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Wissen: Der Publizist des Kalten Krieges

Die Universität München widmet Melvin J. Lasky ein Forschungszentrum

In den entscheidenden Berliner Nachkriegsjahren begriff er wie kaum ein anderer die Bedeutung der Situation. Zwar hat Melvin J. Lasky nicht – wie Walter Ulbricht gesagt haben soll – den „Kalten Krieg erfunden“. Aber der junge amerikanische Publizist hat mit seiner Existenz klar gemacht, was der Kalte Krieg war: ein großes Ringen um die Herzen und Geister der Menschen.

Lasky schuf das Organ, das dieses Ringen in allen seinen die Dimensionen widerspiegelte und ausfocht: die 1948 gegründete Zeitschrift „Der Monat“, vielleicht das wichtigste politisch-kulturelle Forum der Zeit. In ihren Spalten wurde der Konflikt intellektuell zugespitzt und das Tor zum Westen für die Deutschen aufgestoßen. Der „Kongress für kulturelle Freiheit“, dessen Generalsekretär Lasky war, setzte 1952 dafür ein weit sichtbares Signal. Das Ausbrechen des Korea-Krieges während der Tagung zeigte, was die Stunde geschlagen hatte.

Jetzt gibt es einen Ort, der die Erinnerung an diesen streitbaren und wirkungskräftigen Mann bewahrt. Nicht in Berlin, wo er hingehört hätte, sondern in München. Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und das Amerika-Haus eröffneten vor wenigen Tagen das Lasky Center for Transatlantic Studies. Sein Fundament ist der Nachlass des 2004 in Berlin verstorbenen Publizisten, seine 10 000 Bände umfassende Bibliothek und der Niederschlag eines rastlosen intellektuellen Lebens: Briefwechsel mit allen Zelebritäten seiner Zeit, die Tagebücher, dazu Notate und eine unendliche Fülle von Zeitungsausschnitten. Eine „Zeitmaschine“, die in die Nachkriegswelt zurückführe, nannte das Christof Mauch, Professor für amerikanische Kulturgeschichte in München, der Leiter des Zentrums.

Finanziert wird das Zentrum mit Mitteln der Exzellenzinitiative der LMU. Präsident Bernd Huber und Michael Naumann, Chefredakteur von „Cicero“ und einstiger Staatsminister für Kultur, bezeugten die Wirkung Laskys als Anreger und Networker, als provozierender und faszinierender Teilnehmer an den Debatten seiner Zeit und ungemein belesener Homme de lettre. Naumann hatte in den 70er Jahren versucht, den „Monat“ wiederzubeleben.

Weshalb aber befindet sich das Zentrum nicht in Berlin, wo Laskys Stern als Figur der Zeitgeschichte aufging und wohin er – nach den Jahren als „Encounter“-Herausgeber in London – für den Rest seines Lebens zurückkehrte? War er, der in seinen späteren Jahren tatsächlich ziemlich konservativ war, zu entschieden nicht-links? Hat Berlin, das ihm immerhin seinen Landesorden verlieh, nicht gemerkt, was ihm da verloren ging?

Das Münchner Zentrum wurde mit einer Ausstellung eröffnet. Unter dem Titel „Cold War Politics. Melvin J. Lasky: New York-Berlin-London“ bietet sie das vorzügliche Beispiel der zeithistorisch-biographischen Vergegenwärtigung von Leben und Zeit. Hier ist es wirklich einmal gelungen, aus Fotos, Zitaten und den Utensilien eines Lebens das Bild eines Mannes und seiner Epoche herzustellen. Zumindest die Ausstellung sollte nach Berlin geholt werden. Das ist die Stadt dem Andenken dieses Mannes schuldig, der in der schwierigsten Phase ihrer Geschichte in ihr wirkte. Hermann Rudolph

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