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Angekommen. Mit dem Einserabi die freie Wahl – oder erstmal eine Ausbildung machen und dann mit Wartebonus starten oder beim Nebenfach flexibel sein. Foto: Dirk Laessig

© Dirk Laessig

Bewerben für die Uni: Der beste Weg zum Studienplatz

Die Berliner Hochschulen sind heiß begehrt, der Numerus Clausus in vielen Fächern hoch. Doch mit geschickten Strategien können es Schulabgänger schaffen, zum gewünschten Studienplatz zu kommen.

Berlin ist beliebt. Seit Jahren kommen über 50 Prozent der Studierenden von außerhalb. Doppelte Abiturjahrgänge und der Wegfall des Wehrdienstes könnten diesen Trend noch verstärken. Außer dem Numerus clausus stellt sich Bewerbern auch manches andere Problem. Wenn im Juni alle Hochschulen ihre Online-Portale freigeschaltet haben, wird es Zeit, die Bewerbungsstrategie festzulegen.

Julia Häufler (Namen geändert) hat sich für Deutsch und Geschichte auf Lehramt entschieden – kein Problem mit 1,5, glaubte sie. Weil Berlin aber nicht so viele Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde braucht, haben Senat und Unis Kombinationen dieser drei Fächer bis auf Weiteres ausgesetzt. Was nun? Ein anderes Zweitfach? Oder in einem anderen Bundesland studieren? Oder in Berlin, aber ohne Lehramtsoption?

Ilker Hüçük will Grundschulpädagogik studieren, dazu am liebsten das neue Zweitfach Integrierte Naturwissenschaften. Mit seinem Abiturschnitt von 2,4 liegt er genau im bisherigen Berliner Durchschnitt. Nur: Die Auswahlgrenze für Grundschulpädagogik lag in Berlin bisher bei 1,8, ersatzweise bei 16 Halbjahren Wartezeit.

Jan Kleier hat sich für Verfahrens- und Umwelttechnik beworben. „Wenn ich an der Beuth-Hochschule abgelehnt werde, gehe ich eben an die TU Cottbus, da ist Verfahrenstechnik zulassungsfrei!“, meint er. Mit seiner Fachhochschulreife darf Jan aber nicht an Universitäten studieren.

Um Lösungen zu finden, müssen Julia, Ilker und Jan einiges wissen.

IN BERLIN NUR MIT BESTNOTEN

Nicht nur Deutsch, Geschichte und Grundschulpädagogik, auch Studiengänge wie BWL, Psychologie oder die medizinischen Fächer und alle, die theoretisch mit Kommunikation, Kultur oder Medien zu tun haben, setzen in Berlin eine Eins vor dem Komma voraus.

Die genauen NC-Werte stehen vorher nie fest. Die meisten Berliner Plätze werden in drei Quoten vergeben. In der Abiturbestenquote (20 Prozent) zählt nur der Notenschnitt. In der Hochschulquote (60 Prozent) überwiegt der Notenschnitt, aber in geringem Umfang können auch Berufspraxis, Leistungskursnoten oder Auswahlgespräche berücksichtigt werden. Meist nur 20 Prozent der Plätze werden nach Wartezeit vergeben. Notenschnitt und Wartezeit werden nicht miteinander verrechnet, sondern dienen am Schluss wechselseitig als Unterscheidungskriterium bei Noten- oder Wartezeitgleichheit. Bei frischgebackenen Schulabgängern muss deshalb unbedingt die Note reichen: Sie haben ja noch keine Wartezeit.

Für die meisten Fächer bewirbt man sich direkt bei den Hochschulen. Für die Pharmazie und die medizinischen Fächer ist die Stiftung Hochschulzulassung (ehemals ZVS) zuständig. Erlaubt ist bei jeder Hochschule sowie bei der ZVS nur ein Hauptantrag. Zusätzlich kann man oft einen Hilfsantrag stellen, der aber nur bei kaum begehrten Fächern Chancen bietet.

WER STUDIERT, KANN NICHT WARTEN

Wartezeit zählt automatisch ab dem Datum des Reifezeugnisses. Bewerbungen bringen keinen Vorteil. Die Regel lautet vielmehr: Immatrikulation stoppt Wartezeit. Maximal werden 16 Halbjahre angerechnet. TU-Fächer, die anders als sonst durchgängig zu je 50 Prozent nach Note und Wartezeit vergeben werden, kamen bisher meist auf drei Halbjahre Wartezeit. An der FU und der HU stoßen dagegen Filmwissenschaft, Grundschulpädagogik und Psychologie längst mit 16 Halbjahren durch die Decke. Solche Wartezeiten bringen vor allem Bewerber mit, die einen Teil ihres Berufslebens hinter sich haben. Außerhalb Berlins sind die Wartezeiten für viele beliebte Fächer kürzer.

FÜR HÄRTEFÄLLE GIBT ES KAUM PLÄTZE

Mindestens fünf Prozent der NC-Studienplätze müssen die Hochschulen pro Fach für Vorabquoten reservieren; maximal dürfen es 30 Prozent sein. Solche Quoten gibt es etwa für ausländische und staatenlose Bewerber, die anders als EU-Bürger nicht deutschen Bewerbern gleichgestellt sind, oder für Härtefälle. Nach dem neuen Berliner Hochschulgesetz sollen Berliner, die mit mehr als vier Wartesemestern rechnen müssen und für die ein Wegzug aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen unzumutbar ist, in der meist zweiprozentigen Härtefallquote berücksichtigt werden. Weil nur wenige Fächer über 100 Studienplätze haben, kommen aber meist nur ein oder zwei Härtefälle zum Zuge. Neu ist eine Vorabquote für Bewerber unter 18, die in Berlin oder Brandenburg bei einer sorgeberechtigten Person wohnen. Die HU berücksichtigt die neuen Quoten bereits, FU und TU prüfen das noch.

KOMBI-BACHELOR MIT ERSATZANGEBOT

Bei den universitären Kombinationsstudiengängen wird für jedes Fach getrennt zugelassen. Um die Nebenfachplätze konkurrieren nur Kandidaten, die schon ihre Erstfachzulassung haben. Werden diese aber für ein Nebenfach abgelehnt, bekommen sie meist eine Liste mit Ersatzangeboten zugeschickt. Wer davon enttäuscht ist, weil zum Beispiel Physik oder Griechisch als Alternative nicht passen, muss abwägen: Eine Immatrikulation ist nur mit vollständiger Fachkombination möglich, ohne Ersatzfach geht auch der Erstfachplatz wieder verloren. Ein Nebenfach auszuwechseln ist an der FU nur bis zum 3. Semester möglich, aber schwierig, weil der NC kaum milder wird.

SIND NACHRÜCKVERFAHREN UND LOSANTRÄGE EIN TIPP?

Nein und ja. Alle Bewerber, bei denen die Voraussetzungen stimmen, werden von der Hochschule in eine Reihenfolge gebracht. Deshalb steht von Anfang an fest, wer nachrückt, wenn Studienplätze nicht angenommen werden. Sind nach Abschluss aller Nachrückverfahren weiter Plätze unbesetzt, was nur in weniger begehrten Fächern passiert, werden sie verlost. Losanträge stellen kann jeder, der die Studienvoraussetzungen erfüllt und die Frist wahrt. Bewerbungen, Ablehnungen, Note oder Wartezeit spielen keine Rolle.

UNIWECHSEL UND QUEREINSTIEG

Auf Qualifikation oder Wartezeit kommt es nur im 1. Semester an. Hochschulwechsler und Quereinsteiger in höhere Semester brauchen stattdessen einen Anrechnungsbescheid über Studienleistungen und einen freien Studienplatz. Von frei gewordenen Plätzen profitieren zuerst Hochschulwechsler, die immer für einen gleichnamigen Studiengang eingeschrieben sein müssen. Nur wenn alle Wechsler zugelassen und immer noch Plätze frei sind, kommen Quereinsteiger dran. Deshalb haben Wechsler grundsätzlich mehr Erfolgsaussichten als Quereinsteiger aus anderen Fächern.

WAS EINE KLAGE BEWIRKEN KANN

Bei den meisten Studienplatzklagen handelt es sich um Kapazitätsklagen. Dabei geht der Kläger davon aus, dass die Hochschule in einem Fach mehr Platzkapazität hat als behauptet. Das Verwaltungsgericht überprüft die Berechnungen und kann die Uni etwa anweisen, zehn Studierende mehr aufzunehmen und die Plätze zu verlosen. Angenommen, es gibt 43 Kläger, dann bekommen alle 43 recht, aber nur zehn einen Platz. Geht die Hochschule in Berufung mit der Folge, dass die höhere Instanz nur fünf zusätzliche Plätze ausrechnet, kann der Studienplatz wieder verlorengehen. Ob die Kosten sich lohnen, sollte man prüfen, bevor man einen Anwalt engagiert. Teuer werden kann eine Klage auch, wenn sie abgewiesen wird oder es zu einem Vergleich kommt.

LÖSUNGEN FÜR ALLE FÄLLE

Wie werden Julia, Ilker und Jan sich entscheiden? Die häufigsten Strategien beim Umgang mit Zulassungsproblemen sind drei: Studium an einer anderen Hochschule, Studium eines verwandten Fachs oder Wartezeit. Julia will sich für Deutsch und Geschichte in Potsdam und auch in Rostock bewerben, wo es für diese beiden Lehramtsfächer kein Kombinationsverbot gibt. Ilker kann sich dagegen mit 2,4 auch anderswo wenig Hoffnung auf Grundschulpädagogik machen. Mit etwas Wartezeit würden aber seine Chancen an vielen Unis außerhalb Berlins besser stehen. Seine Idee: Die kostenlose Ausbildung an einer staatlichen Erzieherfachschule brächte nicht nur sechs Wartesemester, sondern auch Praxiserfahrung. Jan hat im Internet herausgefunden, dass Verfahrens- und Umwelttechnik an der FH in Wismar zulassungsfrei ist. Das liegt 250 km nördlich von Berlin, aber direkt an der Ostsee, und Jan hat Lust, bald einen Segelschein zu machen.

Die Autorin hat viele Jahre als Studienberaterin in Berlin gearbeitet.

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