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Energietechnik: Leuchtturm der Solarforscher

In Jülich geht ein Kraftwerk ans Netz, mit dem sich aus Sonnenlicht besonders viel Strom gewinnen lässt.

Die Wetterstatistik spricht nicht gerade dafür. Jedes Jahr gibt es zwar 4380 Stunden Tageslicht in der Gegend, aber nur ein Drittel davon sind Sonnenstunden. In der übrigen Zeit verbirgt sich unser Zentralgestirn hinter den Wolken. Thomas Hartz von den Stadtwerken Jülich bei Aachen ist dennoch davon überzeugt, dass die 23 Millionen Euro für den Solarturm gut angelegtes Geld sind. Denn sobald die Sonne zum Vorschein kommt und ihre Strahlen von den 2153 Spiegeln in die Spitze des Turms gelenkt werden, produziert die Anlage Strom, der ins städtische Netz eingespeist wird. Vor allem aber ist das Solarkraftwerk, das am morgigen Donnerstag eingeweiht wird, ein Riesenlabor, in dem Wissenschaftler die neue Technik erforschen und weiterentwickeln wollen. Weit mehr als die Hälfte der Investitionen kommen deshalb aus öffentlichen Förderprogrammen.

Zwar gibt es eine ähnliche Versuchsanlage bereits in Südspanien, dort scheint die Sonne sogar anderthalb mal so häufig wie in Westdeutschland. Aber dieses Kraftwerk ist rund 2000 Kilometer von den Schreibtischen der deutschen Solarforscher entfernt, was ihre Arbeit nicht gerade leichter macht. „Außerdem ist hier in Jülich das Wetter viel dynamischer, die nächste Regenfront zieht meist viel schneller auf als am Mittelmeer“, sagt Hartz. Da müsse man lernen, schnell auf die wechselnden Wetterlagen zu reagieren. Auch das ist eine Voraussetzung dafür, dass sich die Technik etablieren kann.

Auf eine Fläche von insgesamt 18 000 Quadratmetern kommen die Spiegel, würde man sie nebeneinander auf den Boden legen. So viel Platz, wie zweieinhalb Fußballfelder nach der Norm des Weltverbandes FIFA beanspruchen. Die Spiegel liegen aber nicht, sondern stehen leicht geneigt im Halbkreis vor dem Turm. Kleine Elektromotoren kippen jeden einzelnen Spiegel immer wieder ein klein wenig nach oben oder unten sowie nach rechts oder links, um die Strahlen der über den Himmel wandernden Sonne immer auf das obere Ende des Solarturms zu reflektieren.

Dort oben in rund 55 Metern Höhe befindet sich das Herzstück der ganzen Anlage: der „Receiver“. Bis aufs Tausendfache konzentriert kommen die Sonnenstrahlen dort an. „Viele Werkstoffe halten die dabei entstehenden Temperaturen nicht aus“, sagt Hartz. Eine Stahlplatte im Fokus des Lichtstrahls würde schnell rotglühend und bald schmelzen. Als die Forscher vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln vor einigen Jahren ein Material für diesen Receiver suchten, entschieden sie sich daher für Siliziumcarbid. Ähnlich hart wie Diamant werden aus diesem Material Nassschleifpapier und extrem harte Flexscheiben hergestellt, die problemlos durch Stein schneiden.

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Spiegelkabinett. Die Sonnenstrahlen werden von Reflektoren in den Turm gelenkt, wo ihre Wärme zur Stromerzeugung genutzt wird. Foto: ddp

© ddp

Viel wichtiger für den Receiver ist jedoch die Beständigkeit des Materials. Erst bei Temperaturen jenseits von 1300 Grad Celsius verdampft Siliziumcarbid, Schmelzen bilden sich kaum. Das ist ideal für den Solarturm, in dem die konzentrierten Sonnenstrahlen möglichst hohe Temperaturen erzeugen sollen, weil dann die Umwandlung in elektrischen Strom besonders effektiv ist.

Die miteinander verschmolzenen Siliziumcarbidkörnchen haben obendrein viele Hohlräume und so eine besonders große Oberfläche. Zusätzlich haben erst die DLR-Forscher und später die Ingenieure der Firma Kraftanlagen München, die solche Receiver bis zur kommerziellen Anwendung weiterentwickelt haben, noch Kanäle in das Siliziumcarbid gefräst. Sie ermöglichen es, dass viel Luft durch das Material strömen kann. „Treffen die gebündelten Sonnenstrahlen auf diesen Receiver, wirkt er wie eine Strahlungsfalle, in der die Lichtstrahlen hin und her reflektiert werden“, erklärt der Jülicher Ingenieur. Dabei wird das Licht immer langwelliger und heizt die Keramik weiter auf.

Gleichzeitig bläst die Anlage Luft durch das heiße Element, die sich an der großen Oberfläche rasch erhitzt. Im Jülicher Solarturm soll das konzentrierte Sonnenlicht auf diese Weise die Luft bis auf 700 Grad aufheizen. Mit der heißen Luft wird dann in einem Wärmetauscher Wasser erhitzt, um Dampf zu erzeugen – der dann wie in gewöhnlichen Kohle- oder Gaskraftwerken eine Turbine antreibt. 1,5 Megawatt elektrische Leistung soll das Sonnenkraftwerk liefern, das ist etwa so viel wie knapp 2000 Menschen benötigen.

Der Wasserdampf im Jülicher Solarturm soll einen Druck von bis zu 26 bar und eine Temperatur von 480 Grad erreichen. Damit könne die Turbine ähnlich effektiv sein wie die Anlagen in Kohle- oder Gaskraftwerken, sagt Hartz. Viele andere Solartürme, aber auch Parabolrinnen-Solarkraftwerke, die beim Wüstenstromprojekt „Desertec“ eingesetzt werden könnten, arbeiten dagegen mit zum Teil deutlich niedrigeren Temperaturen – und damit auch mit einem schlechteren Wirkungsgrad.

Sollte der Stromverbrauch der Abnehmer sinken, etwa weil die Jülicher ins Schwimmbad oder Eis essen gehen, wird die heiße Luft nicht Richtung Wärmetauscher gelenkt, sondern zu einem Festbettspeicher. Dieser besteht aus einer ähnlichen Keramik wie der Receiver. „Die Luft heizt dort eine Art von ‚Ziegelsteinen'' auf“, erläutert Hartz. In dem Speicher wird die Hitze für schlechte Zeiten aufbewahrt, zum Beispiel wenn sich Wolken vor die Sonne schieben und die Spiegel keine Sonnenstrahlen mehr zum Turm schicken. In diesem Fall lenken die Ingenieure die Luft nicht durch den Receiver, sondern über die heißen Ziegel, um genügend Wärme für die Herstellung von Wasserdampf zu erhalten. So wird die Turbine am Laufen gehalten und erzeugt trotz verhangenen Himmels Strom.

„Eine Stunde können wir mit diesem Festbettspeicher überbrücken“, sagt Hartz. Das reicht zwar nicht für jede Wolkenfront, aber der Jülicher Solarturm muss auch keinen Gewinn abwerfen. Er ist vorrangig als Forschungsanlage geplant, die das Bundesumweltministerium gemeinsam mit den Wirtschaftsministerien von Nordrhein-Westfalen und Bayern finanziert. Zudem erfolgt hier ein Teil der Ingenieursausbildung des Solar-Instituts Jülich der Fachhochschule Aachen, damit es künftig genug Fachleute für diese neue Energietechnik gibt.

In Deutschland selbst dürften Solartürme aber keine große Zukunft haben. „Solche Anlagen werden wohl eher in den Mittelmeerländern gebaut werden, weil die Sonne dort viel länger scheint“, schätzt Robert Pitz-Paal, der am DLR die Solarforschung leitet. Daher wird man dort Strom aus Sonnenstrahlung immer deutlich günstiger als in Deutschland erzeugen können. „Im Prinzip ist der Solarturm in Jülich die Grundlage für eine Spitzentechnologie, die später von den hiesigen Entwicklern ins Ausland verkauft werden kann“, sagt er. Im Gegenzug könnte Deutschland dann ja aus Spanien, Algerien oder Griechenland einen Teil seines Stroms beziehen.

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