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Klaus Rajewsky

© privat

Eingriff in die menschliche Keimbahn: „Ein Moratorium ist absolut nötig“

Der Genforscher Klaus Rajewsky über gezielte Veränderungen im Erbgut von Embryonen - und warum es nötig ist, den Forscherdrang an dieser Stelle zu zügeln.

Herr Rajewsky, das Erbgut menschlicher Embryonen wurde – soweit wir wissen – erstmals manipuliert. Ist das ein großer Fortschritt für die Forschung oder wurde eine ethische Grenze überschritten?
Bei uns in Deutschland wäre das verboten. In China, wo die Studie gemacht wurde, ist es offenbar möglich. Es waren Embryonen, die drei Kopien des Erbguts enthalten und nicht lebensfähig wären. Wissenschaftlich gesehen ist es kein Durchbruch. Die Crispr-Methode wird schon hundertfach angewandt, um Genfunktionen zu erforschen, und zwar bei den verschiedensten Zelltypen. Die aktuelle Studie, in der die Technik bei menschlichen Embryonen eingesetzt wurde, zeigt klar, dass sie auf diesem Gebiet weit davon entfernt ist, adäquat zu funktionieren.

In Zukunft könnte sie aber besser arbeiten und womöglich bestimmte Gene ausschalten, die schwere Krankheiten hervorrufen. Ist es sinnvoll, diese Technik einzusetzen, um Eltern zu einem gesunden Kind zu verhelfen?
Das ist eine fundamentale Frage, die in der Gesellschaft diskutiert werden muss. In Deutschland ist es verboten, menschliche Embryonen zu manipulieren. Zu Recht, weil wir technisch nicht soweit sind und über die Risiken viel zu wenig wissen. Dazu kommen grundsätzliche ethische Überlegungen. Prominente Wissenschaftler fordern jetzt ein Moratorium, die Crispr-Technik nicht bei menschlichen Embryonen einzusetzen.

Unterstützen Sie die Idee eines Moratoriums?
Absolut. Ob sich alle daran halten, ist eine andere Frage. Im Augenblick ist es für jeden vernünftigen Wissenschaftler klar, dass selbst wenn man Embryonen manipulieren wollte, die technischen Mittel völlig unzureichend sind. Man muss zudem klar unterscheiden: Die Crispr-Methode an sich ist ein sehr wertvolles Instrument, um auch in menschlichen Zellen genetische Veränderungen vorzunehmen.

Das sollte man auf jeden Fall weiterentwickeln. In der Stammzelltherapie zum Beispiel könnten enorme Fortschritte gelingen, indem „reparierte“ Stammzellen in den Körper gegeben werden, um Krankheiten zu bekämpfen. Aber diese Veränderungen werden nicht an Nachkommen weitergegeben, sie dienen allein der Therapie von Krankheiten. Wir sollten dort unbedingt weiter forschen und Therapien entwickeln.

Womöglich ist die Crispr-Technik dann doch eines Tages gut genug, um sie bei Embryonen zu nutzen und vererbbare Krankheiten von vornherein auszuschließen?

Wenn das Verfahren einmal soweit sein sollte, dass es technisch perfekt arbeitet, wird man auch darüber nachdenken, ob man es bei bestimmten Krankheiten, über deren Ursachen man genug weiß, auch einsetzt. Offen gestanden bin ich froh, dass es noch nicht soweit ist und wir Zeit haben, in Ruhe die Argumente abzuwägen.

Klaus Rajewsky ist Genforscher am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch und nutzt dort ebenfalls die Crispr-Technik.

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