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"Die Uni gehört allen." Studierende protestieren in Wiesbaden gegen anstehende Kürzungen bei den Hochschulen.

© dpa

Bologna-Konferenz: „Akademie“ für Lehre

Nationaler Bologna-Gipfel: Der Bund will die Betreuung an den Hochschulen dauerhaft fördern - doch in den Ländern werden weitere Sparpläne in der Bildung bekannt. So will Schleswig-Holstein Studienplätze streichen.

Der Bund will die Lehre an den Hochschulen dauerhaft über eine neue „Akademie“ fördern. Sie soll von einer Stiftung des Bundes getragen werden, aus der über zehn Jahre im Schnitt jährlich 200 Millionen Euro fließen. Das kündigte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Montag in Berlin bei der „Nationalen Bologna-Konferenz“ an. So wie Professoren für Forschungsprojekte Anträge bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) stellen, so sollen sie sich in Zukunft um Geld für Maßnahmen in der Lehre bewerben, sagte Schavan. „Wir wollen eine bessere Anerkennungskultur für die Lehre.“ Das Geld stehe für mehr Personal, etwa durch vorgezogene Berufungen, Einstellungen im Mittelbau oder Mentoren- und Tutorenprogramme, bereit. Außerdem könnten damit auch Weiterbildungsangebote für Dozenten finanziert werden. 90 Prozent der Mittel sollen vom Bund kommen, die jeweilige Hochschule oder deren Sitzland sollen zehn Prozent zuschießen. Damit komme der Bund dem Wunsch der Länder entgegen, nicht mit Initiativen „überrascht zu werden“, die ihre Haushalte belasten. Als Schavan den „Qualitätspakt“ vor einigen Wochen ankündigte, hatte sie noch einen größeren Zuschuss der Länder erwartet. Die jährlich über zwei Milliarden Euro, die über die DFG an die Hochschulen fließen, bringt der Bund zu 58 Prozent auf, den Rest teilen sich die Länder.

Schavan sagte, bei der neuen Akademie gehe es „um den Aufbau einer Autorität, die dauerhaft die Lehre fördert“. Konflikte mit der Verfassung, die dem Bund nur erlaubt „Vorhaben“ in der Lehre zu fördern, sieht Schavan nicht: „Die Akademie wird dem Geist des Grundgesetzes entsprechen.“ Die Ministerpräsidenten sollten bei ihrem Treffen mit der Bundeskanzlerin am 10. Juni bereits die Eckpunkte für die Akademie unterschreiben. Wie viel Geld in diesem Jahr aus der Stiftung bereitsteht, wollte Schavan nicht sagen.

Sie kündigte auch an, der Bund werde seine „Mobilitätsförderung“ bis zum Jahr 2015 um rund 90 Millionen Euro aufstocken. So sollen Kooperationen mit Hochschulen im Ausland, vierjährige Bachelorprogramme mit integrierten Auslandsaufenthalten und Sprachkurse gefördert werden. Schavan sprach sich dafür aus, die Qualitätssicherung den Hochschulen zu überlassen: „Die Akkreditierung kann nicht die Sache von Agenturen sein.“

Nach monatelangen Studierendenprotesten wollten Studierende, Wirtschaftsvertreter, Hochschullehrer und Politiker auf der „Nationalen Bologna-Konferenz“ über die Umsetzung des Bologna-Prozesses diskutieren. Allerdings verließen mehrere Aktivisten des „Bildungsstreiks“ die Veranstaltung unter Protest. Es sei über „echte Veränderungen“ nicht geredet worden, kritisierten etwa Ben Stotz und Stefanie Graf vom Studierendenverband die Linke.SDS. So sei Schavan nicht bereit gewesen, über die Abschaffung von Studiengebühren zu diskutieren und das Recht auf ein Masterstudium für alle zu unterstützen. Die von Schavan jetzt bereitgestellte Summe für die Lehre werde wegen der doppelten Abiturjahrgänge und des „enormen Personalmangels“ „unbemerkt versiegen“.

Wie Studierendenvertreter sprach der konservative Hochschulverband (DHV) von einer „Schavan-Show“. „Alle entscheidenden Fragen“ seien „vorsätzlich verschwiegen worden“ – etwa die nach der Arbeitsbelastung, dem „Workload“, der nicht als Maß für ein wissenschaftliches Studium tauge, oder nach der Beibehaltung des Diploms. DHV-Präsident Bernhard Kempen warf den Kultusministern vor, die Studentenproteste aussitzen zu wollen.

Der Qualitätspakt könne das Grundproblem der Unterfinanzierung der Hochschulen nicht lösen, sagte die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel. Aber er könne wichtige Impulse für die Verbesserung der Lehre geben. Von Bund, Ländern und Arbeitgebern forderte Wintermantel weitere Maßnahmen, um Qualität und Akzeptanz der neuen Studiengänge zu verbessern. So sollten die Länder Strukturvorgaben für den Bachelor streichen.

Das Deutsche Studentenwerk erklärte, Schavans Initiative sei richtig, Bachelor und Master dürften nicht im Sparstreit zwischen Bund und Ländern zerrieben werden, teilte Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde mit. Angesichts der Sparpläne einzelner Ministerpräsidenten brauchten Studierende und Hochschulen „einen prinzipientreuen, starken Bund“. Er fordert die Länder auf, es dem Bund gleichzutun und selbst dauerhaft mehr Geld für die Lehre beizusteuern.

Aus den Ländern werden unterdessen weitere Pläne bekannt, an Bildung und Forschung zu sparen. So erwägt das von einer schwarz-gelben Koalition regierte Schleswig-Holstein, das Universitätsklinikum des Landes zu verkaufen, das je einen Standort in Kiel und in Lübeck hat. Die Regierung hofft, so die anstehende Sanierung des gesamten Klinikums auf einen privaten Träger übertragen zu können. Von Kosten in Höhe von 700 Millionen bis einer Milliarde Euro ist die Rede. Dem Vernehmen nach sollen auch Studienplätze abgebaut werden. Lehrer sollen länger arbeiten, die Regierung will auch das beitragsfreie letzte Kita-Jahr abschaffen. In einigen Ländern steht das vereinbarte Ziel zur Disposition, die Etats der Forschungsorganisationen pro Jahr um fünf Prozent zu steigern.

Die CDU-Ministerpräsidenten sollen sich wie berichtet bereits abgesprochen haben, nach der Rasenmähermethode sparen zu wollen – und dabei auch die Bildung nicht zu verschonen. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Stefan Mappus aus Baden-Württemberg unterstützten öffentlich die Forderung von Roland Koch, bei Kitas, Schulen und Hochschulen zu sparen und auf den angestrebten Aufwuchs der Bildungsausgaben bis 2015 zu verzichten.

Aus der Unionsbundestagsfraktion kam indes erneut Widerstand gegen Koch. Fraktionschef Volker Kauder, der parlamentarische Geschäftsführer Peter Altmaier und CSU-Landesgruppenchef Hans Peter Friedrich schlossen Abstriche bei Bildung und Forschung aus. Altmaier sagte der „Süddeutschen Zeitung“, stattdessen müsse beim Bergbau, bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sowie bei der Verteidigung gespart werden.

Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, forderte einen „Rettungsschirm für Hochschulen“: „Wer bei Bildungsinvestitionen kürzen will, versündigt sich an jungen Generationen.“

Für den 9. Juni rufen Studierendenvertreter zu weiteren Protesten auf.

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