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© Thilo Rückeis

Berliner Wissenschaft: Kritik an Einstein-Stiftung: "Der Vorstand befremdet"

Berliner Opposition und Forscher greifen Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) und seine neue Stiftung an

Zöllners Vorgehen sei „befremdlich“, hieß es gestern übereinstimmend bei Grünen, FDP und CDU. Es sei „nicht zu fassen“, dass der Senator die Stiftung gegen den Willen der Universitäten durchsetze, sagte Anja Schillhaneck, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen.

Zöllner habe es auch nicht für nötig gehalten, die Parlamentarier über seine Entscheidung zu informieren – was umso verwunderlicher sei, da die Pläne Zöllners im Vorfeld lange kontrovers diskutiert worden seien. Von einer „Stillosigkeit“ sprach Nicolas Zimmer, der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. „Herr Zöllner flüchtet aus dem Parlament. Das spricht gegen seine Befähigung als Senator.“ Die CDU will nun eine Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses beantragen.

Zimmer sagte, er halte die Konstruktion der Stiftung „für nicht sachgerecht“. Die Gremienvielfalt helfe „sicher nicht weiter“. Die Grünen würden der Stiftung jetzt „noch kritischer gegenüberstehen als zuvor“, sagte Schillhaneck. Wenn Zöllner sein Prestigeprojekt für finanzierbar halte, müsse er auch die steigenden Pensionskosten und Gehälter in den Hochschulvertragsverhandlungen berücksichtigen. „Sonst riskiert er die Basis für die Exzellenz.“ Auch Sebastian Czaja, wissenschaftspolitischer Sprecher der FDP, forderte Zöllner auf, zunächst „die offenen Fragen nach der Grundausstattung der Universitäten zu beantworten“.

"Wissenschaftler, nicht Politiker und Wirtschaftsbosse sollten entscheiden"

Auf Irritationen stieß bei der Opposition auch die Besetzung des Vorstandes der Stiftung. Im Vorstand sollen neben Zöllner Finanzsenator Thilo Sarrazin und Günter Stock sitzen, der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie und Kuratoriumsvorsitzender der HU ist. Platz ist noch für zwei weitere Mitglieder – Stifter aus der Wirtschaft. „Wenn Sarrazin und Zöllner im Vorstand sitzen, dann zeigt das, dass Zöllner am wissenschaftlichen Sachverstand vorbei Politik betreiben will“, sagte Zimmer. Eine derartige direkte politische Einmischung in die Finanzierung wissenschaftlicher Einrichtungen stehe im Konflikt zu der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre. Schillhaneck sagte, die Besetzung stelle unabhängige Entscheidungen infrage. „Forschungsförderungsentscheidungen gehören in die Hände von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, nicht von Politikern und Wirtschaftsbossen“.

Der Vorstand der Einstein-Stiftung hat die Aufgabe, Forschungsgebiete zu benennen, aus denen Forscher Anträge einreichen können. Am Freitag hatte Zöllner bereits die Mathematik, die optische Forschung, die Systembiologie und Projekte aus den Kulturwissenschaften genannt.

"Potenzielle Interessenskonflikte"

Czaja verwies auf das schlechte Beispiel der Charité, wo die beiden Senatoren im Aufsichtsrat sitzen. Dass dieser nicht funktioniere, habe sich in den letzten Monaten gezeigt, in denen das Gremium nur mangelhaft die Vorwürfe geklärt habe, wie weit die Charité den Helios-Klinikkonzern in Buch quersubventioniert habe. „Vor diesem Hintergrund ist die Besetzung sehr befremdlich“, sagte Czaja. Er wundere sich zudem über die Personalie Stock. „Anscheinend darf die Universität im Vorstand sitzen, die sich im Vorfeld positiv zur Stiftung geäußert hat“, sagte Czaja. Auch Schillhaneck befürchtet „potenzielle Interessenskonflikte". Zimmer nannte dagegen Stock „den einzigen Lichtblick im Vorstand“. Er befürchte allerdings, Stock solle nur als „Feigenblatt“ dienen.

Michael Hartmann, Elitenforscher an der TU Darmstadt, hält die Vorentscheidung der Politiker über die Förderung für eine neue Steigerung eines schon bekannten Prozesses: Bereits in der Exzellenzinitiative seien die Lebens- und die Ingenieurwissenschaften massiv bevorzugt worden. In Berlins Superstiftung „sagt die Politik nunmehr ganz offen, was sie sich wünscht“, so Hartmann. Das Problem sei dabei aber, dass niemand Entwicklungen in der Forschung vorhersagen könne, wie sich schon oft gezeigt habe.

Bernd Huber, Präsident der LMU München, sagte, die neue Berliner Stiftung sei ein „wichtiges Signal“. Allerdings halte er es für klüger, nicht von vornherein Forschungsgebiete auszuschließen. Vielmehr solle es einen echten Wettbewerb geben, damit interessante Projekte nicht übersehen würden. Auch müssten die Strukturen der Organisation sich den Inhalten der Forschung „unterordnen“.

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