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TU-Präsident Christian Thomsen hat  MINTgrün aus der Taufe gehoben: Es soll Abiturientinnen und Abiturienten eine erste Orientierung an der Uni ermöglichen und Studienabbrüche verhindern.

© David Ausserhofer

Entscheidungshilfe für Abiturienten: Endlich wissen, was man will

Soll ich studieren? Und wenn ja, was? Schließlich gibt es in Deutschland rund 8000 Bachelor-Studiengänge – und längst nicht bei allen ist auf den ersten Blick klar, worum es dabei geht. Wer sich nicht so sicher ist, dem gibt das Studium MINTgrün Orientierung: über Studieninhalte und mögliche Berufsfelder.

Nach dem Abi hatte ich keine Peilung, was ich machen soll. Nach zwei Semestern Orientierungsstudium MINTgrün weiß ich nun, dass Informatik das Richtige für mich ist. MINTgrün hat mir die frustrierende Erfahrung des Studienabbruchs erspart“, erzählt Leo Harlos. Im Oktober beginnt er mit dem Informatik-Studium an der TU Berlin.

Cornelia Raue wird dies gern lesen. Das Orientierungsstudium ist ihre Idee und das Fazit des 19-jährigen Berliners spiegelt wider, was MINTgrün bewirken soll: Ratlosen Abiturienten helfen, sich für oder auch gegen ein Studium zu entscheiden. Denn sich zu entscheiden, damit sind viele Abiturienten überfordert. Allein in Deutschland stehen rund 8000 Bachelor-Studiengänge zur Wahl. „Die Fülle hilft aber nicht, vielmehr lähmt sie die jungen Leute. Sie wollen sich alle Möglichkeiten offenhalten und am Ende sind sie unfähig, einen Entschluss zu fassen, auch weil sie keine Vorstellung haben, welche berufliche Perspektive sich hinter Studiengängen wie Energie- und Prozesstechnik oder Wirtschaftsinformatik verbirgt“, erzählt Raue. Sie weiß, wovon sie spricht. Befragungen von Studienabbrechern der TU Berlin haben diesen Befund zutage gefördert. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Strategischen Controlling sann auf Abhilfe und konzipierte MINTgrün an der TU Berlin.

Zwei Semester zur Orientierung

Das Ziel von MINTgrün ist es, Orientierung zu geben. Wer nicht weiß, was er will, soll herausfinden, ob ein Studium überhaupt zu einem passt, und wenn ja, welches Fach es sein soll. Zwei Semester können die Studierenden sich an der TU Berlin nach Lust und Laune umtun. Etwa 40 Module stehen zur Auswahl. Diese geben einen Überblick über das Bachelor-Fächerspektrum an der TU Berlin von den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) bis zu den Geistes-, Planungs- und Wirtschaftswissenschaften. Darüber hinaus gibt es ein Angebot, das sich ausschließlich an die MINTgrün-Studierenden richtet: Im Wissenschaftsfenster stellen Professorinnen und Professoren ihre Studiengänge vor und geben Einblick in mögliche Berufsfelder. In acht Projektlaboren wie Kreativität und Technik, Mathesis, Robotik oder Umwelt werden die Studierenden mit dem wissenschaftlichen Arbeiten vertraut gemacht. Und das Orientierungsmodul bietet eine auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Beratung, eine Art Coaching.

2012 startete MINTgrün mit 77 Teilnehmenden, davon waren 21 Prozent Frauen. Im dritten Jahrgang hatte sich die Teilnehmerzahl bereits vervierfacht: Für das Wintersemester 2014/15 schrieben sich 323 Studierende ein, davon 34 Prozent Studentinnen. Das Bundesforschungsministerium finanziert das Projekt über fünf Jahre mit 1,7 Millionen Euro aus Mitteln des Bund-Länder-Programms Qualitätspakt Lehre.

Dass MINTgrün so gut angenommen wird, liegt daran, dass das Konzept den Nerv der jungen Leute trifft. Zu erfahren, was Studieren überhaupt bedeutet, sich ausprobieren zu können und dann zu einer bewussten Entscheidung zu kommen – ist genau das, was eben manche(r) braucht. Zudem nimmt die Möglichkeit, sich bewusst für oder gegen ein Studium auszusprechen, den Studierenden das Gefühl, gescheitert zu sein oder Zeit vertan zu haben. Das ist für die Psyche enorm wichtig. Und wer möchte, kann Prüfungen ablegen, die bei einem weiteren Studium angerechnet werden.

Barrierefreier Umgang mit Studierenden

Am Erfolg des Orientierungsstudiums haben aber auch Christian Thomsen und Christian Schröder maßgeblichen Anteil. Christian Thomsen ist Präsident der TU Berlin und entschiedener Verfechter eines solchen Orientierungsstudiums – nicht zuletzt auch aus eigener Erfahrung. Er wollte eigentlich Jura studieren. Doch während des Besuches des Leibniz-Kollegs in Tübingen stellte er fest, dass Physik seine eigentliche Berufung ist. Dies war für ihn ein prägendes Erlebnis. Als es 2012 darum ging, MINTgrün an der TU Berlin institutionell zu verankern, unterstützte er als damaliger Dekan der Fakultät II Mathematik und Naturwissenschaften dies nach Kräften und tut es als Präsident immer noch. Er sieht in MINTgrün für die jungen Leute ein praktikables Mittel, ihren Weg im Leben zu finden und die Studienabbruchquote an der Uni zu senken.

Christian Schröder ist Projektleiter des Orientierungsstudiums und setzt MINTgrün mit großer Leidenschaft in die Praxis um. Wichtig ist ihm, dass die „Erstis“ vom ersten Tag an fühlen, dass sie an der Uni willkommen sind. Sein Büro ist immer offen, er praktiziert einen „barrierefreien Umgang“ mit den Studierenden, will heißen, er vermeidet Hierarchien. Und bevor das MINTgrün-Studium überhaupt beginnt, geht es auf eine Studienfahrt zum Kennenlernen. „Neben dem Anliegen von MINTgrün, Orientierung zu geben, ist das soziale Miteinander eine zweite wichtige Säule des Studiums“, sagt Schröder. Denn aus den bereits erwähnten Befragungen von Studienabbrechern weiß die TU Berlin, dass das Gefühl sozialer Isoliertheit ein entscheidender Grund ist, wenn Studierende aufgeben. Dass Schröders Art ankommt, zeigen die Antworten auf die Frage, was die Studierenden an MINTgrün gut fanden. Da ist nicht selten zu lesen: „Christian“.

Und dann steht während des Interviews im Foyer des TU-Hauptgebäudes plötzlich Lena vor ihm, ruft ihm zu: „MINTgrün – das Beste, was mir passieren konnte“ und entschwindet in die Vorlesung.Sybille Nitsche

Das Orientierungsstudium ist zulassungsfrei, also ohne Numerus clausus (NC), und Bafög-fähig.

Einschreibezeitraum: 15. August bis 15. September. Weitere Informationen im Internet unter: www.mintgruen.tu-berlin.de

Sybille Nitsche

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