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Wissen: Die Rückkehr der Auerochsen

Wie Rinderzüchter die Merkmale ausgestorbener Rassen wiederbeleben

Rinder gehören zu den wichtigsten Tieren in der Lebensmittelproduktion. Auf der Grünen Woche in Berlin sind noch bis Ende Januar die verschiedensten Züchtungen zu sehen - ob zur Fleisch- oder Milchproduktion. Doch all diese unterschiedlichen Rinder und Kühe, ob schwarz, weiß oder braun, haben eines gemeinsam: Sie stammen wie alle Hausrinder von den ursprünglich in Europa und Asien heimischen Auerochsen ab, die in lichten Wäldern und Flussauen lebten, bis sie aufgrund von Rodungen und der Bejagung ausstarben. Das letzte Exemplar in Freiheit wurde 1627 von Wilderern erlegt.

Doch seit geraumer Zeit gibt es wieder Rinder in Deutschland, die den Auerochsen erstaunlich ähnlich sehen. In Leipzig an der Teststrecke des Porsche-Werks steht zum Beispiel eine solche Herde. Doch wo kommen diese Tiere her? Hat da jemand - wie in Steven Spielbergs Dinosaurier-Film "Jurassic Park" - alte Zellen gefunden, vielleicht in Bernstein konserviert und daraus die ausgestorbenen Tiere geklont? "Theoretisch geht das, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es unverletzte Zellen gibt, ist sehr gering", sagt die Biologin Margret Bunzel-Drüke von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (Abu), die auch Rinder züchtet. Die "neuen Auerochsen" sind also keine Klone aus altem Erbgut, sondern Rückzüchtungen. Sie entstehen dadurch, dass man Tiere kreuzt, die noch viele Merkmale der Auerochsen zeigen. Von den Nachkommen kreuzt man wieder nur diejenigen, die am stärksten nach Auerochse aussehen. Die Brüder Heinz und Lutz Heck, Zoodirektoren in München und Berlin, fingen damit schon in den 1930er Jahren an. Bis sie Tiere hatten, die den Auerochsen sehr ähnlich sahen. Zu diesen "Heck"-Rindern gehören auch die Tiere in Leipzig.

Aber lässt sich durch solche Verfahren das Artensterben verhindern? Immerhin hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in ihrem "Weltbericht über die Vielfalt bei Nutztierrassen" darauf hingewiesen, dass immer mehr Nutztierrassen aussterben. Und auch auf der Grünen Woche in diesem Jahr liegt ein Schwerpunkt auf längst vergessenen Rassen.

Denn mit dem Fortschritt in der Lebensmittelproduktion haben sich vor allem Hochleistungsrinder durchgesetzt, die besonders viel Milch geben oder sich gut mästen lassen. Und das ist nicht nur aus Sicht von Ökobauern bedenklich, sondern hat ganz handfeste Nachteile: Die genetische Vielfalt nimmt ab, die Tiere verlieren ihre Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit. Immer wieder versuchen darum Züchter, ausgestorbene Tierarten oder -rassen wiederzubeleben: Neben den Auerochsen etwa das Quagga, eine Unterart des Steppenzebras. Oder den Tarpan, eine Wildpferderasse, die in den Steppen Südosteuropas lebte. Aber kann man so die Zeit zurückdrehen?

Die Verhaltensbiologin Anne Berger vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, sagt: "Eine echte Rückzüchtung ist nicht möglich, ein Heckrind ist ein Heckrind, aber der Auerochse ist ausgestorben." Das liegt vor allem daran, dass im Laufe der Entwicklung vom Auerochsen zu den verschiedenen Hausrinderrassen viele Merkmale verloren gegangen sind, die nicht wieder herausgezüchtet werden können.

Aber man kann Rassen züchten, die wenigstens ein paar von den Stärken alter Arten haben: Wie die robusten, kälteunempflindlichen Heckrinder, deren Fleisch sehr gut schmeckt. Ulrike Heitmüller

Ulrike Heitmüller

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