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Vor allem deutsche Ingenieursstudiengänge sind gefragt. Im Bild Studierende der German University Oman.

© GUtech

Deutsche Universitäten: Den Wissenshunger stillen

Deutsche Universitäten expandieren stärker ins Ausland – die Gastländer sehen das mit gemischten Gefühlen.

Es ist ein Prestigeprojekt, das Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan persönlich unterstützen: Die deutsch-türkische Universität in Istanbul. 20 000 junge Türken sollen hier einmal lernen, nach deutschen Lehrplänen, die Universität soll eine Brücke zwischen Orient und Okzident schlagen. Eigentlich sollte sie längst ihren Betrieb aufgenommen haben, doch noch geht es nur schleppend voran. Mitte Oktober wird Bundespräsident Christian Wulff den Grundstein für die Hochschule legen. Bis dahin soll auch ein türkischer Gründungsrektor gewählt worden sein. Der reguläre Unterricht wird erst im Herbst 2011 starten.

Der mühsame Aufbau steht sinnbildlich für die Anstrengungen deutscher Wissenschaftseinrichtungen, ins Ausland zu expandieren. Deutschland hinke dabei noch immer hinterher, wie Christian Bode, scheidender Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (siehe Kasten), jüngst auf einer Tagung in Berlin sagte. Im Gegensatz zu Universitäten anderer Länder seien deutsche Hochschulen erst spät in den Bildungsexport eingestiegen. Doch in den nächsten Jahren wollen die Deutschen aufholen. „Wir sind stark im Kommen“, sagt Bode.

16 000 Studierende sind derzeit weltweit in Auslandsprogramme deutscher Hochschulen eingeschrieben. An die Niederlassungen britischer, amerikanischer und australischer Universitäten kommen nach DAAD-Angaben immerhin bereits 250 000 Studierende. Der Markt wächst schnell. So hat die staatliche australische Monash-Universität aus Melbourne in den letzten zehn Jahren einen Campus in Malaysia, Südafrika und Italien aufgebaut, wo inzwischen jeweils mehrere Tausende Studierende eingeschrieben sind.

Angelsächsische Unis wie Monash hoffen, mit ihren Zweigstellen viel Geld aus Studiengebühren einzunehmen. Zahlreiche Länder werben zudem intensiv um ausländische Bildungsträger. Im Mittleren Osten investieren Scheichtümer Milliarden, um ausländische Uni-Filialen anzulocken. Die Scheichs wollen sich so aus ihrer Abhängigkeit vom Öl befreien und den Transformationsprozess der arabischen Länder zu Wissensgesellschaften beschleunigen. Auch die bevölkerungsreichen Länder Asiens bauen ihre Bildungssysteme aus. Indien hat erst vor kurzem ein Gesetz beschlossen, das den Zugang von Hochschulen aus dem Ausland auf den Subkontinent regeln und erleichtern soll. Ohne fremde Hilfe wäre es unmöglich, genug Studienplätze für Millionen junger Inder anzubieten, argumentiert die Regierung.

Vor knapp zehn Jahren begann der DAAD, den Bildungsexport zu fördern. Seitdem sind deutsche Hochschulen mit gut 60 Projekten ins Ausland gegangen. Anders als die Australier von der Monash-Universität bieten die Deutschen vor allem einzelne Studiengänge an. Die Humboldt-Universität etwa einen Masterstudiengang der Sozialwissenschaften an der Uni Ankara, die Technische Fachhochschule Wildau einen Bachelor im Wirtschaftsingenieurwesen an der Engecon-Universität St. Petersburg.

Der DAAD fördere bewusst auch kleinere Projekte und versuche immer, Gastländer als Partner in die Planungen einzubeziehen, sagt Bode. Man wolle so Vorwürfen vorbeugen, „eine neue Form des Imperialismus“ zu betreiben, wie es angelsächsische Unis öfter zu hören bekämen. Tatsächlich stoßen die Aktivitäten ausländischer Unis in den betreffenden Ländern nicht immer auf Gegenliebe. In Indien kritisierte die Opposition, fremde Hochschulen würden das indische Bildungssystem zu sehr „verwestlichen“. In Indien schafften es ohnehin nur die Kinder der Eliten an die Uni, die Ansiedlung teurer Auslandsunis verstärke das noch.

Gleichwohl setzen auch die Deutschen auf größere Campus-Unis. An der deutsch-türkischen Universität sollen fünf Fakultäten entstehen, maßgeblich beteiligt sind aus Berlin die Freie und die Technische Universität sowie die Uni Potsdam. Der Mittlere Osten und Asien stehen im Zentrum der Auslandsaktivitäten. So hat die größte deutsche Auslandsuni ihren Sitz in Kairo: Die German University in Cairo (GUC), die von den Universitäten Stuttgart und Ulm getragen wird. Schon heute sind 8000 Studierende eingeschrieben, die meisten in Natur- und Technikwissenschaften.

Anders als an den Filialen englischer oder amerikanischer Unis in Ägypten könnten die Studierenden an der GUC auch promovieren, was die Attraktivität gegenüber der Konkurrenz erhöhe, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Ashraf Mansour. Wie wichtig gerade Ägypten seit langem für die deutsche Wissenschaft ist, zeigt sich an einem Jubiläum, das in dieser Woche mit einem Festakt in Berlin gefeiert wird: Der DAAD begeht den 50. Geburtstag seiner Außenstelle in Kairo.

In Oman baut die RWTH Aachen seit 2007 die German University of Technology auf und bietet dort bisher fünf Bachelorstudiengänge. Das größte Projekt einer Fachhochschule betreibt Magdeburg-Stendal mit der German Jordanian University in Amman, wo bis zu 5000 Studierende unterrichtet werden sollen. In Asien beauftragte Vietnam ein deutsches Unikonsortium, eine von vier geplanten Modellhochschulen im Land einzurichten. Die Vietnamesen wollen dort Forschung und Lehre mehr verzahnen als an den Hochschulen des Landes üblich. Bis 2030 sollen 12 000 Studienplätze in den Technik- und Naturwissenschaften aufgebaut werden.

Können deutsche Unis etwas bieten, womit sie die Konkurrenz überflügeln? Gebühren nehmen auch die Deutschen: Im Kairo zahlen die meisten Studierenden 4350 Euro pro Semester. Damit liege der deutsche Anbieter aber unter den üblichen Sätzen, da man anders als die Konkurrenz keinen Gewinn machen wolle, sagt Ashraf Mansour. Die Deutschen versprechen sich, über ihre Auslandsfilialen Talente früh zu entdecken und zu binden.

Deutschland profitierte in den Ingenieurwissenschaften vom guten Ruf seiner Industrie, sagt Andreas Geiger, Rektor der Hochschule Magdeburg-Stendal: „Das Label deutsch zieht.“ In Amman beobachte seine Hochschule, dass viele Väter der Studenten in Deutschland ausgebildet wurden und nun eine deutsche Ausbildung für ihre Kinder wünschten. Die Sprache Deutsch dagegen zieht nur bedingt als Werbefaktor. Zwar können Studierende fast überall Deutsch lernen, der Unterricht findet jedoch meist auf Englisch statt.

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