uns völlig überrascht“, sagt Ralf Jaumann, Planetengeologe am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Der nach der römischen Göttin für Haus und Herd benannte Körper sieht deutlich anders aus, als die Wissenschaftler erwartet hatten. Von einigen Merkmalen haben sie bisher schlicht keine Ahnung, wie sie entstanden sein könnten, gibt der Planetengeologe freimütig zu. Dazu gehören die langen Furchen in Äquatornähe, die sich fast vollständig um Vesta herumziehen.

Die Puzzlearbeit der Wissenschaftler hat aber auch gerade erst begonnen. Im Juli hatte die Nasa-Sonde den drittgrößten Körper im Asteroidenhauptgürtel zwischen Mars und Jupiter erreicht. Seitdem umkreist sie den rund 500 Kilometer großen Brocken und schickt Fotos zur Erde, die mit einem in Deutschland entwickelten Kamerasystem gemacht wurden. Zunächst aus einer 2400 Kilometer hohen Umlaufbahn, die nun schrittweise auf 200 Kilometer gesenkt wird. Nach ersten Schnappschüssen von Vesta präsentierten die beteiligten Forscher am Freitag erste Spektrometeraufnahmen, die Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung des Asteroiden erlauben, sowie dreidimensionale Ansichten.

Die zeigen zum Beispiel am Südpol eine gewaltige Delle von rund 200 Kilometern Durchmesser und einen 25 Kilometer hohen Berg in der Mitte. Wochenlang haben die Forscher diskutiert, was es damit auf sich habe, berichtet Jaumann. Nun haben sie sich erst mal auf „Einschlagkrater“ geeinigt, der Berg sei durch das „Zurückploppen“ der zusammengedrückten Asteroidenkruste nach dem Crash entstanden. „Es handelt sich um einen Krater, wie wir ihn bisher noch nirgends im Sonnensystem gesehen haben“, sagt der Planetenforscher. Denn ein massiver Einschlag auf Vesta würde deutlich anders ablaufen als auf der Erde oder dem Mars. Diese Himmelskörper sind sehr groß im Vergleich zu den auftreffenden Asteroiden. Die Größenverhältnisse ähneln einem Kieselstein, der von einem Auto aufgewirbelt wird und auf die Motorhaube des folgenden Fahrzeugs trifft: Es entsteht eine Delle, mehr aber auch nicht. Beim Bombardement der Planeten werden freilich viel höhere Geschwindigkeiten erreicht. Das Einschlagstempo könne durchaus 50 Kilometer pro Sekunde betragen, sagt Jaumann, der zuvor Krater auf dem Mond und Mars erforscht hat. Das „Schadensbild“ ist den Wissenschaftlern gut bekannt, von Satellitenaufnahmen, aber auch von Geländestudien auf der Erde.

Anders bei Vesta. Die Objekte im Asteroidengürtel kreisen mit ähnlicher Geschwindigkeit um die Sonne. „Bei einem Einschlag muss man mit viel geringerem Tempo rechnen, es werden dann vielleicht nur fünf Kilometer pro Sekunde sein“, sagt der DLR-Forscher. Der Masseunterschied zwischen den beiden Objekten ist ebenfalls geringer. Hinzu kommt, dass Vesta binnen fünf Stunden einmal um die eigene Achse rotiert, sich gleichsam unter dem – langsamen – Einschlag hinwegdreht. All das beeinflusst das Aussehen eines Kraters und erschwert es den Forschern, die Geschichte eines Himmelskörpers zu rekonstruieren.

Genau darum geht es bei der Dawn-Mission, die noch bis Juli 2012 Vesta erkundet und dann den Zwergplaneten „Ceres“ aufsuchen soll. „Diese Himmelskörper sind irgendwo auf dem Weg vom Kleinkörper zu einem vollwertigen Planeten stehen geblieben und sind damit wichtige Zeugen der Entwicklungsgeschichte unseres Sonnensystems“, sagt Tilman Spohn, Direktor des DLR-Instituts für Planetenforschung. Sie begann vor 4,6 Milliarden Jahren, als sich ein großer Teil einer Gas- und Staubwolke zur Sonne zusammenballte. Der Rest kreiste weiter um den jungen Stern, die Partikel fanden sich zu kleineren Objekten zusammen, die weiter wuchsen – oder durch Kollisionen wieder zerstört wurden. Größere Körper gewannen aus der Energie der zusammengeballten Partikel sowie dem Zerfall radioaktiver Elemente so viel Wärme, dass sie teilweise schmolzen und sich Vulkanismus entwickelte.

Das vermuten die Forscher auch für Vesta. Klare Belege wie Vulkankegel oder weitreichende Lavadecken haben sie aber wider Erwarten nicht gefunden. Der „Embryoplanet“ ist von einer dicken Schuttschicht bedeckt, den Fragmenten zahlreicher Asteroidentreffer.

Nun wollen die Planetologen mit Hilfe einer Spektrometerkamera die chemische Zusammensetzung der Gesteine analysieren. Das Verfahren basiert auf dem Umstand, dass abhängig von den enthaltenen Mineralen bestimmte Wellenlängen des Sonnenlichts besonders gut reflektiert werden und andere besonders schlecht. Um ihr Messgerät zu kalibrieren, haben die Forscher verschiedene Meteoriten, die auf der Erde gefunden wurden, ins Labor geholt und dort das Reflexionsvermögen bestimmt.

„Die ersten Aufnahmen zeigen, dass Vesta unheimlich hell erscheint, weil das Licht so gut reflektiert wird“, sagt Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Das spreche dafür, dass der Asteroid vor allem aus „eukritisch“ genanntem Material besteht, das die Forscher bereits von einigen Meteoriten kennen: ein graues, feinkörniges Gestein. „Ob derartige Bruchstücke, die bisher auf der Erde gefunden wurden, ausnahmslos von Vesta stammen, kann keiner sagen.“

Ein gewisser Teil wird es aber sicher sein. Die Forscher gehen nämlich davon aus, dass der Asteroid früher viel größer war und durch den fortwährenden Beschuss an Umfang verloren hat. Das abgesprengte Material kreist im Asteroidengürtel, wobei einige Teile auch auf die Erdbahn gelangen können und dann von deren Schwerkraft eingefangen werden.

Dass es einen Gegenbesuch von unserem Planeten geben wird, ist unwahrscheinlich. Zwar will die Nasa im nächsten Jahrzehnt eine bemannte Mission zu einem Asteroiden schicken. Doch Vesta ist relativ weit entfernt. Die Sonde Dawn hat – allerdings mit energiesparender Flugweise – immerhin drei Jahre gebraucht.

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