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Astronomie: Aus der Bahn geworfen

Immer wieder fliegen Kometen bis in unsere Nähe. Wie groß ist die Gefahr für das Leben auf der Erde?

Beim Anblick von Kometen werden auch Nicht-Astronomen schwach. Alle paar Jahre sind solche leuchtenden Himmelsobjekte zu sehen. So zum Beispiel „Hale-Bopp“, der um 1997 monatelang den Nachthimmel dominierte. Er gehört zu einer besonderen Gruppe, die Astronomen als „langperiodische Kometen“ bezeichnen. In diese Kategorie fallen jene Kometen, die mindestens 200 Jahre benötigen, um einmal die Sonne zu umrunden.

Doch aus welcher Ecke des Sonnensystems kommen sie eigentlich zu uns? Den Modellen der Himmelsforscher zufolge stammen sie aus der Oortschen Wolke. Diese hüllt sich wie ein riesiger Nebelkranz um unser Sonnensystem und bildet dessen äußere Umrandung. Sie beginnt in einer Region, die rund 1000-mal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde und erstreckt sich bis zu einer Distanz von 1,5 Lichtjahren. Zum Vergleich: Der nächste Stern, Proxima Centauri, findet sich bereits in 4,2 Lichtjahren Entfernung. Sehen kann man die Oortsche Wolke aber nicht, denn die zig Eisbrocken, die darin schweben, leuchten nur, wenn sie in die Nähe der Sonne kommen (siehe Kasten).

Bisher gingen die Astronomen davon aus, dass die langperiodischen Kometen ausschließlich aus dem äußeren Teil der Oortschen Wolke stammen. Wie US-Forscher um Nathan Kaib online im Fachjournal „Science“ berichten, kommen die Eisbrocken aber offenbar zu großen Teilen aus dem inneren, sonnennahen Abschnitt. Sie stützen sich dabei auf Computersimulationen, die die Entwicklung des Sonnensystems über mehr als eine Milliarde Jahre nachbilden.

„Das Ergebnis überrascht – und löst ein großes Problem“, sagt Rainer Arlt vom Astrophysikalischen Institut in Potsdam. Klar ist, dass sich im inneren Teil der Wolke viel mehr Fragmente befinden als im äußeren. „Kämen alle bekannten langperiodischen Kometen aus dem äußeren Teil, wäre die Anzahl aller Eisbrocken in der Oortschen Wolke so groß, dass ihre Gesamtmasse weit über dem Maß liegt, das die Entwicklungsmodelle des Sonnensystems erlauben.“ Kämen die Kometen aber aus dem inneren Bereich, wäre die Gesamtzahl der Brocken deutlich geringer – die Massenbilanz stimmte wieder.

Und noch etwas zeigen die Computermodelle des Teams von der Universität Washington. Kometeneinschläge auf der Erde sind weitaus seltener als manche vermuten. Seit der Entwicklung höherer Arten in den vergangenen 540 Millionen Jahren können sie statistisch gesehen höchstens ein kleineres Artensterben ausgelöst haben.

Dass die Kometen überhaupt ihre Umlaufbahnen in der fernen Wolke verlassen und ins innere Sonnensystem vordringen, könne zwei Gründe haben, erläutert der AIP-Wissenschaftler Arlt: Entweder sind es andere Sterne, die an unserem Sonnensystem vorbeifliegen und mit ihrer Gravitationskraft kurzzeitig die Kometenbahnen verbiegen, oder es sind die galaktischen Gezeiten. „Das Sonnensystem kreist um das Zentrum der Galaxis, wobei der Abstand des Zentrums zur Sonne ein anderer ist als zur Oortschen Wolke. Deshalb ist auch die Anziehungskraft unterschiedlich groß“, sagt der Astrophysiker. „Diese Änderung der Anziehungskraft walkt die Oortsche Wolke regelrecht durch und ändert die Bahnen der Kometen.“ So können sie etwa in Richtung Sonne geschickt werden.

„Bisher glaubte man, dass der Effekt vorbeifliegender Sterne oder der galaktischen Gezeiten nur im äußeren Teil der Oortschen Wolke groß genug sind, um Kometen abzulenken“, sagt Arlt. Das Computermodell der US-Forscher zeigt nun, dass die äußeren Störungen auch in der inneren Wolke noch stark genug sind, um den Kurs der Kometen zu ändern. Da es dort mehr Eisbrocken gibt als in der äußeren Wolke, schlussfolgern die US-Astronomen, dass ein großer Teil der langperiodischen Kometen aus dem Inneren der Oortschen Wolke kommt.

Ihren Berechnungen zufolge gibt es dort weniger als eine Billion Kometen. Das hört sich zwar immer noch nach einer gigantischen Menge an. Doch im Verhältnis zu den riesigen Dimensionen des Sonnensystems und seinem Alter von 4,5 Milliarden Jahren ist die Chance, dass ein Komet aus der Oortschen Wolke die Erde trifft, sehr gering. Binnen 500 Millionen Jahren dürfte demnach der stärkste Kometenschauer gerade zwei oder drei Brocken von mehr als zwei Kilometer Größe hierher gebracht haben. „Die Folge könnte ein kleines Artensterben sein, aber sicher sind Kometenschauer nicht die Ursache für Massensterben in der Erdgeschichte“, sagt Kaib.

Dennoch droht der irdischen Population Gefahr aus dem All, und zwar aus dem Asteroidengürtel, der sich zwischen den Bahnen des Mars und des Jupiter erstreckt. Am bekanntesten ist wohl der Einschlag eines etwa zehn Kilometer großen Brockens vor 65 Millionen Jahren. Etwa die Hälfte aller Tierarten – einschließlich der Dinos – überlebte das nicht. Statistisch gesehen werden aber einige Jahrmillionen vergehen, bis ein derart großer Asteroid uns wieder trifft. Kleinere Einschläge wie der in der sibirischen Tunguska-Region im Jahr 1908 jedoch erwarten die Astronomen alle paar hundert Jahre.

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