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Kolumne: Dr. WEWETZER: Ein Schlag gegen den Krebs

Unser Gesundheitsexperte fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Gezielte Therapie für Lungentumoren.

Am Anfang bemerkt man den Lungenkrebs kaum. Wenn chronischer, mitunter blutiger Husten, Schmerzen, Atemnot oder Gewichtsverlust auf die Spur des Tumors lenken, ist es häufig schon zu spät: Der Lungenkrebs hat bereits gestreut. Das ist einer der Gründe, warum er nur selten heilbar ist. Die Chemotherapie mit Platinverbindungen kann das Wuchern des Tumors meist nur einige Monate aufhalten. Umso größer war die Überraschung der Ärzte beim Testen einer neuen Pille gegen Lungenkrebs, die sich als unerwartet wirksam erwies.

Der Wirkstoff Crizotinib blockiert ein Eiweiß namens ALK, das von den Lungenkrebszellen gebildet wird und die Geschwulst wachsen lässt. Letzte Woche veröffentlichte Eunice Kwak vom Massachusetts General Hospital in Boston erste Ergebnisse mit Crizotinib. In einer solchen Phase-1-Studie geht es eigentlich nur um die Sicherheit eines potenziellen Medikaments. Doch die Resultate waren so überzeugend, dass sie nun das „New England Journal of Medicine“ abdruckte.

82 Patienten wurden mit Crizotinib behandelt, bei 47 schrumpfte der Tumor, bei 27 wuchs er nicht weiter. 63 der Patienten nahmen das Mittel noch bei Abschluss der Studie, manche inzwischen länger als zwei Jahre. Und das, obwohl mehr als 90 Prozent von ihnen bereits mit anderen Medikamenten behandelt worden waren, also in einem fortgeschrittenen Stadium waren. Schwere Nebenwirkungen gab es im Unterschied zur herkömmlichen „Chemo“ bisher keine. Es sei der schönste Lohn für den Behandler, wenn man erlebe, wie der Krebs seinen Würgegriff lockere und die Menschen zu einem normalen Leben zurückkehrten, berichtet die Ärztin Kwak. Noch ist nicht geklärt, wie lange das Mittel den Tumor in die Schranken weisen kann. Aber Substanzen, die bei einem Wirkungsverlust in die Bresche springen können, sind schon in der Entwicklung.

Leider hat das Ganze einen Haken. Crizotinib hilft nur Menschen mit verändertem ALK-Gen. Diese machen unter den Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkrebs (85 Prozent aller bösartigen Lungentumoren gehören zu dieser Gruppe) lediglich etwa fünf Prozent aus. Man muss also ein wenig Glück im Unglück haben. Trotzdem: „Diese Behandlung ist ein großer Schritt nach vorn“, kommentiert der Lungenspezialist Christian Witt von der Berliner Charité, der im Rahmen einer großen Nachfolgestudie ebenfalls Patienten mit Crizotinib behandelt.

Weil Lungenkrebs so häufig ist, summieren sich die fünf Prozent Träger des ALK-Gens auf immerhin knapp 2000 Patienten im Jahr in Deutschland. Ein Test, ob das ALK-Gen im Tumor vorliegt, dürfte in Zukunft bei der Diagnose Lungenkrebs also unerlässlich werden. Nun kommt es darauf an, weitere Lungenkrebsgene zu finden. Über kurz oder lang wird man neue Ansatzpunkte für eine genetisch fundierte Therapie finden. Aus dem „einen“ Lungenkrebs werden dann ganz viele verschiedene geworden sein. Das beste Rezept gibt es schon heute: Fangen Sie nicht mit dem Rauchen an. Oder hören Sie damit auf, bevor es zu spät ist.

Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht?

Bitte an: sonntag@tagesspiegel.de

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