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Wissen: Der Speiseplan der Waschbären

Forscher untersuchen im Müritz-Nationalpark, wovon sich die Kleinbären ernähren. Im Grunde fressen sie alles.

Waschbären hören buchstäblich das Gras wachsen. Ihre Ohren sind so gut, dass sie sogar mitbekommen, wenn ein Regenwurm unter der Erde seine Gänge gräbt. Einmal aufgehorcht, kommt der außerordentlich gute Tastsinn der Kleinbären zum Einsatz, und sie graben, bis sie den Leckerbissen zu fassen bekommen. Was so aussieht, als würde der Waschbär seine Beute abspülen, ist in Wirklichkeit ein Absuchen des schlammigen Bodens nach Würmern, Schnecken oder Insekten. Da die Säugetiere nicht besonders gut sehen können, wenden sie ihre Beute zwischen den Pfoten, bevor sie sie ins Maul stecken.

Weil die Waschbären auch Eier und Jungvögel fressen, haben einige Naturschützer Sorge, dass die ursprünglich aus Amerika stammenden Allesfresser heimische Vogelarten gefährden könnten. Was nur wenige wissen: „Inzwischen werden Waschbären in Deutschland zu den heimischen Tieren gezählt“, sagt Berit Annika Köhnemann, 26, Biologiestudentin an der Uni Hamburg. Sie erforscht für ihre Diplomarbeit mit Frank-Uwe Michler von der Gesellschaft für Wildökologie und Naturschutz in Carpin bei Neustrelitz, was die Waschbären im Müritz-Nationalpark fressen.

„Wir haben die Exkremente der Tiere auf Nahrungsreste untersucht und festgestellt, dass sie sich in erster Linie von Pflanzen, Insekten und Würmern ernähren“, sagt Köhnemann. „Zwar fressen sie auch vereinzelt Vogeleier, aber Waschbären sind keine Räuber und räumen nicht gezielt Nester aus“, sagt sie. Anhand der untersuchten Kotproben bestätigte sich auch, dass Waschbären ihren Speiseplan der Jahreszeit und dem Nahrungsangebot anpassen. „Letzten Herbst haben sie fast nur kalorienhaltige Eicheln gefressen, um sich Winterspeck anzulegen“, sagt die angehende Biologin. „Denn Eicheln gab es im Überfluss.“ Und im Frühling wimmelte es im Müritz-Nationalpark von Amphibien – vor allem Frösche gab es zuhauf. „Die Waschbären brauchten sich nur ans Wasser zu setzen und sie herauszuschaufeln“, erzählt die Diplomandin.

Sichere Forschungsergebnisse zur Ernährung der Waschbären werden die Wissenschaftler aber erst zum Ende der Feldstudien liefern können, die noch bis 2009 laufen. „Quantitative Auswertungen haben wir noch nicht gemacht“, sagt der Biologe Uwe Michler. Dazu müssen zuerst alle Kotproben untersucht werden. „Erst wenn wir diese Daten haben, können wir Genaues dazu sagen, wie häufig Vogeleier von Waschbären gefressen werden.“

Selbst wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass die Waschbären die Vögel an der Müritz zu stark zurückdrängen, wäre es schwierig, sie aus dem Nationalpark wieder zu vertreiben. Denn durch die Jagd lassen sich die anpassungsfähigen Tiere kaum dezimieren. Ein Vergleich früherer Studien legt sogar die Vermutung nahe, dass sich die Waschbären schneller vermehren, wenn sie stark bejagt werden. Denn die Studien haben gezeigt, dass in Jahren, in denen viele Artgenossen getötet wurden, auch diejenigen Weibchen Nachwuchs bekamen, die gerade erst geschlechtsreif geworden waren. Normalerweise warten so junge Fähen noch ein Jahr, bis sie trächtig werden. „Wie die Tiere steuern können, dass sie schon im Folgejahr trächtig werden, wissen wir bisher nicht“, sagt Berit Köhnemann. Allerdings ist dieses Phänomen der Anpassung auch von anderen Tierarten bekannt.

Wie viele Waschbären im Müritz-Nationalpark leben, wissen auch die Biologen nicht – denn die Tiere lassen sich nur schwer zählen. Waschbären schlafen tagsüber in Baum- und Erdhöhlen und gehen in der Dämmerung und nachts auf Nahrungssuche. Um die Wanderungen der Tiere verfolgen zu können, haben die Biologen elf Waschbären mit Peilsendern ausgestattet. Zudem haben sie 20 Fallen auf dem etwa 300 Hektar großen Areal verteilt, die sie regelmäßig mit Ködern versehen. Die gefangenen Waschbären werden gemessen, gewogen und markiert – so bekommen die Forscher einen Überblick über die Population. „Auf jeden Fall sind die Waschbären nicht vom Aussterben bedroht“, sagt Köhnemann. Einen Anhaltspunkt könnte die Anzahl der gejagten Waschbären geben, die jedes Jahr vom deutschen Jagdverband veröffentlicht wird. Im Jahr 2006 wurden deutschlandweit mehr als 30 000 Waschbären gefangen oder geschossen. Sie dürfen das ganze Jahr außerhalb der Schonzeiten gejagt werden. Allerdings gelten in den Bundesländern unterschiedliche Schonzeiten. „In manchen Regionen sind diese Zeiten wahrscheinlich zu kurz“, sagt Michler. Denn Beobachtungen lassen vermuten, dass der Waschbärennachwuchs relativ lange in der Höhle bleibt und von der Mutter abhängig ist. „Erst wenn wir genaue Daten dazu haben, wie lange die Tiere zur Aufzucht brauchen, können wir auch Empfehlungen für eine sinnvolle Schonzeit geben“, sagt der Diplombiologe. Wenn die Waschbären bereits gejagt werden dürfen, solange die Jungen noch in der Höhle sind, besteht die Gefahr, dass die Mütter getötet werden und die Jungtiere verhungern.

Dagny Lüdemann

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