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Heile Welt. Die Computergrafik zeigt, wie „Kepler“ ins All blickt. Seit dem Wochenende ist das Teleskop in einer Zwangspause.

© picture alliance / dpa

Astronomie: "Kepler" ist kaputt

Das Weltraumteleskop, das Planeten finden soll, hat sich abgeschaltet. Es gibt wenig Hoffnung, es wieder flottzukriegen. Sollte das nicht gelingen, steht den Planetenforschern eine lange Durststrecke bevor.

Den Planetenjägern ist ihr wichtigstes Werkzeug abhanden gekommen. Das Nasa-Weltraumteleskop „Kepler“, mit dem sie bereits 132 Planeten an fernen Sternen aufspürten, ist wegen einer Panne außer Betrieb. In den nächsten Tagen und Wochen wollen die Fachleute beraten, ob und wie es weitergeht, teilt die Nasa mit. Die Chancen, dass der Späher wieder richtig flottgemacht werden kann, stehen allerdings schlecht.

Das 600 Millionen Dollar teure Teleskop wurde 2009 gestartet, um Himmelskörper jenseits unseres Sonnensystems aufzuspüren. Diese Exoplaneten kann Kepler nicht sehen, dafür sind sie viel zu klein und die Messgeräte auch nicht dafür ausgelegt. Stattdessen beobachtet er mit seinen empfindlichen Instrumenten, ob ferne Sterne minimale Helligkeitsänderungen zeigen. Diese entstehen, wenn sich ein Exoplanet zwischen seinen Mutterstern und das Weltraumteleskop schiebt. Treten diese Schwankungen regelmäßig auf, ist das ein deutlicher Hinweis auf einen kreisenden Planet.

Für diese Messungen muss sich Kepler stabil zu seinem Beobachtungsfeld ausrichten. Dafür wurde das rund eine Tonne schwere Forschungsgerät mit vier Trägheitsrädern ausgestattet. Sobald sich die Drehzahl eines solchen Rades ändert, ändert Kepler seine Lage im Weltraum. Und dort liegt das Problem. Für eine zuverlässige Lageregelung sind drei dieser Räder nötig. Im Juli 2012 ging das erste kaputt. Kepler konnte weiterarbeiten, hatte aber keine Reserve mehr. Im Januar machte ein weiteres Rad Probleme. Das Teleskop wurde in einen Ruhezustand versetzt, die Techniker hofften, dass sich das Schmiermittel an dem Rad wieder besser verteilte und es wieder seinen Dienst tun würde.

Das schien dann auch gelungen zu sein – bis jetzt. Als am Dienstag wieder Funkkontakt zu Kepler bestand, meldete die Sonde, dass sie sich bereits am Sonntag automatisch abgeschaltet habe. Wegen des Rades.

Wie die Nasa mitteilt, erarbeiten die Experten nun verschiedene Strategien, um das Teleskop wieder fitzumachen. Vielleicht bekommen sie das Rad wieder in Gang, vielleicht wird es auch eine Kombilösung geben, bei der die verbleibenden Räder und die Steuerdüsen gemeinsam die Blechkiste in Waage halten. Diese Variante wäre aber nur eine Notlösung. Denn nach Einschätzung der Fachleute ist sehr unwahrscheinlich, dass Kepler ohne ein drittes Rad die gewohnte Präzision wiedererlangen kann. Gleichwohl sei noch kein Entschluss gefallen, die Datenerhebung zu beenden, heißt es bei der Nasa. Ob das ein erster Hinweis auf das Ende der Mission ist oder von großem Optimismus zeugt, werden die nächsten Tage zeigen.

Doch auch bei einem unabwendbaren Ende kann sich die Bilanz des Teleskops wirklich sehen lassen. Neben den 132 bestätigten Exoplaneten hat Kepler fast 3000 Kandidaten aufgespürt, die noch mit anderen Messungen überprüft werden müssen. Zudem hat das Teleskop allerhand über die beobachteten Sterne an sich herausgefunden. Denn diese Glutbälle schwingen – wie eine Glocke, die angeschlagen wird. So wie Geoforscher aus Erdbebenwellen den inneren Aufbau der Erde rekonstruieren, klären Helioseismologen mithilfe der Sternschwingungen den Aufbau der fernen Sonnen auf. Diese Erkenntnisse helfen den Astronomen zu verstehen, wie diese gewaltigen Energieschleudern funktionieren.

Selbst wenn das Teleskop keine Messungen mehr vornimmt, gibt es noch viel zu tun. Es wird noch etwa zwei Jahre dauern, um die bereits vorhandenen Daten auszuwerten, sagte der Kepler-Forscher William Borucki dem „New Scientist“. Er sei zuversichtlich, dass sein Team noch einige erdähnliche Planeten innerhalb der prinzipiell bewohnbaren Zone um fremde Sterne finden werde. Bislang hat Kepler nämlich vor allem Gasriesen aufgespürt oder Gesteinsplaneten, die sehr dicht um ihren Stern kreisen, so dass auf ihrer Oberfläche Temperaturen von über 1000 Grad Celsius herrschen. Selbst mit viel Fantasie ist dort wohl kaum Leben möglich.

Die Suche nach einer zweiten Erde geht also weiter. Neben Kepler gibt es auch noch den europäischen Planetenjäger „Corot“, der 2006 gestartet war. Doch der arbeitet seit Jahresanfang nicht mehr. „Es gibt Probleme mit der Elektronik“, sagt Heike Rauer vom Institut für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin, die an der Mission beteiligt ist. In den nächsten Wochen wollen die Forscher erneut versuchen, das Teleskop zum Leben zu erwecken. Etwas Hoffnung habe sie noch, sagt Rauer, allerdings nicht zu große. Man dürfe aber nicht vergessen, dass Corot ohnedies doppelt so lange durchgehalten hat wie ursprünglich geplant. Auch Kepler befindet sich seit November in der Verlängerung.

„Sollten beide Teleskope nicht mehr zu aktivieren sein, wäre das ein herber Verlust“, sagt sie. Auf Jahre hätten die Planetenforscher keine Beobachtungsmöglichkeiten im All. Erst 2017 will die Nasa den „Transiting Exoplanet Survey Satellite“ (Tess) starten, der den gesamten Himmel nach Exoplaneten absucht. Im gleichen Jahr will die Esa ihren „Characterizing Exoplanets Satellite“ (Cheops) ins All schicken. Er soll bekannte Planetensysteme in der Nähe genauer erkunden.

Noch weiter geht das Konzept „Plato 2.0“, das von Rauer und ihren Kollegen entwickelt wird. Dieses Teleskop soll Masse und Radius von Gesteinsplaneten präziser messen als es bisher möglich ist. Damit könnten auch deren Eigenschaften genauer bestimmt werden und unter anderem die Frage beantwortet werden, ob ein ferner Planet eine Atmosphäre halten könnte. Ob Plato fliegt, ist noch unklar. Im nächsten Frühjahr wird die Esa über das Konzept entscheiden.

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