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Suche nach Spuren des Massensterbens vor 252 Millionen Jahren im versteinerten Meeresboden einer einstigen Lagune.

© M.O. Clarkson

Das große Artensterben: Ein Säurebad raffte die Meerestiere dahin

Beim schlimmsten Massenaussterben der Erdgeschichte spielte die Versauerung eine wichtige Rolle. Das zeigen Untersuchungen einer versteinerten Lagune.

Zuerst traf es die Korallen, sie zerbröselten einfach. Bald darauf verschwanden fast alle Fische, Weichtiere und andere Meeresorganismen. Weltweit. Bei dem schlimmsten Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren wurden in zwei aufeinander folgenden Schüben rund 90 Prozent aller Arten in den Meeren dahingerafft. Auch an Land wurde die Tierwelt massiv dezimiert. Was war geschehen? Und: Könnte sich so etwas in der Zukunft wiederholen?

Das Artensterben begann mit sibirischer Lava

Seit einiger Zeit haben Forscher einen dringenden Tatverdacht: Gigantische Lavaströme im heutigen Sibirien hätten die Grundlage für dieses Massenaussterben gelegt. Diese Basaltdecken umfassen eine Fläche von zwei Millionen Quadratkilometern, das entspricht fast der Hälfte der Fläche der Europäischen Union. Mit der Lava gelangten riesige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in die Luft. Allein aber reichen sie nicht aus, um die damalige Erwärmung von rund 15 Grad innerhalb von einer Million Jahren zu erklären. Zusätzlich scheint die Lava auch Kohle-, Erdöl-, Gas- oder Torflager entzündet zu haben, die dann weiteres CO2 lieferten. Daraus folgte ein tödliches Trio aus Erderwärmung, Sauerstoffverlust und Versauerung der Ozeane – die Katastrophe nahm ihren Lauf.

Einen aus diesem Trio haben Matthew Clarkson von der Otago-Universität im neuseeländischen Dunedin und Kollegen jetzt überführt. Wie sie im Fachmagazin „Science“ berichten, haben sie die Ozeanversauerung an Kalksteinen in den Vereinigten Arabischen Emiraten nachgewiesen, die vor 252 Millionen Jahren den Boden einer flachen Lagune bildeten. Sie nutzten dafür unterschiedlich schwere Arten von Bor-Atomen (Isotope). Wird das Wasser saurer, wird in den Kalkskeletten der Korallen bevorzugt das leichtere Isotop Bor-10 eingebaut und weniger das schwerere Bor-11. So rekonstruierten die Forscher den damaligen Säuregrad des Wassers in der Lagune.

Zuerst sank der Sauerstoffgehalt im Meer

Auffallend ist, dass sie nur einen Schub des Massenaussterbens nachweisen konnten: den zweiten. Für die ältere Phase fanden sie keine Hinweise auf eine Versauerung. „Dieses Ergebnis überrascht mich“, sagt der Korallenexperte Wolfgang Kießling von der Universität Erlangen, der an der Studie nicht beteiligt ist. Schließlich fielen dem ersten Schub gerade die Tiergruppen zum Opfer, die dicke Skelette aus Kalk bilden – und damit besonders sensibel für eine Versauerung sind.

Doch Hinweise darauf fand Clarksons Team in den Kalksteinen nicht. Die Forscher vermuten daher, dass damals der Kohlendioxidgehalt der Luft nicht schlagartig, sondern relativ langsam anstieg und das Meerwasser die zusätzliche Säure chemisch „puffern“ konnte. Damit konnte die Versauerung vorerst abgewendet werden. Gleichzeitig beförderte das Kohlendioxid in der Luft ein wärmeres Klima. „Im wärmeren Wasser löst sich deutlich weniger Sauerstoff“, sagt Kießling. „Dadurch können die Tiere im Meer in Schwierigkeiten geraten, denn ohne Sauerstoff können sie nicht leben.“ Da Korallen ebenfalls kleine Tiere sind, könnte der geringere Sauerstoffgehalt also den ersten Schub des Massensterbens ausgelöst haben.

Versauerung ist erst für das zweite Aussterben verantwortlich

Noch aber will Kießling die Versauerung der Meere bei diesem ersten Akt des Massenaussterbens nicht zu den Akten legen. „Die Autoren der Studie haben unter Umständen den kurzen Zeitraum mit niedrigerem pH-Wert mit ihren Proben verpasst“, überlegt er. Schließlich können die Forscher nur in einigen der abgelagerten Schichten über die Bor-Isotope den Säurewert ermitteln. In anderen Gesteinsschichten funktioniere die Methode dagegen kaum.

Anders verhält es sich mit den Kalksteinen, die rund 100 000 Jahre jünger sind. Dort fanden Clarkson und Kollegen tatsächlich Hinweise auf eine rasche Versauerung der Ozeane. Auf diese Zeit datieren Paläontologen auch den zweiten Schub des Massensterbens, dem 70 Prozent der noch in den Meeren lebenden Arten zum Opfer fielen. Zum ersten Mal haben die Forscher damit eine Versauerung der Ozeane während eines Massensterbens nachgewiesen. Sie werfen damit ein Schlaglicht auf den aktuellen Klimawandel, der die Meere ebenfalls sauerer macht – wenn auch bisher noch nicht in einem so katastrophalen Ausmaß wie vor 252 Millionen Jahren.

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