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Berthold-Beitz-Zentrum vor dem Aus?: Der deutschen Osteuropa-Forschung droht Rückschlag

Dem Berthold-Beitz-Zentrum in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) droht das Aus. Die DGAP würde so ausgerechnet ihre Russlandforschung verlieren.

Dabei ist es gerade mal drei Jahre her, dass das Kompetenzzentrum für Russland, Ukraine, Belarus und Zentralasien im Beisein des inzwischen verstorbenen, legendären Unternehmers Berthold Beitz in Berlin feierlich eröffnet wurde. Die deutsche Wirtschaft würdigte damit auch Beitz’ Verdienste für die Ostpolitik. Unter Leitung des Russlandexperten Alexander Rahr, der viele Jahre die Osteuropa-Aktivitäten der DGAP verantwortete, war das Zentrum in Berlin ein wichtiges Diskussionsforum, um mit hochkarätigen Politikern aus Russland, der Ukraine oder Zentralasien zu debattieren. Rahrs Wechsel von der DGAP zum Energiekonzern Wintershall deutete bereits auf Finanzierungsprobleme und interne Querelen hin.

Finanziell getragen wird das Zentrum bislang zu gleichen Teilen von Mitgliedsunternehmen des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Deutschen Bank. Die Deutsche Bank bestätigte dem Tagesspiegel nun, dass ihre Förderung von 100 000 Euro nach Ende des Jahres nicht erneut verlängert wird. Die Mitgliedsunternehmen des Ost-Ausschusses wollen ihre institutionelle Förderung ebenfalls nicht fortsetzen. Ob andere Sponsoren einspringen werden, ist völlig ungewiss. Andreas Metz, der Sprecher des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, sagt dennoch: „Von einer Schließung des Bertold-Beitz-Zentrums kann vorerst keine Rede sein, vielmehr wird derzeit bei der DGAP über eine alternative Finanzierung nachgedacht.“ Nach sechs Jahren umfangreicher Förderung durch den Ost-Ausschuss sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, neue Finanzierungsquellen und Strukturen herauszubilden. Dabei sei nicht ausgeschlossen, dass sich Mitgliedsunternehmen des Ost-Ausschusses daran auch künftig beteiligen.

Auch Erhard Sandschneider, der DGAP-Forschungsdirektor, versichert, dass man am Berthold-Beitz-Zentrum festhalten werde. Gemeinsam mit dem Programmleiter Ewald Böhlke, der erst im Januar 2013 aus der Zukunftsforschung der Daimler AG auf Rahr gefolgt war, werde nach einer neuen Finanzierung gesucht. Im Umfeld der außenpolitischen Denkfabrik wird dagegen bereits offen über die erwartete Schließung des Beitz-Zentrums gesprochen. Auch, weil unter Böhlke das Niveau der Veranstaltungen sichtbar gesunken sei. „Da ist so wenig gelaufen dieses Jahr, das lässt sich schlecht verkaufen“, urteilt ein Osteuropa-Experte.

Da die Osteuropa-Forschung bundesweit an Vielfalt und Qualität verliert, gibt es gleichzeitig eine neue Initiative für ein staatlich gefördertes Osteuropa-Kompetenzzentrum, die sogar in die Koalitionsgespräche eingebracht werden soll. Da auch in der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin wichtige Stellen wegfallen, fordern Osteuropa-Experten ein stärkeres Engagement der Bundesregierung. In EU-Ländern wie Polen oder Finnland widmen sich große Institute mit 60 bis 80 Wissenschaftlern der Osteuropa-Forschung.

Gemma Pörzgen

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