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Astronomie: Heute: Planeten-Schmorbraten

Astronomen finden zwei Himmelskörper, die von ihrem Stern verschluckt wurden und das Inferno überlebten. Zumindest teilweise.

Oft wird ihr Job als die Suche nach einer zweiten Erde vermarktet. Tatsächlich finden Planetenjäger bei fernen Sternen aber vor allem Himmelskörper, die unserem Heimatplaneten nur sehr entfernt ähneln. Gasriesen von der Größe des Jupiter zum Beispiel oder Gesteinsplaneten, die so dicht um ihren Mutterstern kreisen, dass ihre Oberfläche schmilzt und dort Magmaozeane schwappen. Über ein besonders verrücktes Planetenpaar berichten jetzt Astronomen um Stephane Charpinet von der Universität Toulouse im Fachmagazin „Nature“ (Band 480, Seite 496).

Eigentlich wollten die Wissenschaftler mithilfe von Daten des Nasa-Weltraumteleskops „Kepler“ Schwingungen von Sternen erforschen. Sie entstehen durch Materiebewegungen in den fernen Sonnen und zeigen sich durch minimale Helligkeitsschwankungen. Die Änderungen sind eine Melange verschiedener Rhythmen, mit denen bestimmte Eigenschaften des Sterns berechnet werden können. Etwa die Masse, die Temperatur, Größe und mitunter sogar sein innerer Aufbau.

Als Charpinet und Kollegen die Lichtpulse des Sterns „KIC 05807616“ auswerteten, fanden sie zwei Signale, die nicht mit den Schwingungen erklärt werden konnten: Alle 5,76 beziehungsweise 8,23 Stunden wurde das Sternenlicht um rund ein Fünfhunderttausendstel schwächer. Die Verdunklung, berichten die Forscher, wird durch zwei kreisende Planeten hervorgerufen, die sich alle 5,76 beziehungsweise 8,23 Stunden zwischen den Stern und das Weltraumteleskop bewegen.

Die kurze Umlaufzeit zeigt, dass sie sehr dicht um KIC 05807616 kreisen. Der Abstand betrage weniger als ein Prozent der Entfernung Erde-Sonne, schreibt das Team. Hinzu kommt, dass es sich bei dem fernen Stern – Fachleute klassifizieren ihn als „heißen Unterzwerg“ – nur um die Reste eines einst größeren handelt. Begonnen hatte er als sonnenähnliches Exemplar, dann blähte er sich zu einem Roten Riesen auf . Vor etwa 18 Millionen Jahren war der Größenwahn vorüber, haben die Astronomen berechnet. Der Stern verlor seine Hülle und der Kern blieb übrig.

Diesem Szenario zufolge muss der Stern weit über die Planeten hinaus ins All gereicht und die beiden regelrecht verschluckt haben. Bisher glaubten Astronomen, dass kein Himmelskörper dieses Inferno übersteht, schreibt Charpinets Team in einer Mitteilung – und behauptet das Gegenteil.

Die Forscher vermuten, dass die zwei Planeten anfangs Gasriesen waren und größere Umlaufbahnen hatten. Als sie der Rote Riese erfasste, mussten sie durch dessen heiße Atmosphäre fliegen. Dabei wurden sie gebremst und näherten sich spiralförmig dem Sternenzentrum, das sie heute in engem Abstand umkreisen. Während des Höllenflugs wurden die Gasschichten der Planeten fortgerissen, so dass nur noch ein fester Kern übrig blieb, der aus Gestein oder Eisen besteht, schreibt das Team. Die Planeten veränderten aber auch den Stern. Wie ein Hobel rissen sie selbst Material aus dessen Hülle und waren maßgeblich daran beteiligt, dass auch von ihm heute nur noch der Kern zu finden ist.

„Das ist der erste dokumentierte Fall, bei dem Planeten die Entwicklung eines Sterns beeinflussen“, sagt Charpinet. Die andere Möglichkeit, wonach die zwei Körper erst nach der Rote-Riese-Phase gebildet wurden, hält er für sehr unwahrscheinlich. Dafür sei die zur Verfügung stehende Zeit von 18 Millionen Jahren zu knapp, vor allem in unmittelbarer Nähe zu dem heißen Sternenrest.

Die Gedankengänge der Astronomen sind auch für uns interessant: Irgendwann wird unsere Sonne ebenfalls zum Roten Riesen und unter anderem die Erde verschlingen, erläutert Elizabeth Green von der Universität Arizona in Tucson und Mitautorin des Artikels. „Wenn ein so kleiner Planet wie die Erde diesen Bedingungen lange ausgesetzt ist, wird er schlicht verdampfen“, sagt sie. Nur deutlich größere Planeten vom Format eines Jupiter oder Saturn hätten dann womöglich eine Überlebenschance.

So weit, so beeindruckend. Vor allem die Entdeckung, dass entgegen bisheriger Annahmen manche Planeten das stellare Feuer wohl doch überstehen, sei sehr interessant, schreibt Eliza Kempton von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz in einem Kommentar („Nature“, Band 480, Seite 460). Sie weist darauf hin, dass die Daten der Forscher aber nicht genügen, um die Masse oder die Größe der Planeten genau zu bestimmen.

Dieser diplomatische Satz lässt sich auch anders formulieren: Die von Charpinet und Kollegen errechneten Werte, wonach die Planeten nur 0,76 beziehungsweise 0,87 Erdradien groß sind, sollte man nicht zu ernst nehmen. Diese Zahlen sind durchaus wichtig. Sie würden immerhin bedeuten, dass die Wissenschaftler die bisher kleinsten Exoplaneten an einem anderen Stern gefunden hätten – was die Gruppe auch prompt weit vorn in ihre Pressemitteilung schreibt.

Damit wäre der erst einen Tag zuvor verkündete Rekord unterboten, wonach der kleinste bekannte Planet um den Stern „Kepler-20“ kreist. Soweit ist es aber noch nicht. Die Astronomen müssen das gegrillte Planetensystem noch genauer vermessen, bevor diese Behauptung gesichert ist.

Gut möglich, dass bis dahin ein anderer Himmelskörper als „Kleinster“ ausgerufen wird. 714 Exoplaneten wurden bereits entdeckt, nahezu im Wochentakt kommen neue hinzu. Einer verrückter als der andere.

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