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Bildung: Lehrer statt Autobahnen

Bildung gilt in Deutschland nicht als Rechtfertigung für Investitionen. Jetzt soll aber in Köpfe, nicht in Beton investiert werden: Wie die SPD die Zukunft sichern will.

Die SPD diskutiert über einen neuen Investitionsbegriff. Mit dem zweiten Teil der großen Verfassungsreform sollen nicht mehr wie bislang Ausgaben in Beton als Investitionen verstanden werden, sondern Ausgaben für Bildung, also durchaus auch für Wissenschaftler oder Lehrer. Die Gründe liegen auf der Hand: Zukunft gründet auf Bildung und wissensbasierte Wirtschaft.

Nur hat sich diese Tatsache noch nicht im deutschen Haushaltsrecht niedergeschlagen. Bildung und Wissenschaft gelten hier nicht als Rechtfertigung für Investitionen. Nach dem veralteten Muster von Jahrzehnten sind Schienen, Autobahnen, Flughäfen, Schwimmbäder und Geräte – also Beton und Stahl – die Investitionen, die die höchste Rendite in der Zukunft erwarten lassen. Aus diesem Grund kann immer wieder Sachsen als einziges Land im Osten das Lob der Haushaltsrechtler einfahren, weil es mit dem Ausbau des Flughafens von Leipzig die Gelder aus dem Solidarpakt Ost in haushaltsrechtlich richtige Investitionen umsetzt. Die anderen Länder, die diese Gelder auch für Investitionen in Wissenschaft und Schulen benutzen, werden kritisiert. Sie versuchten, Haushaltslöcher mit Investitionsgeldern zu stopfen, heißt der Vorwurf.

Auf die Dauer wird solches Denken immer absurder. Daher ist das Nachdenken über den Investitionsbegriff auf die Tagesordnung der Föderalismusreform II gesetzt worden. Aber wie der neue Investitionsbegriff aussehen soll – darüber ist die SPD noch uneins.

Zur Alternative stehen bisher zwei Vorschläge aus der SPD: Der frühere Wissenschaftsminister aus Niedersachsen und heutige Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann möchte allein die Forschung zum Investitionskriterium machen und nicht mehr den Beton. Das hätte den Charme, dass die staatlichen Aufwendungen für die Forschung pro Jahr bei 17 Milliarden Euro liegen und diese Summe noch unter den Beträgen liegt, die im Haushalt für die Neuverschuldung angesetzt sind. Denn seit 1969 gilt die Regel, dass die jährliche Neuverschuldung nicht die Höhe der Summe der Investitionen überschreiten darf. Folgt man Oppermann, dann wäre künftig die Forschung allein das Zukunftskriterium für Investitionen.

Diese Idee ist anderen Sozialdemokraten zu eng. Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung, Ulla Burchardt, sagt: Die Bildung lässt sich nicht von der Forschung trennen. Eine Privilegierung der Forschung gegenüber der Bildung sei deshalb nicht zu rechtfertigen. Wenn heute zur Erreichung des europäischen Lissabon-Ziels 100 000 Ingenieure und Naturwissenschaftler fehlen, dann sei das vor allem eine Forderung an die Bildung. Für Technik müsse man schon in den Schulen begeistern und anschließend in den Hochschulen mit richtigen Lehrmethoden für mehr Absolventen in diesen Studiengängen sorgen. „Wenn wir nur das Segment Forschung privilegieren, setzen wir die Fehlsteuerung der Vergangenheit fort.“

Sollen nun die Gesamtausgaben des Staates für Bildung und Forschung künftig über die staatlichen Investitionen aufgebracht werden? Das ist nicht die Absicht von Ulla Burchardt. Und auch Berlins Bildungs- und Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner schlägt abwehrend die Hände über dem Kopf zusammen. Rund 135 Milliarden Euro werden von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Wirtschaft für Bildung und Forschung aufgebracht. 102 Milliarden sind es aus den öffentlichen Händen. Wenn man diese Riesensumme zur Grundlage einer Neuverschuldung machen würde, dann wäre das unvertretbar und stünde dem Ziel, die Staatsverschuldung herunterzufahren, entgegen. Zum Vergleich: Im Haushalt 2006 lag die Neuverschuldung noch bei 41 Milliarden Euro, im Haushalt 2007 beträgt sie 23 Milliarden Euro und gibt damit die Höhe für Neuinvestitionen vor.

Zöllner schlägt folgende Lösung vor: „Die Einnahmen durch Kreditaufnahmen dürfen drei Prozent des Bruttoinlandproduktes nicht überschreiten.“ Damit ist eine Obergrenze für die Verschuldung des Bundes und die möglichen Investitionen gegeben. Drei Prozent des Bruttoinlandproduktes entsprechen den Maastricht-Kriterien der EU als zulässige Verschuldungsgrenze.

Zöllner möchte den Politikern nicht vorschreiben, für welche Investitionen sie die Neuverschuldung verwenden sollen. Er möchte nur im Haushaltsrecht die Eingrenzung der Investitionen auf Bauten aufbrechen und um Bildung und Forschung erweitern. Nur durch diese Erweiterung wäre es möglich, durch die Kreditaufnahme die Einstellung zusätzlicher Lehrer und Forscher zu finanzieren. Zöllner fordert wie Oppermann eine Änderung des Grundgesetzartikels 115, damit eine solche Öffnung von Dauer sein kann.

Obwohl bisher Sozialdemokraten die Initiative ergriffen haben, ist das Feld noch nicht parteipolitisch vermint. Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sprach sich gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ für eine Änderung des Investitionsbegriffs aus. Zöllner hofft auf offene Diskussionen im Herbst bei der Föderalismusreform II. Dass Bildungs- und Wissenschaftsorganisationen diese Anregungen positiv bewerten, ist zu erwarten. Einschlägige Äußerungen sind seit Jahren Gegenstand von Sonntagsreden. Uwe Schlicht

Uwe Schlicht

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