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Wissen: Einfach großartig

Menschen neigen dazu, sich zu überschätzen – das kann trotz aller Risiken Vorteile haben

Der Größenwahn an den Finanzmärkten hat es deutlich gemacht: Menschen neigen dazu, sich zu überschätzen. Wie Umfragen ergaben, halten sich die meisten für überdurchschnittlich gute Autofahrer, für besonders intelligent und für sehr attraktiv (Männer), um nur ein paar Beispiele zu nennen. „Positive Illusionen“ nennen Wissenschaftler dieses rosarote Selbstbild, das geradezu charakteristisch für geistig Gesunde ist. Depressive liegen in ihren schonungslosen Selbstanalysen dagegen häufig richtiger.

Forscher beschäftigt die Frage, welchen Vorteil es trotz so mancher Risiken in der menschlichen Evolution gehabt haben kann, dass man sich selbst für großartiger hält, als man ist. So könnte es sein, dass der unerschütterliche Glaube an die eigenen Fähigkeiten dazu führt, dass einem auch andere auf den Leim gehen. Am besten blendet der, der von sich selbst geblendet ist.

Eine neue Hypothese bieten nun Dominic Johnson (Universität Edinburgh) und James Fowler (Universität von Kalifornien, San Diego) im Fachblatt „Nature“ an (Band 477, Seite 317). Sie behaupten, dass übergroßes Selbstvertrauen Menschen dazu bringen kann, richtig zu entscheiden, während ein ungeschöntes Bild vom eigenen Ich eher von Nachteil ist.

Ihre der Intuition widersprechende Annahme fußt auf der mathematischen Spieltheorie. In der geht es darum, wie Entscheidungen verschiedene „Spieler“ beeinflussen.

Nehmen wir an, es geht um eine wertvolle Belohnung, die man unbedingt erringen will – in der Steinzeit ein erlegtes Mammut, heute ein begehrter Arbeitsplatz –, dann kann es zu einer Auseinandersetzung mit Konkurrenten kommen. Wenn man um die Stärke des Gegners weiß, dann ist die Entscheidung klar: Kämpfe, wenn du besser bist und stecke zurück, wenn du schwächer bist. Häufig weiß man jedoch nicht, wie mächtig der Gegner wirklich ist – und für diesen Fall ist es von Vorteil, sich selbst zu überschätzen und es auf ein Duell ankommen zu lassen. Dann kann man Glück haben, wenn der andere, der Stärkere, aus Unwissen zurückweicht. Ist dagegen der Kampf riskant und die Belohnung eher gering, kann es nützlich sein, die eigene Stärke eher zu unterschätzen.

Die Wissenschaftler haben durchgerechnet, dass ihr Denkmodell evolutionär stabil ist. Das heißt, dass eine Gesellschaft, in der die meisten sehr von sich überzeugt sind, durchaus plausibel und in gewisser Weise lebensfähig ist. Hartmut Wewetzer

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