zum Hauptinhalt
Im Unterricht. Viele Schüler lernen an Schulen, die nur eine geringe Auswahl an Kursen haben.

© REUTERS

Bildung in den USA: Amerikas ungerechte Schulen

Mehr Verweise, unerfahrene Lehrer: Das Bildungswesen in den Vereinigten Staaten benachteiligt nichtweiße Kinder.

Zur Mittagspause gongt es dreimal. Es ist ein sanfter Klang, der durch die hellen Flure der Kelly Miller Middle School tönt. Teenager in weinroten Poloshirts und beigefarbenen Hosen schlendern aus den Klassenräumen. Eine friedliche Atmosphäre – was allerdings nicht selbstverständlich ist. Lange stand die Schule in dem Ruf, die Metallschleuse und die Sicherheitsdetektoren, die jeder am Eingangstor passieren muss, wirklich nötig zu haben. Doch heute drängen sich die Eltern um einen Platz für ihre Kinder. Binnen dreier Jahre konnte die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse in den Tests des Districts um ein Drittel steigern.

Eine ungewöhnliche Wandlung. Denn prinzipiell bereiten Schulen wie die Kelly Miller Middle School Bildungsforschern in den USA Sorgen. Die Schule liegt zwischen Deanwood und Capitol Heights im Osten Washingtons. Längst haben die Einfamilienhäuser hier aufgehört, eine hübsche Veranda zu haben oder Spitztürmchen auf dem Dach. Es ist eine der ärmeren Gegenden Washingtons. Sehr viele Schwarze wohnen hier, einige Hispanics, praktisch keine Weißen, was sich in der Schülerschaft widerspiegelt. So, wie viele Wohnviertel in den USA immer noch nach Hautfarbe segregiert sind, sind das die Schulen – verbunden mit großen Ungerechtigkeiten. Auch 60 Jahre nachdem der Oberste Gerichtshof die Rassentrennung an Schulen aufhob, besteht eine „schockierende Ungleichheit bei Bildungschancen“, wie unängst Daniel J. Losen feststellte, Direktor des Bürgerrechtszentrums der University of California.

Eine Auswertung zeigt: Von Chancengleichheit kann nicht die Rede sein

Tatsächlich zeigt eine neue Auswertung von Daten der 97 000 öffentlichen Schulen, dass in den USA von Chancengleichheit in der Bildung keine Rede sein kann. An Schulen mit einer mehrheitlich nichtweißen Schülerschaft unterrichten unterdurchschnittlich qualifizierte Lehrer. Diese Schulen bieten weitaus weniger Kurse an. Alles in allem haben so Schüler in Gegenden wie dem Osten Washingtons deutlich geringere Chance auf einen guten Abschluss als etwa Kinder im weiß dominierten Nordwesten der Hauptstadt.

Zwar sind während Obamas Präsidentschaft viele Programme angelaufen, die die Chancengerechtigkeit vergrößern sollen. Aber die Fortschritte sind bescheiden – und die Ungerechtigkeit beginnt früh. Schon in der Vorschule werden schwarze Kinder deutlich strenger diszipliniert als weiße. Zwar machen schwarze Kinder nur 18 Prozent aller Vorschüler aus. Doch mit 42 Prozent ist ihr Anteil an der Gruppe überproportional hoch, die vom Unterricht suspendiert wird. Auch über die Altersstufen hinweg werden schwarze Schüler dreimal so oft der Schule verwiesen. 20 Prozent aller schwarzen Jungen und zwölf Prozent der schwarzen Mädchen werden binnen eines Schuljahres vom Unterricht ausgeschlossen oder ganz von der Schule geworfen. Aus der weißen Schülerschaft sind es nicht einmal fünf Prozent.

Mangel an naturwissenschaftlichem Unterricht für Schwarze und Latinos

Geht es um konstruktive Förderung, drehen sich die Verhältnisse um. Ein Viertel der Schulen mit dem höchsten Anteil an Minderheiten bietet keine Algebrakurse für Fortgeschrittene an. Ein Drittel dieser Schulen führt sogar kein einziges Angebot für Chemie. Insgesamt haben so nur 57 Prozent der schwarzen Schüler und 67 Prozent der Latinos Zugang zum vollen Angebot an Naturwissenschaften. Ein Beratungslehrer steht diesen Schülern ebenfalls seltener zur Seite. Eine strategische Planung der Schullaufbahn ist für viele deshalb illusorisch, obwohl sie im amerikanischen Kurssystem unerlässlich ist.

Abdullah Zaki, der Rektor der Kelly Miller School, will die Hürden, vor denen viele Kinder in seiner Gegend stehen, überwinden. Seine Schule schaffte es nicht nur, dass sich die Testergebnisse in Mathematik und beim Lesen verbesserten. Auch ist der Anteil der Schulschwänzer von dreißig auf ein Prozent gesunken. Als Zaki im Jahr 2013 einen Preis für „exzellente Führung“ gewann, wurde seine „beruhigende Persönlichkeit“ hervorgehoben, die das Schulklima nachhaltig verbessert habe. Er veranlasste, dass sich die Lehrkräfte systematisch weiterbilden. Die Schule ist heute eine der wenigen aus dem District, die an einem staatlichen Programm für begabte Schüler teilnehmen. Davon profitieren normalerweise besonders weiße Mittelschichtskinder. Grundschüler werden zu Schnupperkursen eingeladen, was Schüler und Eltern frühzeitig an die Einrichtung bindet.

In einem Punkt hat aber Zaki das System nicht geschlagen. Auch an seiner Schule sind noch immer mehr als die Hälfte der Lehrer Berufsanfänger – sehr viel mehr als durchschnittlich in Washington.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false