zum Hauptinhalt

Die weiche Seite der Steinzeit: 77 000 Jahre alte Matratzen gefunden

Bereits vor 77000 Jahren schätzten die Menschen ein bequemes Nachtlager - sehr wahrscheinlich schliefen sie immer wieder im gleichen Bett. Ihre Matratzen waren sogar mit Insektenmittel präpariert.

Jedenfalls bauten Menschen sich damals in der Sibudu-Höhle in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal aus Ästen, Riedgras, Binsen und Blättern weiche Unterlagen, berichten Christopher Miller von der Universität Tübingen und seine Kollegen in der Zeitschrift „Science“ (Band 334, Seite 1388). Damit ist belegt, dass der frühe Homo sapiens bereits rund 50 000 Jahre eher als bisher angenommen seine Nachtruhe nicht nur auf dem kahlen Boden fand.

In diesen Urzeit-Matratzen fanden die Forscher häufig auch Blätter der in der Region wachsenden Kap-Quitte Cryptocarya woodii. Die zerkleinerten Blätter dieses Lorbeerbaumes setzen Chemikalien frei, die Insekten vertreiben. So hielten die Frühmenschen also auch lästige Plagegeister ab, die gefährliche Krankheiten wie Malaria verbreiten können.

 Das Foto zeigt versteinerte Blattreste, die vermutlich als Matten dienten.
Das Foto zeigt versteinerte Blattreste, die vermutlich als Matten dienten.

© Lyn Wadley/Marion Bamford/Christine Sievers

Neben diesen bisher ältesten Matratzen und dem urzeitlichen Insektenrepellent registrieren die Forscher für diese Epoche ohnehin eine technische Revolution in Südafrika. Damals verbesserten dort die Menschen nicht nur die Herstellung von Steinwerkzeugen, fertigten aus den Schalen von Seeschnecken Schmuckstücke und nutzten anscheinend zum ersten Mal Pfeil und Bogen für die Jagd, berichtet Lyn Wadley von der Universität von Witwatersrand im südafrikanischen Johannesburg, die von 1998 bis 2010 die Forschung in der Sibudu-Höhle leitete.

Waren diese Erfindungen echte Weltneuheiten, gibt es weiche Unterlagen für den Nachwuchs oder als eigenes Bett wohl schon erheblich länger. Vögel und Nagetiere bauen schließlich seit Urzeiten Nester. Auch die mit dem Menschen nah verwandten Affen der Arten Orang-Utan, Gorilla, Bonobo und Schimpanse machen sich jede Nacht ein Bett in den Bäumen. „Dazu verwenden sie aber Zweige und Blätter von derselben Baumkrone, in der sie auch ihr Schlafnest bauen“, erklärt Gottfried Hohmann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der das Leben der Bonobo-Zwergschimpansen in der Demokratischen Republik Kongo untersucht. Seine Kollegin Barbara Fruth am selben Institut hat in Zentralafrika auch beobachtet, wie Menschenaffen Pflanzen mit bestimmten Wirkstoffen aßen, um Parasiten in ihren Därmen loszuwerden.

Auch wenn die Verwandtschaft unter den Menschenaffen den Bettenbau perfekt beherrscht und Heilpflanzen zielgerichtet einsetzt, gelangen den Steinzeitmenschen vor 77000 Jahren doch auch wichtige Durchbrüche. So transportierten sie die Rohstoffe für ihre Matratzen in die Sibudu-Höhle, weil dort weder Gräser noch Lorbeerbäume wachsen. Sehr wahrscheinlich schliefen die Steinzeitmenschen auch immer wieder im gleichen Bett, während Menschenaffen jeden Abend ein neues Schlafnest in einem anderen Baum bauen.

„Ein Bonobo muss sich daher kaum Gedanken über Wanzen und anderen Plagegeister machen, die sich meist erst nach einiger Zeit in der Schlafunterlage einnisten können“, sagt Gottfried Hohmann. Das sah bei den Steinzeitmenschen schon anders aus, die mangels Höhlen wohl meist nicht allzu viele Zweitwohnsitze hatten. Die geplagten Höhlenbewohner aber dachten sich etwas Neues aus: Vor ungefähr 73 000 Jahren begannen sie, ihre Matratzen immer wieder einmal abzufackeln.

Diesem Feuer fallen nicht nur die lästigen Mitbewohner zum Opfer, sondern auch der Abfall, der sich im Laufe der Nächte im Bett angesammelt haben könnte. Die Brandspuren dieser Aktionen entdeckten die Tübinger und südafrikanischen Forscher jedenfalls in der Höhle. Solche absichtlichen Hygiene-Maßnahmen mit Feuer aber gehören nicht zum Repertoire von Menschenaffen, Vögeln oder Nagetieren, sondern sind typisch menschlich.

Zur Startseite