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Bunte Mischung. In den kommenden Jahren will die EU den Anteil der Erasmus-Studierenden verdoppeln. An deutschen Unis bleiben derzeit oft Plätze frei. Im Bild Studierende beim „International Day“ an der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder).

© picture alliance / dpa

Das neue Erasmus-Plus-Programm: So kommen Studierende am besten ins Ausland

Mehr Länder machen mit, höhere Fördersätze werden ausgezahlt, längere Aufenthalte ermöglicht: Was das neue Erasmus-Plus-Programm Studierenden bringt. Bisher bleiben an vielen Unis Plätze frei.

Nach der Vorlesung mit dem Fahrrad zum Hafen radeln und die Segelschiffe bestaunen – das wird Laura Liegener (23) an Kopenhagen vermissen, wenn sie im Oktober zurück in Berlin ist. Sie hat die vergangenen Monate mit dem „Erasmus“-Programm in Dänemark verbracht und ist damit eine von über drei Millionen Studierenden, die einen Uniaustausch in Europa absolviert haben, seitdem Erasmus 1987 gestartet wurde. Auch Anne R. (21), wie Laura Liegener Medienwissenschaftsstudentin an der Uni Potsdam, hat sich für zwei Semester in Kopenhagen entschieden, Anfang September begann ihr Studium. Der Unterschied zwischen den beiden Studentinnen: Rethfeldt gehört zu den Ersten, die mit dem neuen Programm „Erasmus Plus“ unterwegs sind. Das hat die EU Anfang des Jahres eingeführt. Damit will sie bis 2020 vier Millionen Menschen zu einem Auslandsaufenthalt motivieren. Was ändert sich dadurch für Studierende? Ein Überblick.

Wer Erasmus macht

In Deutschland stieg die absolute Zahl derjenigen, die mit Erasmus ein Praktikum oder Studium im Ausland aufnahmen, seit 2008 um ein Viertel auf fast 35 000 – auf den ersten Blick ein Rekordwert. Allerdings stieg auch die Gesamtzahl an Studierenden in Deutschland in den letzten Jahren stark. Der Anteil der Studierenden, die Erasmus nutzen, stagniert dementsprechend seit Jahren. Bei der Beteiligung liegen die Deutschen insgesamt im Mittelfeld.

Europaweit gehen derzeit zehn Prozent aller Studierenden ins Ausland, die Hälfte davon mit Erasmus. Diese Werte sollen bis 2020 verdoppelt werden. Dass die Quoten in Deutschland stagnieren, sei allerdings kein Zeichen für Auslandsverdrossenheit, sagt Hanns Sylvester, der Leiter der Nationalen Agentur des DAAD, die Erasmus in Deutschland organisiert. „Viele deutsche Studierende ziehen das außereuropäische Ausland vor und nutzen andere Programme“, erklärt er. Mit den neuen Vorteilen durch Erasmus Plus könnte die Popularität des Programms aber wieder zunehmen.

Die Chancen auf einen Platz sind gut

Die Chancen auf einen Erasmus-Platz sind oft gut: „Jeder zweite Platz bleibt bei uns leer“, sagt etwa Dieter Buchmann, Erasmus-Koordinator der Humboldt-Universität. An der HU gibt es jedes Jahr etwa 1500 Austauschplätze, davon sind dieses Jahr 700 besetzt. Bei der Freien Universität kommen 620 Ausreisende auf 1900 Plätze. Auf einige beliebte Ziel-Unis in Metropolen wie Barcelona. Paris, London oder auch Sevilla gebe es einen großen Andrang, erklärt Buchmann. Andere Kontingente würden dagegen nie ganz ausgeschöpft. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte bei der Bewerbung also mehrere Ziel-Unis als Optionen angeben. „Mit befriedigenden Studienleistungen und Sprachkenntnissen bekommt man dann zu 99,9 Prozent einen Platz“, sagt Buchmann.

Um im Wintersemester 2015 oder im Sommersemester 2016 auszureisen, sollte man sich ab Oktober informieren, mit welchen Hochschulen der eigene Fachbereich kooperiert. Im Winter müssen dann Motivationsschreiben, Kopien erbrachter Studienleistungen, Lebenslauf und Sprachzeugnisse eingereicht werden. Die Frist dafür endet bei einigen Unis im Dezember, bei anderen im Februar. Nach Ablauf dieser Frist gibt es noch eine zweite Chance. An der FU werden bis Ende März noch Restplätze verteilt, an der HU in seltenen Fällen bis Juli. „Interessierte sollten sich trotzdem so früh wie möglich melden“, bittet Buchmann die Bewerber. Die Chance auf den Wunschplatz steige so erheblich.

Beim Anrechnen der Leistungen gibt es Probleme

Etwa drei Viertel aller Rückkehrer können sich laut einer DAAD-Studie alle ihre im Ausland erbrachten Leistungen anrechnen lassen. Allerdings tun sich einige Prüfungsämter immer noch schwer damit, im Ausland abgelegte Prüfungen oder Hausarbeiten mit der gleichen Zahl an ECTS-Leistungspunkten zu vergüten wie in Deutschland – vor allem, wenn diese kürzer oder vermeintlich einfacher waren. Drei Prozent der Rückkehrer bekamen 2010 sogar gar nichts angerechnet. „Studierende sollten im Zweifelsfall ihre Dozenten im Ausland darum bitten, längere Hausarbeiten schreiben zu dürfen“, empfiehlt Buchmann. Um die Anrechnung zu garantieren, müssen Studierende vor ihrer Ausreise eine sogenannte „Lernvereinbarung“ unterschreiben. Diese wird nun noch genauer: Sie schreibt jetzt im Detail fest, welche Kurse im Ausland für welche Module an der Heimatuni angerechnet werden sollen.

Unter Erasmus Plus hat die Europäische Union alle ihre Bildungsprogramme zu allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport zusammengefasst, um sie überschaubarer und leichter nutzbar zu machen. Möglich gemacht werden nun zum Beispiel auch Jugendfreizeiten, Freiwilligendienste und Aus- und Weiterbildungen im Ausland. Für das alles gibt es 40 Prozent mehr Geld, bis 2020 fast 15 Milliarden Euro. Davon geht mindestens ein Drittel an den Hochschulbereich als größten Posten. Die Reform bringt Studierenden neue Vorteile: Ab dem Studienjahr 2015/16 sollen Studierende auch in außereuropäischen Partnerländern an die Unis gehen können, zum Beispiel in China. Sie dürfen Erasmus Plus nun pro Studienzyklus ein volles Jahr nutzen, also ein Jahr im Bachelor, ein Jahr im Master und eines während der Promotion. Vorher war der Anspruch auf Förderung nach einem Jahr für immer erloschen.

Studierende erhalten mehr Geld

Viele Studierende bekommen nun auch mehr Geld. Anne Rethfeldt wird von der Uni Potsdam für ihren Kopenhagen-Aufenthalt eine Beihilfe von monatlich 310 Euro erhalten, die „Mobilitätsrate“ für Mehrkosten im Ausland. Laura Liegener bekommt dagegen nur 130 Euro pro Monat, weil sie noch mit dem alten Erasmus-Programm unterwegs ist. Die Uni Potsdam konnte die Sätze pro Person erhöhen, weil sie wie alle Unis mehr Geld zur Verfügung hat, in Potsdam sind es etwa zehn Prozent mehr.

Ob die Sätze an der eigenen Hochschule tatsächlich steigen, hängt aber von den Bewerberzahlen ab. Ein Beispiel ist die Humboldt-Universität. „Wir fördern dieses Jahr mehr Studierende als vorher. Dadurch können wir pro Person aber nur die vorgeschriebenen Mindestsätze zahlen“, sagt Dieter Buchmann. Die zusätzlichen Mittel für die Unis kommen also nur dann vollständig bei den einzelnen Studierenden an, wenn es nicht so viele Bewerber gibt.

Mindestsatz für jedes Land

Jedes Land ist nun außerdem einer von drei Gruppen zugeteilt, für die neue Mindest- und Höchstsätze gelten. Eine Erasmus-Studentin in Ungarn oder Estland bekommt nun monatlich 150 bis 400 Euro, in Deutschland oder Österreich 200 bis 450 Euro und in Dänemark oder Liechtenstein 250 bis 500 Euro. „Finanzielle Gewinner der Reform sind Studierende, die nach Skandinavien gehen, Verlierer die, die nach Osteuropa gehen“, sagt Dieter Buchmann. Vorher konnten die Unis ihren Erasmus-Studierenden Monatsraten zwischen 100 und 300 Euro auszahlen, nach eigenen Kriterien. Die HU zahlte allen gleich viel, meist einen Betrag um die 190 Euro. Jetzt müssen die Unis zwischen den drei Gruppen eine Differenz von je 50 Euro einhalten. Die Studierenden in Osteuropa bekommen so meist weniger als vorher, alle anderen mehr. „Das ist sinnvoll, weil die Lebenshaltungskosten in Bulgarien günstiger sind als in Schweden“, sagt Buchmann. Einige Unis klagen aber über zu viel Bürokratie durch die Reform.

Zusätzliche Förderung ist möglich

Erasmus-Studierende sollten auch Auslands-Bafög beantragen – mindestens sechs Monate vor ihrer Abreise. Selbst wenn man kein Inlands-Bafög erhält, wird diese Unterstützung oft gewährt. Die Sätze sind höher als im Inland: Anne Rethfeldt erhält für Dänemark zum Beispiel 450 statt wie in Deutschland 300 Euro. Informationen gibt es unter www.auslandsbafoeg.de. Teilnehmer mit besonderen Bedürfnissen wie Studierende mit Behinderung oder alleinerziehende Mütter und Väter können bei ihrer Uni außerdem eine besondere Förderung für ihren Auslandsaufenthalt beantragen. Darüber hinaus bieten der DAAD und verschiedene Begabtenförderungswerke zusätzliche Stipendien für den Erasmus-Aufenthalt an. Eine Übersicht bietet hier die Webseite www.stipendienlotse.de.

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