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Bildung: Berlin kämpft sich hoch

Gute Ganztagsschulen und Spitzenunis: Eine neue Bildungsstudie sieht die Hauptstadt vor vielen anderen Ländern

Berlins Bildungssystem hat sich im bundesweiten Vergleich innerhalb eines Jahres am meisten verbessert. Das geht aus dem neuen „Bildungsmonitor“ hervor, den das unternehmernahe Institut für die deutsche Wirtschaft (IW) in Köln und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gestern vorgestellt haben. Berlin kann vor allem mit der Forschungsstärke seiner Universitäten punkten, die Hauptstadt hat zudem bei der Bekämpfung der Bildungsarmut stark aufgeholt. Überdurchschnittlich entwickelt haben sich auch Hessen und Thüringen.

Neben dem „Dynamikranking“ veröffentlicht das IW ein „Bestandsranking“, das die absolute Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme widerspiegeln soll. Hier liegt wie im Vorjahr Sachsen an der Spitze, gefolgt von Baden-Württemberg, Thüringen und Bayern. Berlin springt von Platz 13 auf Rang 7. Insgesamt sei in den letzten Jahren deutschlandweit eine „Trendwende in allen Bildungsbereichen“ zu beobachten, sagte Hans-Peter Klös, Geschäftsführer des IW und Leiter der Bereiche Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik: „Der Pisa-Schock hat viel bewirkt.“ Alle Länder hätten seit der Veröffentlichung des ersten Bildungsmonitors im Jahr 2004 enorm aufgeholt.

In dem jährlich publizierten Bildungsmonitor fließen 104 Indikatoren ein, die auf einer Skala von 0 bis 100 gemessen werden. Dazu gehören die Pisa-Ergebnisse, die Studiendauer und die Klassengröße in den Schulen. Die neuen Daten stammen größtenteils aus dem Jahr 2005.

Berliner Universitäten mit guten Noten

Seinen großen Sprung nach vorn verdankt Berlin zum großen Teil seinen Universitäten. In keinem anderen Land tragen die Hochschulen so viel zur Forschungsentwicklung in der Region bei. Die Berliner Hochschulen führen auch deutlich bei den internationalen Kooperationen. Nirgendwo promovieren und habilitieren sich mehr Absolventen pro Professor. Berlin punktet zudem bei der Betreuung von Kleinkindern und Grundschülern: Die Hauptstadt liegt bei Ganztagsangeboten für Schüler und der Professionalisierung der Kita-Erzieher vor allen anderen Ländern.

Berlin rückt so insgesamt in die „Verfolgergruppe“ des Spitzenquartetts auf. Dazu gehören – mit sehr geringen Abständen untereinander – auch Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein. Als „Mittelfeld“ identifiziert die Studie Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt, die gleichfalls nur durch Zehntelpunkte voneinander getrennt sind. Schlusslicht ist mit etwas Abstand Mecklenburg-Vorpommern.

Größtes Problem Berlins bleibt laut der Studie die Bildungsarmut – die Stadt gehört zu den Ländern mit dem größten Anteil an „Risikoschülern“, wie in den Pisa-Studien herauskam. Der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss sei in Berlin mit 9,4 Prozent weiterhin höher als im Bundesschnitt, schreiben die Autoren. Die Studie bescheinigt Berlin gleichwohl, bei der Bekämpfung der Bildungsarmut am meisten vorangekommen zu sein: „Die Stadt weist in den letzten Jahren die größten Verbesserungen aller Bundesländer auf“.

Sieger Sachsen kann seinen ersten Platz „souverän verteidigen“, lobt die Studie. Die Autoren streichen die gute Qualität der Schulen heraus. Genauso wie das drittplatzierte Thüringen sei das Land ein Paradebeispiel dafür, wie man den demografischen Wandel nutzen könne, um den Unterricht und die Betreuungsrelationen zu verbessern. Sachsen halte trotz sinkender Schülerzahlen die Ausgaben für seine Schulen hoch und „bietet so sehr gute Bedingungen, um Schüler in Kleingruppen individuell zu fördern“, heißt es. „Die westdeutschen Länder, auf die der demografische Wandel noch zukommt, sollten sich Sachsen ganz genau angucken. Sie können davon viel lernen“, sagte IW-Geschäftsführer Klös. Minuspunkte kassiert Sachsen für die bundesweit unterdurchschnittliche Anzahl von Promotionen und Habilitationen. Baden-Württemberg und Bayern, die beiden westdeutschen Länder im Führungsquartett, bestechen vor allem durch ihre hohen Bildungsausgaben.

Insgesamt seien die Bildungssysteme aller Länder sehr viel internationaler geworden, bilanzierte Klös – indem etwa in den Schulen durchgehend mehr und früher Fremdsprachen gelehrt werden und die Hochschulen bessere Kooperationen mit ausländischen Unis anbieten. Durch die steigende Zahl von Bachelorstudiengänge könnten viele Studierende ihre Hochschulkarriere „zeiteffizienter“ gestalten. Auch steige die Zahl der Hochschulabsolventen kontinuierlich.

Probleme bei Ausbildung in technischen Berufen

Das bestätigt auch eine neue Auswertung des Statistischen Bundesamts: 2006 schlossen 265 700 Studenten erfolgreich ihr Examen ab – fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Deutlich mehr Absolventen waren in der Mathematik (plus 14 Prozent), in der Informatik (plus 13 Prozent), im Maschinenbau (plus 8 Prozent) und in den Naturwissenschaften (plus 9 Prozent) zu verzeichnen – in jenen Fächern also, in denen die Unternehmen derzeit beklagen, dass sie frei werdende Stellen nicht mehr neu besetzen können.

Kann in der aktuellen Debatte um fehlende Fachkräfte damit eine erste Entwarnung gegeben werden? Nein, sagte Klös. Gerade die Ingenieur- und Naturwissenschaften bleiben für ihn „große Sorgenkinder“ – die Ausbildung des technischen Nachwuchses sei eines der wenigen Felder, wo die Länder gegen den Trend stagnierten oder sich sogar verschlechterten. Damit untermauert der Bildungsmonitor Studien zum Fachkräftemangel in Deutschland, auf den die Bundesregierung jetzt mit einer „Qualifizierungsoffensive“ reagieren will (siehe Infokasten). Klös griff vor allem Bayern und Baden-Württemberg an. Die beiden süddeutschen Länder würden weit unter ihrem Bedarf Ingenieure ausbilden – obwohl ihr Bedarf an Fachkräften ständig steige.

Einzige Lichtblicke seien Sachsen und Thüringen, laut Klös „die Ingenieurschmieden der Republik“. Deren Absolventenzahlen lägen weit über dem Bedarf der eigenen Firmen, die beiden Länder würden Ingenieure so regelrecht in den Westen Deutschlands exportieren. Ein „umgekehrter Finanzausgleich“ sei so entstanden. Was der Westen an Geld in den Osten transferiere, glichen die neuen Länder durch die Ausbildung an Fachkräften auch für den Westen spielend wieder aus.

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