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Bionik: Käfer "hört" Feuer

Der Kiefernprachtkäfer kann Waldbrände in kilometerweiter Entferung orten – nun soll nach seinem Vorbild ein Feuermelder gebaut werden.

Er ist ein feuriger Geselle. Der Schwarze Kiefernprachtkäfer (Melanophila acuminata) fliegt auf Waldbrände. Wo immer Baumholz brennt, knistert und knackt, stellen sich bald schon Männchen wie Weibchen des Insekts ein und kopulieren miteinander. Kurz darauf legt das Weibchen die befruchteten Eier in oder unter die verkohlte Rinde. Die daraus schlüpfenden Larven fressen am liebsten frisch verbranntes Holz.

Mit Hilfe eines „Feuerfühlers“ spürt das Insekt Brände aus kilometerweiter Entfernung auf. Genau dieses Prinzip wollen deutsche Forscher nun imitieren und in einem Messgerät einsetzen – um zum Beispiel Waldbrände zu orten.

Insektenforscher konnten sich bisher nicht genau erklären, wie der Käfer die Brände bemerkt. Bekannt war, dass er Anteile des Brandgeruchs wahrnehmen kann, die bei der unvollständigen Verbrennung von Lignin entstehen, einem Bestandteil pflanzlicher Zellen, der Bäume oder Sträucher verholzen lässt.

Nun haben Wissenschaftler der Uni Bonn und des Forschungszentrums Caesar Indizien präsentiert, dass der Käfer die Wärme eines Kilometer entfernten Brandes wahrnehmen kann – über den Umweg eines veränderten Drucks in einem Organ der Käfer, das mit Flüssigkeit gefüllt ist. Der darin sitzende mechanische Fühler reagiert etwa fünfmal so schnell wie technische Infrarotfühler. Ihre Ergebnisse haben die Forscher im „Journal of Experimental Biology“ (Band 211, Seite 2576) veröffentlicht.

Dafür nutzt der Schwarze Kiefernprachtkäfer zwei Organe, die auf Höhe des mittleren Beinpaares beiderseits sitzen und aus jeweils 60 bis 70 gebündelten Sensoren bestehen. Allerdings reagieren sie auf Wärme nur indirekt.

Der vom Feuer ausgehende Wärmereiz trifft nämlich auf einen winzigen, sehr festen Druckbehälter, der nur ein Drittel so dick ist wie ein menschliches Haar und aus den gleichen Stoffen besteht wie der Panzer von Insekten: aus Chitin und Proteinen. In dem Behälter befindet sich Wasser, allerdings nur einige hundert Milliardstelmilliliter davon.

Durch die auftreffende Wärme erhöht sich auch seine Temperatur, worauf er sich schlagartig ausdehnt. „Der Behälter hat nur eine einzige weiche Stelle: Nämlich die Spitze der Sinneszelle, die wie ein Handschuhfinger in ihn hineinragt“, beschreibt der Bonner Zoologe Professor Helmut Schmitz den Clou des Biosensors. Wenn sich das erwärmte Wasser ausdehnt, drückt es diese winzige fingerförmige Struktur zusammen – denn anderswohin ausweichen kann das Wasser nicht „Der Käfer hört die Infrarotstrahlung gewissermaßen“, sagt der Wissenschaftler.

Wird die Spitze des Fühlers verformt, öffnen sich in ihm Kanäle, durch die elektrisch geladene Teilchen (Ionen) strömen. Das verändert in Windeseile die elektrische Spannung in der Sensorzelle – nämlich schon wenige Tausendstelsekunden nach dem Auftreffen der Infrarotstrahlung auf den Druckbehälter. „Das Ganze funktioniert hydraulisch und damit fast verzögerungsfrei, ähnlich wie im Auto, wenn man aufs Bremspedal steigt“, erklärt Schmitz das Prinzip.

Das von ihm und seinen Kollegen nun weiter aufgeklärte Funktionsprinzip ist nahezu einzigartig und tritt nur noch bei einer in Australien lebenden Rindenwanze auf. Die Brandsensoren der ebenfalls dort vorkommenden Feuerkäfer Merimna atrata und des kleinen Aschekäfers Acanthocnemus nigricans arbeiten hingegen allem Anschein nach anders: Sie registrieren Wärme direkt, ohne Umweg über einen veränderten Druck.

Angeblich sollen Insekten wie der Schwarze Kiefernprachtkäfer auch noch 50 bis 80 Kilometer entfernte Brände spüren können, doch das will Schmitz nicht bestätigen. „Der Sensor ist aber in der Tat extrem empfindlich“, sagt er. Laborexperimente hätten zeigen können, dass der Fühler noch eine Wärmestrahlung von hundert Millionstelwatt pro Quadratzentimeter erkennen kann. Berechnungen legten nahe, dass der Käfer zumindest ein Feuer in etwa zwölf Kilometern Entfernung erkennen können müsste.

Ziel der Forscher ist es, einen bionischen, nach dem Prinzip der natürlichen Vorlage konstruierten schnellen Wärmesensor zu entwerfen. Dieser soll wie beim Kiefernprachtkäfer und der ebenfalls damit ausgerüsteten Rindenwanze ungekühlt arbeiten. Und damit einfacher und preiswerter sein als heute schon arbeitende Sensoren, die technisch aufwändig mit Stickstoff oder einem Sterling-Motor gekühlt werden müssten.

„Der potenzielle Markt für so etwas ist groß“, sagt Schmitz. Auch Waldbrände ließen sich mit solchen Messgeräten rasch aufspüren. Schließlich hat sich der Käfersensor genau zu diesem Zweck herangebildet. „und es ist immer am besten, man nimmt ein System für den Zweck, für den ihn die Evolution optimiert hat“, sagt der Insektenforscher.

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