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Betrug bei Promotionen: „Handschlagmilieu“

Die Staatsanwaltschaft entlastet die Freie Universität - Experten üben derweil heftige Kritik an den Universitäten: Die Qualitätssicherung bei den Promotionsverfahren sei "skandalös".

Im Skandal um den Handel mit Doktortiteln wird zur Zeit nicht gegen Dozenten der Freien Universität ermittelt. Das teilte die FU am Dienstag nach einem Telefonat mit der Kölner Staatsanwaltschaft mit: „Der Staatsanwaltschaft liegen keine belastbaren Informationen vor über Personal der Freien Universität, das bei der Durchführung von Promotionen rechtswidrige Entscheidungen getroffen haben soll. Es gibt gegenwärtig keine Ermittlungen gegen Personal der Freien Universität Berlin.“ Die Staatsanwaltschaft wollte der Presse am Dienstag nicht sagen, ob die im Magazin „Focus“ genannten Unis tatsächlich in Bestechungen verwickelt sind.

Der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft Günther Feld räumte ein, die öffentliche Information über die Verfahren sei „nicht gut“ abgelaufen. Seine Behörde habe jedoch keine Informationen über Hochschulorte oder einzelne Universitäten herausgegeben. Namen von angeblich betroffenen Universitäten waren am Sonnabend in der Presse genannt worden, doch bis zum gestrigen Dienstagmittag hieß es aus Bielefeld, Köln und Tübingen, man habe noch immer nichts Näheres von der Staatsanwaltschaft erfahren.

Hat die Staatsanwaltschaft zweieinhalb Jahrzehnte lang Hinweise auf kriminelle Machenschaften des „Instituts für Wissenschaftsberatung“ in Bergisch-Gladbach ignoriert? Diesen Vorwurf hatte am Dienstag der Münchener Jurist Manuel René Theisen im Tagesspiegel geäußert. Er habe die Verantwortlichen bereits vor 25 Jahren angezeigt und seitdem fast jährlich eine Strafverfolgung angemahnt. Der Kölner Oberstaatsanwalt Feld widersprach den Vorwürfen. Es habe sich um eine „reine Verdachtsanzeige“ ohne konkrete Belege gehandelt. „Bestechung und Bestechlichkeit sind keine Kavaliersdelikte. Wir hätten früher ermittelt, wenn es wirklich Anhaltspunkte dafür gegeben hätte.“ Das Verfahren war im vergangenen Jahr von der Staatsanwaltschaft Hannover nach Köln abgegeben worden. An der Uni Hannover hatte der Rechtsprofessor gelehrt, der knapp siebzig Promotionskandidaten der windigen Vermittleragentur angenommen hatte. Über 150 000 Euro hatte er dafür kassiert. Das Landgericht Hildesheim verurteilte ihn zu drei Jahren Haft.

Noch wird das bei den Durchsuchungen der dubiosen Promotionsberatung gefundene Material ausgewertet. Feld glaubt allerdings nicht, dass noch viele Fälle hinzukommen werden. Ermittelt werde gegen rund 100 Hochschullehrer, ausschließlich Privatdozenten oder außerplanmäßige Professoren. Anders als ursprünglich berichtet, seien Honorarprofessoren nicht darunter, so Feld. Sie hätten keine Promotionsberechtigung.

Feld hält es für möglich, dass es auch noch zu Ermittlungen gegen die Titelträger kommt. „Sie haben sich strafbar gemacht, wenn sie wussten, dass das Promotionsinstitut die Professoren und Privatdozenten für ihre Betreuertätigkeit bezahlt hat.“ Dieser Nachweis sei aber in den meisten Fällen schwierig zu führen. Es sei durchaus glaubwürdig, dass die Betroffenen dachten, sie zahlten nur für die Vermittlungsleistung an das Institut.

Allerdings könnten die Promovierten ihren teuer erkauften Titel nun wieder verlieren. Als der Fall des Juraprofessors im vergangenen Jahr aufflog, erkannte die Universität allen Juristen, die über das Bergisch Gladbacher Promotionsinstitut an die Hannoveraner Rechtsfakultät gekommen waren, ihre Titel wieder ab – Richtern, Anwälten und Beamten, die mitten im Berufsleben stehen.

Wie der Tagesspiegel erfuhr, wollen sich alle neun Betroffenen damit nicht abfinden. „Sie haben alle gegen die Aberkennung des Titels Klage eingereicht“, sagte der Dekan der juristischen Fakultät, Henning Radtke, am Dienstag. Die Uni wirft den Juristen vor, sie hätten es schweigend akzeptiert, dass ein bestochener Professor ihnen geholfen habe. „Dieser Umstand macht das gesamte Promotionsverfahren fehlerhaft“, sagt Radtke. Die Kandidaten hätten „zumindest fragen können, ob alles mit rechten Dingen zugeht“. Anlass dafür habe bestanden. So etwa habe die Promotionsagentur um eine „diskrete“ Kontaktaufnahme mit dem kooperierenden Professor gebeten. „Diskret muss in einem solchen Verfahren gar nichts ablaufen“, sagte der Dekan. „Wenn man die Voraussetzungen erfüllt, fragt man bei einem Professor an, ob man bei ihm promovieren kann“. Wie der Rechtsstreit ausgeht, ist jedoch ungewiss. Die neun Juristen haben ihre Prüfungsleistungen erbracht. Insofern könnten die Richter zu dem Schluss kommen, dass es unverhältnismäßig wäre, ihnen den Titel wegzunehmen.

Die Bestechungsvorwürfe lösen auch eine Debatte darüber aus, wie die Qualität der Promotionen durch die Universitäten besser gesichert werden kann. Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos) kritisierte im „Deutschlandradio Kultur“, dass die Anzahl der Dissertationen an einer Uni als Leistungskriterium gilt. „Wenn wir solche quantitativen Kriterien weit über die qualitativen stellen, dann können wir uns nicht wundern, dass es Fertigungshallen für Promotionsverfahren gibt. “

Auch Berlins Universitäten werden seit Jahren für hohe Promotions- und Absolventenzahlen belohnt. Dabei können insbesondere niedrige Absolventenzahlen schmerzhafte finanzielle Einschnitte bedeuten. Die Wissenschaftsverwaltung erklärte am Dienstag, das gegenwärtige Finanzierungssystem habe tatsächlich erhebliche Mängel. Mit dem geplanten Preismodell würden ab 2012 „erstmalig Qualitätsmerkmale ausschlaggebend“.

Für „skandalös“ hält der Soziologe Stefan Hornbostel, Leiter des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, die Promotions-Verhältnisse an den deutschen Hochschulen. Zwar werde seit 15 Jahren diskutiert, wie bessere Qualitätsstandards durchgesetzt werden könnten, dennoch gebe es immer noch eine „gigantische Spannbreite“ bei den Anforderungen. „Wurzel des Problems“ sei die große Zahl von Individualpromotionen, bei denen ein Doktorand ein Thema mit seinem Professor ausmacht und dann im stillen Kämmerlein forscht, ohne in ein Programm eingebunden zu sein. „Es handelt sich dabei um ein völlig undurchsichtiges Handschlagmilieu“, kritisiert Hornbostel. Diese Promotionen müssten „aus der Privatsphäre geholt“ und dringend „stärker formalisiert“ werden.

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