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Knapp vorbei. Kometen wie Siding Spring haben auch die Entwicklung des jungen Mars maßgeblich beeinflusst.

© Künstlerische Darstellung: Detlev van Ravenswaay/ Science Photo Library

Astrobiologie: Komet auf Kollisionskurs mit Atmosphäre des Mars

Im Oktober stößt die Atmosphäre des Mars mit der Staub- und Gaswolke um einen Kometen zusammen. Die neuen Sonden "Maven" und "Mangalyaan" werden die Folgen beobachten. Aus den Daten können Forscher Rückschlüsse zur Evolution des roten Planeten ziehen - und zu den Lebensbedingungen.

Von Rainer Kayser, dpa

Mit diesem Kometen hatten sie nicht gerechnet, weder die Inder noch die Amerikaner. Wie aus dem Nichts taucht „Siding Spring“ im Januar 2013 weit hinter dem Planeten Jupiter auf. Mit einer Geschwindigkeit von 200 000 Kilometern pro Stunde rast er geradewegs auf den Mars zu. Zwar war nach einigen Wochen intensiver Beobachtung klar, dass die beiden Himmelskörper nicht zusammenstoßen werden. Der Schweifstern schrammt am 19. Oktober in einem Abstand von 132 000 Kilometern an unserem Nachbarplaneten vorbei. Doch im Kosmos ist das ein Steinwurf. Der Mond zum Beispiel ist im Mittel 384 000 Kilometer von der Erde entfernt. Die engste bekannte Begegnung eines Kometen mit unserem Heimatplaneten fand im Jahr 1770 statt, der Abstand betrug damals 3,5 Millionen Kilometer.

„Bei diesem Ereignis wäre ich gern auf dem Mars“, sagt der amerikanische Planetenforscher Bill Cooke. „Das könnte der stärkste Meteorschauer aller Zeiten werden!“ Nicht alle Kollegen des Nasa-Wissenschaftlers teilen diesen Enthusiasmus. Bei manchem überwiegt die Sorge um die wertvollen Raumfahrzeuge auf der Oberfläche (Rover) und in der Umlaufbahn (Orbiter) des roten Planeten. „Curiosity“, der die Klimageschichte des Mars untersuchen soll, ist gerade am Fuß des Berges „Mount Sharp“ angekommen. Am Montag und am Mittwoch erreichen zwei weitere Sonden den Mars: die US-amerikanische „Maven“ und die indische „Mangalyaan“.

Kaum einen Monat später müssen die Orbiter ein Treffen ertragen, das für sie äußerst unangenehm werden kann. Denn während der Komet Siding Spring nach einer Millionen Jahre dauernden Reise erstmals auf das Innere unseres Sonnensystems zusteuert, taut sein eisiger Kern etwas auf. Gas, Staub und Trümmer werden zehntausende Kilometer ins All geschleudert. So entsteht nicht nur ein beeindruckender Meteorschauer. Mit einer Geschwindigkeit von 56 Kilometern pro Sekunde wird aus jedem Staubpartikel ein Geschoss.

Maven und Mangalyaan beobachten ein riesiges natürliches Experiment

Maven, Mangalyaan und die anderen Orbiter verstecken sich deshalb während der gefährlichsten Phase hinter dem Mars, benutzen ihn quasi als Schutzschild. Danach jedoch ergibt sich für die Wissenschaft eine einmalige Gelegenheit. Polarlichtartige Erscheinungen werden verraten, wo die Atmosphäre des Mars und die ausgedehnte Gas- und Staubhülle von Siding Spring kollidiert sind. Zusätzlich zu den geplanten Messungen können die beiden Raumsonden dort ein riesiges natürliches Experiment aufzeichnen: Was passiert, wenn ein Komet eine Atmosphäre stört und neue Gase oder Staubpartikel mitbringt? Die Instrumente der Orbiter sind perfekt für diese Aufgabe geeignet. Sie sollen ohnehin die Zusammensetzung der Atmosphäre und zum Beispiel den Einfluss des Sonnenwinds analysieren. Daraus wollen die Forscher rekonstruieren, wie der rote Planet seine ursprünglich dichte Atmosphäre verloren hat und so zur eiskalten Wüste wurde. Denn in seiner Frühzeit war er wärmer, feuchter und vielleicht sogar lebensfreundlich.

Der an der Washington State University und der Technischen Universität Berlin tätige Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch bezweifelt nicht, dass es Leben auf dem Mars gab. „Mich interessiert eher, ob es dort entstanden ist oder mit einem Meteoriten von der Erde kam, so wie auch der Ursprung des irdischen Lebens ein Meteorit vom Mars sein könnte“, sagt er. Untersucht werden soll das während der „Exomars“-Mission (siehe Kasten).

Auf der Erde breiteten sich die ersten primitiven Lebensformen vor 3,9 Milliarden Jahren aus, unser Planet hatte kaum das „Große Bombardement“ aus Überresten der Entstehungsphase des Sonnensystems überstanden. Die Erdkruste war gerade ausreichend abgekühlt, um die Bildung von Ozeanen zuzulassen. Möglicherweise ist die Entwicklung auf dem Mars ähnlich verlaufen, möglicherweise haben sie tief unter der Oberfläche bis in die heutige Zeit überlebt.

Ein künstliches Bewässerungssystem, angelegt von intelligenten Bewohnern einer sterbenden Welt

Seit jeher ranken sich Legenden um mögliche Bewohner des roten Planeten. Bereits nach der Erfindung des Fernrohres stießen die Gelehrten im 17. und 18. Jahrhundert auf überraschende Ähnlichkeiten von Mars und Erde. Ein Tag dauert auf unserem Nachbarplaneten 24 Stunden und 40 Minuten. Die Rotationsachse des Mars ist, wie jene der Erde, geneigt und führt zu Jahreszeiten. Außerdem beobachteten die Astronomen ein jährliches Anwachsen und Verschwinden von Eiskappen an den Marspolen. Die Himmelsforscher waren deshalb überzeugt davon, dass der Mars ein Planet mit Ozeanen, Pflanzen und Niederschlägen sei. Eifrig fabulierten Fachleute und Laien über das Leben auf der Nachbarwelt.

Als der italienische Pater Pietro Angelo Secchi 1869 auch noch dünne, gerade Linien auf der Oberfläche des Mars zu erkennen glaubte, bekamen diese Spekulationen Auftrieb. „Canale“ nannte Secchi die Linien suggestiv und löste damit jahrzehntelange Debatten über eine fortschrittliche Zivilisation auf dem Mars aus. Der reiche Geschäftsmann Percival Lowell aus Boston war von den Kanälen derart fasziniert, dass er seine eigene Sternwarte in Flagstaff, Arizona, baute. Von 1894 bis 1916 kartierte er dort insgesamt 437 Kanäle. Lowell hielt sie für ein künstliches Bewässerungssystem, angelegt von intelligenten Bewohnern einer sterbenden Welt.

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Erst die Nahaufnahmen der amerikanischen Marssonden entlarvten sie in den 1960er Jahren als optische Täuschung. Es gibt sie nicht, das menschliche Gehirn neigt nur dazu, eine Reihe von Punkten als Linie wahrzunehmen. Dafür entdeckte die Sonde „Mariner 9“ im Jahr 1971 etwas anderes: Neben Kratern, Gebirgen und Vulkanen fanden sich auf den zur Erde gefunkten Fotos lange, gewundene Strukturen, die wie ausgetrocknete Flussläufe aussehen. Hatte es also doch einmal Wasser auf dem Mars gegeben? Die noch detaillierteren Aufnahmen der beiden „Viking“-Orbiter in den Jahren 1976 bis 1982 ließen schließlich die letzten Zweifler verstummen. Strömungsspuren um Krater herum, Flussdurchbrüche durch Gebirgszüge, Mündungsdeltas, Küstenlinien von ausgedehnten Seen sowie Anzeichen für Vergletscherungen legen beredt Zeugnis ab von vergangenen Epochen mit feuchterem Klima.

Der Mars war hunderte Millionen Jahre der Erde ähnlicher als heute

Untersuchungen aus der Umlaufbahn sowie durch Robotfahrzeuge auf der Oberfläche haben diesen Befund in den vergangenen zehn Jahren eindrucksvoll bestätigt. So stießen die beiden Rover „Spirit“ und „Opportunity“ seit ihrer Ankunft im Jahr 2003 auf zahlreiche Mineralien, die nur unter der Einwirkung von flüssigem Wasser entstehen können. Der Orbiter „Mars Odyssey“ entdeckte 2008 ausgedehnte Salzablagerungen in den südlichen Hochebenen, entstanden wahrscheinlich durch mineralienreiches Grundwasser, das an die Oberfläche gelangte und verdunstete. Und der Nachweis von Carbonatgestein durch den „Mars Reconnaissance“-Orbiter zeigte schließlich, dass das Wasser auf dem jungen Mars nicht – wie bis dahin zumeist angenommen – sauer, sondern eher alkalisch oder neutral gewesen ist.

Nach seiner Abkühlung war der Mars also vermutlich hunderte Millionen Jahre der Erde viel ähnlicher als heute. Die Dichte und Temperatur der Atmosphäre reichten zumindest über längere Zeiträume aus, um Flüsse, ausgedehnte Seen und möglicherweise einen Ozean entstehen zu lassen. Über 200 ausgetrocknete Seen aus dieser Epoche haben Forscher auf der Südhalbkugel gefunden, einige davon so groß wie der Baikalsee oder das Kaspische Meer. Und auf der Nordhalbkugel stießen Wissenschaftler auf alte Küstenlinien und Sedimentablagerungen, die auf einen gewaltigen „Oceanus Borealis“ deuten, der einst ein Drittel des Planeten bedeckt haben könnte.

Explodiert. Ein gewaltiger Ausbruch formte diesen Krater auf dem Mars. Die Aufnahme entstand mit Hilfe der Marssonde HRSC, die unter anderem von Berliner Forschern entwickelt wurde.
Explodiert. Ein gewaltiger Ausbruch formte diesen Krater auf dem Mars. Die Aufnahme entstand mit Hilfe der Marssonde HRSC, die unter anderem von Berliner Forschern entwickelt wurde.

© dpa/Esa/FU Berlin

Dieses Wasser ist wohl zum Teil ins Weltall entwichen, als der Mars in seiner Frühzeit abkühlte und seine Atmosphäre zum größten Teil verlor. Unter der Oberfläche des Planeten jedoch haben sich bis heute große Wassermengen als ewiges Eis erhalten. Asteroideneinschläge und vulkanische Aktivität können dieses Eis an einigen Stellen auftauen und dadurch kurzzeitig wieder Wasser an die Oberfläche bringen. So durchschneiden die flussähnlichen Täler des „Marte Vallis“ erstarrte Lavaströme, die nicht älter als 20 Millionen Jahre sind. Nasa-Forscher schätzen, dass durch das Marte Vallis zeitweise hundertmal mehr Wasser geflossen ist als durch den Mississippi. Und 2008 fanden sie Hinweise auf Geysire, die noch vor einigen Millionen Jahren aktiv waren. Ihre Fontänen aus kohlensäurehaltigem Wasser sind vermutlich kilometerweit in die Höhe geschossen.

Die ersten Experimente führten zu widersprüchlichen Ergebnissen

Der Lander „Phoenix“ konnte dieses Eis im nördlichen Polargebiet sogar direkt nachweisen. Nach seiner Ankunft im Mai 2008 begann er, mit einem Roboterarm etwa 50 Zentimeter tief zu graben. Dabei stieß Phoenix unter der Oberfläche auf weiße Klumpen, die jeweils nach einigen Tagen wieder verschwanden – offenbar Eis, das nach der Freilegung verdampfte. Aus einer Gesteinsprobe, die im Minilabor an Bord der Sonde erhitzt wurde, trat tatsächlich Wasserdampf aus. Mit all diesen Funden steigt die Wahrscheinlichkeit, dass in der Warmzeit des Mars entstandene Lebensformen tief unter der Oberfläche überlebt haben könnten. So wie sich auch kilometertief in der Erdkruste Bakterien tummeln.

Schon die ersten Sonden, die erfolgreich auf dem Mars landeten, hatten Experimente für die Suche nach einfachen Lebensformen an Bord. Doch die gegensätzlichen Ergebnisse der 1976 von den Viking-Sonden durchgeführten Versuche verwirrten die Astrobiologen. Während ein Experiment biologische Aktivität anzeigte, fand ein zweites nur tote Materie. Die meisten Forscher deuten die Ergebnisse des ersten Tests deshalb als Folge nichtbiologischer chemischer Reaktionen im Marsboden. Doch Gilbert Levin, einer der Erfinder der Experimente, ist bis heute davon überzeugt, dass damals Leben auf dem roten Planeten nachgewiesen wurde. Allerdings Leben mit einer Biochemie, die nicht unseren irdischen Erwartungen entspricht und die sich deshalb im zweiten Test nicht bestätigen ließ.

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Das ist durchaus möglich, meint Dirk Schulze-Makuch. Zumindest wenn Mars-Mikroben in ihren Zellen ein Gemisch aus Wasserstoffperoxid und Wasser enthalten. Wasserstoffperoxid zieht zudem Wasser an und würde es den Bakterien erlauben, selbst geringe Spuren von Feuchtigkeit aus der Atmosphäre oder dem Marsboden aufzunehmen. „Aus biochemischer Sicht ist eine solche Anpassung sinnvoll“, sagt er. Astronomen haben bereits Wasserstoffperoxid in der Atmosphäre des roten Planeten gefunden. Allerdings muss es nicht biologischen Ursprungs sein. Es kann ebenso durch die statische Elektrizität von Staubwirbeln entstehen.

Einzigartige Einblicke in kosmische Wechselspiele

Ein Hinweis auf Bakterien im Marsboden könnte auch das Methan in der Atmosphäre sein, das 2003 der europäische Orbiter „Mars Express“ an einigen Stellen aufgespürt hat. Bis heute ist unklar, ob dieses Gas biologischen oder geologischen Ursprungs ist. Die Orbiter Mangalyaan und Maven sollen nun mit ihren präzisen Detektoren helfen, dieses Rätsel zu lösen. Wenn die Methankonzentration immer dort ansteigt, wo gerade Eis durch die Sonneneinstrahlung auftaut, würde das für biologische Aktivität sprechen.

Zunächst aber müssen die beiden neuen Raumfahrzeuge, ebenso wie die bereits seit längerem um den roten Planeten kreisenden Sonden und die auf der Oberfläche fahrenden Rover, die Begegnung mit dem Kometen überstehen. Einen besonders gefährlichen Hagel erwarten die Himmelsforscher nicht mehr. Nach einer genaueren Bestimmung der Bahn von Siding Spring konnten die Astronomen weitgehend Entwarnung geben. Umso mehr hoffen sie nun auf einzigartige Einblicke in das Wechselspiel zwischen der Marsatmosphäre und dem Kometen.

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