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Wissen: Bauanleitung für Biowaffe Forscher haben ein tödliches Grippevirus erzeugt. Dürfen sie ihre Ergebnisse veröffentlichen?

Es klingt nach dem Anfang eines Horrorfilms: In einem Labor verändern Wissenschaftler Viren so, dass sie die gefährlichsten Eigenschaften verschiedener Erreger kombinieren. Dann veröffentlichen sie ihre Arbeit, eine Blaupause für Terroristen, die sich mit modernsten Methoden daran machen, die Welt mit einer Plage ungekannten Maßes zu überziehen und den Lauf der Geschichte zu ändern … Dieses Szenario stammt nicht aus der Albtraumfabrik Hollywoods, es wird zurzeit von Forschern und Sicherheitsexperten ernsthaft diskutiert.

Es klingt nach dem Anfang eines Horrorfilms: In einem Labor verändern Wissenschaftler Viren so, dass sie die gefährlichsten Eigenschaften verschiedener Erreger kombinieren. Dann veröffentlichen sie ihre Arbeit, eine Blaupause für Terroristen, die sich mit modernsten Methoden daran machen, die Welt mit einer Plage ungekannten Maßes zu überziehen und den Lauf der Geschichte zu ändern …

Dieses Szenario stammt nicht aus der Albtraumfabrik Hollywoods, es wird zurzeit von Forschern und Sicherheitsexperten ernsthaft diskutiert. Denn der erste Schritt ist gemacht. Gleich zwei Wissenschaftlerteams haben in den vergangenen Monaten, ein Experiment gewagt, von dem einige Forscher behaupten, es hätte nie durchgeführt werden dürfen: Sie veränderten das Erbgut des Vogelgrippevirus und erschufen so einen Erreger mit furchterregendem Potenzial. Sollte er jemals freigesetzt werden, könnte er Millionen Menschen töten, glauben Experten.

Um das zu verhindern, sollen die Forschungsergebnisse nun zensiert werden. Das hat ein US-amerikanisches Gremium für Biosicherheit (NSABB) nun empfohlen, ein beispielloses Vorgehen. „Mir fällt kein anderes Virus ein, das so furchterregend ist, wie dieses“, sagt Paul Keim, Forscher und Mitglied des NSABB.

Forscher haben das Vogelgrippe-Virus H5N1 schon lange bang im Blick. Das Virus infiziert Menschen zwar selten, ist dann aber äußerst gefährlich. „Es tötet 60 Prozent der Infizierten“, sagt Influenzaforscher Hans-Dieter Klenk von der Universität Marburg. Zum Vergleich: Die Spanische Grippe, an der nach dem Ersten Weltkrieg bis zu 50 Millionen Menschen starben, tötete etwa 2,5 Prozent der Infizierten. Was die Menschheit bisher schützt, ist ein Handicap des auf Vögel spezialisierten Virus: Es überträgt sich nur sehr schlecht von Mensch zu Mensch und breitet sich deswegen nicht so schnell aus, wie etwa die Wintergrippe.

Genau diese Barriere haben die Forscher nun entfernt. Das Team um Ron Fouchier vom Erasmus Medical Center in Rotterdam veränderte zunächst das Erbgut des Virus an drei Stellen, um es an Säugetiere anzupassen. Das umgebaute Virus tötete zwar Frettchen, die als bestes Tiermodell für menschliche Grippeerkrankungen gelten. Es sprang aber nicht von Tier zu Tier. Darum griffen die Wissenschaftler zu einer bewährten Methode: Sie übertrugen das Virus von einem kranken Tier auf das gesunde Tier und wenn dieses erkrankte, übertrugen sie das Virus wieder auf das nächste Tier. Nach zehn Zyklen hatte sich der Erreger offenbar angepasst. Nun erkrankten auch gesunde Frettchen, die in einem benachbarten Käfig gehalten wurden.

Die Forscher agierten nicht aus rücksichtsloser Risikofreude, sondern um besser einschätzen zu können, ob das Vogelgrippevirus für den Menschen gefährlich werden könnte – und um die Menschheit davor zu schützen. Ein wesentlicher Teil der Influenzabekämpfung besteht darin, das Vorkommen verschiedener Grippeviren in Tieren zu beobachten. „Diese Experimente helfen uns dabei, besser zu verstehen, worauf wir achten müssen, um ein Virus zu erkennen, das das Potenzial hat, zu einer Bedrohung für den Menschen zu werden“, sagt Klenk.

Ihre Ergebnisse reichten die Forscher Ende August beim Fachblatt „Science“ ein. Eine andere Arbeitsgruppe, geleitet von Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin in Madison, reichte ähnliche Ergebnisse beim Fachmagazin „Nature“ ein. Doch nach der Empfehlung des NSABB, die Arbeiten nicht in Gänze zu publizieren, ist unklar, wie es weitergeht.

„Wir müssen die Öffentlichkeit schützen, indem wir sicherstellen, dass die entscheidenden Informationen nicht in die Hände von Menschen gelangen, die sie missbrauchen wollen“, verkündete „Science“-Chef Bruce Alberts. Andererseits müssten aber die Menschen, die diese Informationen nutzen wollen,um die Bevölkerung zu schützen, Zugang bekommen.

Genau diese Gratwanderung dürfte schwer zu schaffen sein. „Wie soll das funktionieren? Wer entscheidet, ob jemand ein zuverlässiger Wissenschaftler ist oder nicht?“, fragt Klenk. Das ganze Vorgehen widerspreche jeder wissenschaftlichen Praxis. „Hier soll eine sensationelle Schlussfolgerung in die Welt gesetzt werden, die keiner überprüfen kann“, sagt er. Auch die betroffenen Forscher kritisieren das Vorgehen, haben aber neue Manuskripte erarbeitet.

Andere Wissenschaftler meinen, die Experimente hätten nie gemacht werden dürfen. „Wir glauben, der Nutzen dieser Arbeit überwiegt die Risiken nicht", schreiben etwa US-Biosicherheits-Experte Thomas Ingelsby und Kollegen in einem Beitrag im Fachblatt „Biosecurity and Bioterrorism“.

Auf einen Satz in diesem Artikel dürften sich aber alle einigen können: „Ob dieses Experiment veröffentlicht wird oder nicht, es ist eine Erinnerung an die Macht der Biologie.“ Kai Kupferschmidt

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