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Studierende im Hörsaal

© dpa

Bildung: Was sich die Unis sparen können

Berlins Hochschulen stehen vor einer Kostenexplosion. Sie fordern eine kräftige Etaterhöhung. Zu Recht?

Berlins Universitäten sehen sich vor einer Kostenexplosion. Am Montag haben sie deshalb 157 Millionen Euro pro Jahr mehr ab 2010 gefordert. Und sie wollen sehr bald Sicherheit über ihre Zukunft. Wenn neue Sparsummen auf sie zukommen, möchten sie so bald wie möglich „auf die Bremse treten“, wie die Uni-Leitungen sagten. Unterstützt werden sie von den Grünen im Abgeordnetenhaus. Deren haushaltspolitischer Sprecher Oliver Schruoffeneger erklärte, eine weitere große Sparrunde werde dem Wissenschaftsstandort Berlin „schwere Schäden“ zufügen und forderte den Einstieg in die Verhandlung zu den Hochschulverträgen. Anja Schillhaneck, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, erklärte: „Während Wissenschaftssenator Zöllner immer noch an seiner Ex-Super-Uni und den kleinen, feinen Möglichkeiten einer Stiftung zur Forschungsförderung bastelt, bricht an den Hochschulen die Basis weg.“

Wird das Berliner Parlament den Universitäten entgegenkommen – und wenn ja, wie weit? Finanzsenator Thilo Sarrazin hat bereits gesagt, die Universitäten sollten sich „langfristig in die finanziellen Möglichkeiten Berlins einpassen“. An diesem Satz können sich Sarrazin-Exegeten jetzt die Zähne ausbeißen. Ist das eine kalte Abfuhr? Oder ist der Ton gemessen an den sonstigen Äußerungen des Senators über die Hochschulen nicht im Gegenteil ungewohnt freundlich?

Im Koalitionsvertrag zwischen der SPD und der Linken heißt es: „Steigende Kosten der Hochschulen ( Mehrwertsteuererhöhungen, Tarifsteigerungen) können nicht berücksichtigt werden.“ Aber der Koalitionsvertrag ist nicht in Stein gemeißelt. Wissenschaftssenator Zöllner hat bereits im Sommer erklärt, er erkenne an, dass die Unis mehr Geld brauchen.

Lars Oberg, Mitglied im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses für die SPD, sagt, steigende Kosten für die Unis lägen „auf der Hand“. Allerdings müsse die Höhe der Forderungen geprüft werden. Unter besonderem Zeitdruck sieht er die Politik dabei nicht. Erst im Sommer werde der Senat einen Entwurf des Doppelhaushalts für die Jahre 2010 und 2011 vorlegen, in dieser Zeit könnten die Hochschulen die neuen Hochschulverträge paraphieren. Oberg will nicht ausschließen, dass Berlin sich sowohl eine „vernünftige Grundfinanzierung“ der Hochschulen als auch eine Förderung der Spitzenforschung über die geplante „Superstiftung“ leisten kann: „ Alles hängt davon ab, wo Berlin seine Schwerpunkte setzen will“, sagte er auf Anfrage.

Zurückhaltender ist Stefan Zackenfels, für die SPD im Hauptausschuss. Das Land Berlin stecke in einer schwierigen Situation. Die Unis sollten die Verhandlungen zum Doppelhaushalt und die Steuerschätzung abwarten. Auch müsse überprüft werden, ob die Unis alle Möglichkeiten finanzieller Effizienz bereits ausgeschöpft hätten, etwa im Gebäudemanagement. Kann sich Berlin eine viel höhere Grundfinanzierung und außerdem noch die „Superstiftung“ mit 35 bis 40 Millionen Euro im Jahr leisten? Zackenfels sieht die Priorität bei der Grundfinanzierung: „Ohne Kaffee keine Sahnehaube.“ Die Unis seien von der Superstiftung offenbar auch nicht wirklich begeistert. Prinzipiell könne diese aber auch durch Umschichtungen im Wissenschaftsetat finanziert werden.

Können die Berliner Unis nicht doch noch etwas sparen? „Der Speck ist weg, wir sind längst am Knochen angelangt“, hat FU-Kanzler Peter Lange mit Blick auf die Einsparungen gesagt:

WENIGER GELD

Zuletzt waren zwischen 2005 und 2009 von den drei großen Unis 75 Millionen Euro zu erbringen. Ihr jährlicher Landeszuschuss sinkt auf 870 Millionen Euro. Außerdem mussten sie eine einmalige Zahlung von 54 Millionen Euro zur Konsolidierung des Landeshaushaltes leisten.

WENIGER PROFESSUREN

Deshalb müssen FU, HU und TU bis 2009 etwa 220 Professuren einsparen. Dieses Sparziel ist noch lange nicht erreicht: So muss die FU 89 Professuren streichen, aber „50 sind noch im Überhang“, wie FU-Präsident Dieter Lenzen dem Tagesspiegel am Dienstag sagte. Seit Anfang der neunziger Jahre wurden an den Universitäten umgerechnet 500 Millionen Euro gespart und bis zu 50 Prozent ihrer Professuren abgebaut.

WENIGER STUDIENPLÄTZE

Die Zahl der Anfang der 90er Jahre ausfinanzierten 115 000 Studienplätzen sank zunächst auf 85 000 Plätze für 140 000 Studierende. Mit der letzten Sparrunde sollten weitere 10 000 Plätze wegfallen. Allerdings können nach Angaben aus den Universitäten durch die Mittel, die Berlin aus dem Hochschulpakt von Bund und Ländern erhält, 3000 erhalten bleiben. Aber auch 78 000 Plätze sind aus der Sicht des Wissenschaftsrats deutlich zu wenig: Für Berlin sei die absolute Untergrenze 85 000 Plätze.


WENIGER FÄCHER

Auch ganze Fächer werden abgewickelt: Die TU muss sich fast vollständig von ihren Geisteswissenschaften und von der Lehrerausbildung trennen. Die FU verzichtet auf zehn Fächer, etwa Soziologie, Musikwissenschaft und Indogermanistik. An der HU wurden unter anderem in der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät massiv Professuren gestrichen, die Ur- und Frühgeschichte wird abgewickelt.

WENIGER VERWALTUNG

Hunderte von Stellen in der Verwaltung wurden gestrichen – in der letzten Kürzungsrunde allein an der HU 100. Aber diese Mitarbeiter können nicht einfach entlassen werden, verursachen also weiter Kosten. Nachdem der Senat 2003 im öffentlichen Dienst mit dem „Solidarpakt“ einen Lohnverzicht durchgesetzt hatte, gibt es im Gegenzug bis Ende 2009 keine betriebsbedingten Kündigungen.


WENIGER ENERGIE

Alle Hochschulen haben sich Energiesparziele gesetzt. HU und UdK arbeiten mit dem sogenannten Energiespar-Contracting. Privatunternehmen suchen nach Energiesparpotenzialen, modernisieren etwa die Heiztechnik und erhalten dafür einen Teil der eingesparten Kosten. Die HU spart so 20 Prozent der jährlichen Energiekosten. Die FU hat seit 2001 ein eigenes Energiesparmanagement – und konnte ihren gesamten Energieeinsatz seitdem um 18,4 Prozent verringern. Zu den Maßnahmen gehört auch eine neue Solaranlage auf dem Dach des Physik-Gebäudes. Gleichzeitig aber sind die Strompreise seit 2003 um rund 50 Prozent gestiegen, Heizöl und Erdgas haben sich um über 60 Prozent verteuert.

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