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Dampf abgelassen: Erderwärmung ist gebremst

Die Erderwärmung hat an Tempo verloren. Je nach Datensatz erscheint der Temperaturanstieg in den vergangenen Jahren stark verlangsamt oder gar gestoppt. Über die Ursache dafür wird heftig gestritten. Möglicherweise spielt der Wasserdampf in den hohen Atmosphärenschichten dabei eine wesentliche Rolle.

Das behaupten Susan Solomon von der US-Wetterbehörde NOAA in Boulder und ihre Kollegen in der Onlineausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“.

Der Wasserdampf trägt nämlich ebenfalls maßgeblich zum Treibhauseffekt bei. Wie die Forscher berichten, habe der Wassergehalt der Stratosphäre zwischen 1980 und 2000 zugenommen, ebenso die Durchschnittstemperaturen an der Erdoberfläche. Seit dem Jahrtausendwechsel jedoch sei dort der Wasserdampfgehalt um etwa zehn Prozent zurückgegangen, der Treibhauseffekt folglich schwächer geworden. Den Berechnungen zufolge hat dieser Verlust rund 25 Prozent der durch den Menschen verursachten Erderwärmung „ausgeglichen“.

Allerdings ist es gar nicht so einfach, die Wassermenge in der oberen Atmosphäre zu verändern. Denn zwischen dem „Troposphäre“ genannten Untergeschoss der Atmosphäre und der darüber liegende Stratosphäre befindet sich normalerweise eine Sperre, die Atmosphärenforscher „Tropopause“ nennen. Während sie am Äquator 18 Kilometer nach oben reicht, nimmt ihre Höhe zu den Polen hin ab auf nur noch acht Kilometer.

Kräftige Aufwinde in Gewittertürmen enden in der Regel knapp unter dieser Grenzschicht und der Luftstrom wird in die Waagerechte umgeleitet. Nur selten durchbrechen Wasserdampf und Wolken diese Grenze. Neben turbulenten Gewittern gibt es in der Atmosphäre aber auch sehr langsame Luftbewegungen, die nur wenige Höhenmeter pro Stunde schaffen. Vor allem über den Tropen kann dabei an einigen Stellen Wasserdampf effektiv durch die Tropopause bis in die Stratosphäre hinauf transportiert werden, sagt Markus Rex, der am Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung in Potsdam den Einfluss der Stratosphäre auf das Klima untersucht.

Der Wasserdampf hat eine besondere Eigenschaft. Er lässt zwar sichtbares Licht gut passieren, fängt aber langwellige Wärmestrahlen ab und wirft sie zurück. Aus diesem Grund isoliert eine Wolkendecke in der Nacht die Erdoberfläche vor Wärmeverlust. Fehlt dagegen in klaren Nächten die Luftfeuchtigkeit, strahlt die Wärme vom Boden ungehindert Richtung Weltraum und die Erdoberfläche kühlt empfindlich ab.

Als in den 1980er und 1990er Jahren der Wasserdampfgehalt in der Stratosphäre zunahm, wurde die isolierende Schicht dort dicker. So konnte die Erdoberfläche weniger Wärme abstrahlen, es wurde wärmer.

Der Klimawandel bringt jedoch immer mehr Schwung in die Schichten der Atmosphäre und verstärkt die Luftströmungen. So maßen Forscher in der Stratosphäre über der Arktis seit dem Jahr 2000 infolge mehrerer „Warmlufteinbrüche“ oftmals höhere Temperaturen als zuvor. Über eine Kettenreaktion wurde dabei jeweils vermehrt Luft aus wärmeren Regionen in den hohen Norden angesaugt. Die Folge: Im Herkunftsgebiet, der unteren Stratosphäre und der Tropopause über den Tropen wurde es kälter.

In diesen Luftschichten in 18 Kilometer Höhe herrschen sehr niedrige Temperaturen von minus 80 Grad Celsius. In dieser Kälte erstarrt ein großer Teil der Luftfeuchtigkeit zu winzigen Eiskristallen und rieselt als feinster Schnee wieder in die Tiefe. „Die Tropopause wirkt wie eine riesige Gefrierfalle“, sagt Rex.

Als die Temperaturen dort oben seit dem Jahr 2000 weiter abnahmen, wirkte die Gefrierfalle noch besser, der Schneefall in der Höhe verstärkte sich und durch die Tropopause über den Tropen gelangte weniger Wasserdampf in die Stratosphäre. Weniger Wasserdampf dort oben wiederum isoliert die darunter liegenden Schichten weniger gut, die Erde verliert mehr Wärme in den Weltraum, die globale Erwärmung wird gebremst. Die steigenden Konzentrationen der übrigen Treibhausgase jedoch wirken dem langfristig entgegen. Roland Knauer

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