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Der feine Unterschied zum Affen: Genschalter lässt Hirn sprießen

Warum wir mehr Hirn als Schimpansen haben

Das Erbgut von Mensch und Schimpanse ist längst entziffert. Aber noch immer bleibt rätselhaft, auf welche genetischen Unterschiede die höhere Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns zurückzuführen ist. Denn die Gene beider Primaten sind fast identisch. Die Unterschiede müssen also in jenen Teilen des Genoms liegen, die das An- und Ausschalten von Genen kontrollieren. Einen solchen DNS-Abschnitt haben amerikanische Biologen jetzt entdeckt.

Verstärker im Erbgut

Der Enhancer HARE5 hat sich während der Evolution des Menschen stark verändert, wirkt als Genschalter und stimuliert die Entwicklung des Großhirns. Er bewirkt bei genetisch veränderten Mäusen eine um zwölf Prozent größere Großhirnrinde als der entsprechende Enhancer aus Schimpansen. Das verstärkte Hirnwachstum beruht auf einer beschleunigten Vermehrung und Weiterentwicklung von neuronalen Stammzellen des Embryos, berichten die Forscher im Fachblatt „Current Biology”.

„Was wir gefunden haben, ist ein Teil – wahrscheinlich nur ein kleiner Teil – der genetischen Grundlage, die erklärt, warum wir ein größeres Gehirn haben“, sagt Gregory Wray von der Duke-Universität in Durham. Das Forscherteam suchte nach Unterschieden im Erbgut von Mensch und Schimpanse, die eine Erklärung für die Komplexität des menschlichen Gehirns liefern könnten. Dabei konzentrierten sich die Biologen auf Enhancer, die hauptsächlich in der Frühphase der Hirnentwicklung vor der Geburt aktiv sind. Von 106 derartigen DNS-Abschnitten wählten sie sechs aus, die in der Nähe von Genen lagen, welche beim Hirnwachstum des Embryos eine Rolle spielen.

16 unterschiedliche DNS-Bausteine lassen mehr Hirn wachsen

Einer dieser Enhancer (HARE5) erwies sich als besonders interessant: Die menschliche DNS-Sequenz unterschied sich von der des Schimpansen in 16 Bausteinen. Bei den mit dem Menschen weniger eng verwandten Primaten Gorilla und Orang-Utan war die Ähnlichkeit weit geringer. Auf demselben Erbgutstrang, etwa 300 000 Bausteine von HARE5 entfernt, liegt das Gen FZD8. Die DNS ist aber so gewunden, dass beide Bereiche direkten Kontakt haben. Ist der Enhancer aktiv, wird das Gen FZD8 eingeschaltet, was eine ganze Folge von biochemischen Reaktionen auslöst. Diese regen Zellteilungen von Stammzellen an, aus denen Vorläuferzellen entstehen, die sich zu Neuronen der Großhirnrinde weiterentwickeln. Beim Menschen ist diese Stimulation offenbar wesentlich stärker als beim Schimpansen. Das schließen die Forscher aus ihren Experimenten mit transgenen Mäusen.

Im nächsten Schritt wollen sie die Bedeutung weiterer Enhancer untersuchen, die bei Mensch und Schimpanse unterschiedlich sind. Denn der jetzt nachgewiesene genetische Unterschied ist sicherlich nur einer von vielen, der den Menschen zum Menschen macht. (wsa)

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