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Annette Schavan

© AFP

Entzogener Doktortitel: Schavans Fall vor Gericht

Täuschung und Titel: Am Donnerstag verhandelt das Verwaltungsgericht Düsseldorf, ob Ex-Ministerin Annette Schavan ihren Doktorgrad zu Recht verlor.

Im Plagiatsfall der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verhandelt am kommenden Donnerstag, dem 20. März, das Düsseldorfer Verwaltungsgericht. Üblicherweise wird das Urteil nicht im Anschluss mündlich verkündet, sondern den Parteien schriftlich Wochen später zugestellt. Doch in einem so prominenten Fall könnten die Richter eine Ausnahme machen. Schavan war Anfang Februar vergangenen Jahres zurückgetreten, nachdem ihr der Doktorgrad von der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf entzogen worden war. Sie habe bei ihrer Dissertation „Person und Gewissen“ aus dem Jahr 1980 „vorsätzlich getäuscht“, hieß es zur Begründung. Schavan hat vor Gericht gegen die Entscheidung geklagt.

Worum es rechtlich geht

Die Verleihung des Doktorgrades ist juristisch gesehen ein Verwaltungsakt. Entsprechend ist die Aberkennung des Doktortitels durch die Fakultät in Düsseldorf die Aufhebung eines – aus Sicht der Fakultät – rechtswidrig zustande gekommenen Verwaltungsakts. Die Uni hätte es jedenfalls gut begründen müssen, wenn sie dem Verdacht nicht nachgegangen wäre, den der anonyme Plagiatsjäger „Robert Schmidt“ im Internet mit zahlreichen Belegen untermauert hatte. Rechtliche Grundlagen des Vorgehens gegen Schavan sind die Promotionsordnung der Fakultät und das Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalens. Wurde im Promotionsverfahren getäuscht, kann die Leistung demnach für ungültig erklärt werden.

Das Gericht muss nun beurteilen, ob das Verfahren zur Aberkennung des Titels rechtmäßig war. Schavans Anwälte haben erklärt, das Verfahren der Fakultät sei „fehlerhaft zustande gekommen“ und sei auch „materiell rechtswidrig“. So sei die Vertraulichkeit mehrfach durch „selektive Information der Öffentlichkeit verletzt“ worden. Tatsächlich wurde die 75-seitige „Sachstandsermittlung“, in der der Judaistik-Professor Stefan Rohrbacher zu Beginn des Verfahrens verdächtige Belege dokumentiert hatte, an die Presse durchgestochen.

Auch sei kein externes Fachgutachten eingeholt worden, kritisieren Schavans Anwälte. Überhaupt sei die Entscheidung „unverhältnismäßig“. Die Zahl der behaupteten Zitierverstöße sei gemessen am Umfang der Doktorarbeit geringfügig. Die behauptete Täuschung sei nicht nachgewiesen worden.

Hat die Fakultät Fehler gemacht? Monatelang wurde sie für ihr Vorgehen massiv öffentlich kritisiert. Die Universität Düsseldorf hat diese Vorwürfe zurückgewiesen. Schavan habe schriftlich in einer Stellungnahme auf die Vorwürfe geantwortet, zusätzlich habe sie zwei Stellungnahmen von auswärtigen Erziehungswissenschaftlern übermittelt, die mit in die Urteilsfindung eingeflossen seien. Externe Gutachter seien bei Promotionsverfahren generell nicht üblich und hier auch nicht nötig. Und da 15 stimmberechtigte Mitglieder des Fakultätsrats über den Fall entschieden haben, sei auch das Mehraugenprinzip nicht verletzt worden.

Auch mit dem Argument Schavans, zur damaligen Zeit hätten in der Erziehungswissenschaft andere Zitierregeln gegolten, müssen sich die Richter auseinandersetzen. Wenn sie das Argument für wichtig halten, haben sie sich von Sachverständigen beraten lassen. Allerdings hat Schavan selbst in ihrer Dissertation ganz überwiegend gezeigt, dass sie die allenthalben geltenden Regeln kennt und beherrscht. Darum wird es für sie nicht leicht zu beweisen, dass es früher in ihrem Fach eine andere Zitierpraxis gegeben haben soll.

Der Vergleich zum Fall Guttenberg

„Guttenberg war schlimmer“

„Guttenberg war schlimmer“, war mit Blick auf Schavan immer wieder zu hören. Das stimmt. Schavan hat nicht seitenweise wortgleich fremde Texte durch einfaches copy and paste übernommen, ohne das zu kennzeichnen. Doch an einer Universität und auch vor Gericht ist das Plagiat des früheren Verteidigungsministers nicht der Maßstab. Schon fünf oder sechs Passagen ohne Literaturnachweis haben Richtern in der Vergangenheit gereicht, um Klagen gegen die Aberkennung eines Doktorgrads zurückzuweisen.

Die „Sachstandsermittlung“ der Düsseldorfer Fakultät monierte an Schavans Dissertation 60 Passagen. Der Fakultätsrat kam am 5. Februar vergangenen Jahres mit 13 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen zu dem Schluss, dass „die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte“. In einem zweiten Schritt stimmten 12 Mitglieder des Rats daraufhin dafür, Schavans schriftliche Promotionsleistung für ungültig zu erklären und ihr den Doktorgrad zu entziehen (zwei Nein-Stimmen, eine Enthaltung).

Im Internet, wo der anonyme Plagiatsjäger „Robert Schmidt“ im Mai 2012 einen umfassenden Textvergleich veröffentlichte, sind 91 Passagen aufgeführt, bei denen Schavan ihre Quelle nicht nennt (http://schavanplag.wordpress.com).

Als das Karlsruher Verwaltungsgericht vor einem Jahr die Klage der FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin abwies, hieß es in der Urteilsbegründung, der Leser eines wissenschaftlichen Werkes erwarte, „dass wörtliche Übernahmen aus anderen Werken bei den jeweiligen Textstellen als Zitate oder auf andere geeignete Weise kenntlich gemacht werden“. Es genüge nicht, Werke lediglich im Literaturverzeichnis zu nennen, aus denen zitiert wurde. Von den 32 nicht gekennzeichneten Quellen der Dissertation seien aber auch nur zehn überhaupt im Literaturverzeichnis genannt worden. Bei den von Koch-Mehrin als bloß handwerkliche Fehler dargestellten Regelverstößen handle es sich um „offensichtliche und erhebliche Täuschungen“.

Es scheint unwahrscheinlich, dass die Richter die Auffassung vertreten, Schavan habe bloß ein paar Flüchtigkeitsfehler gemacht. Bislang haben die Gerichte es immer akzeptiert, wenn aus Sicht der Unis ein Plagiat vorlag.

Warum Schavans Lage speziell ist

Die Verjährungsfrage

Schavan wurde 1980 promoviert. Auch in der Wissenschaft ist anlässlich ihres Falls ernsthaft über die Verjährung von Plagiaten in Dissertationen diskutiert worden. So schlug der Rechtsprofessor Wolfgang Löwer, der Ombudsmann für wissenschaftliches Fehlverhalten der DFG ist, eine Verjährungsfrist von zehn Jahren vor.

Da es eine solche Frist nicht gibt, erwarten die Gerichte lediglich, dass die Universitäten es in ihrer Ermessenserwägung angemessen berücksichtigen, wenn seit der Promotion viel Zeit verstrichen ist. So hat das Verwaltungsgericht Köln Ende 2012 bei seinem Urteil über die Dissertation der Politikerin Margarita Mathiopoulos aus dem Jahr 1985 festgestellt, die Uni habe die lange Zeit seit der Promotion pflichtgemäß in ihr Ermessen einbezogen. Darum konnte Mathiopoulos auch noch nach langer Zeit der Doktorgrad entzogen werden – wogegen Mathiopoulos in Berufung gegangen ist.

Generell wäre es aber möglich, dass ein Gericht eine unverhältnismäßig harte Entscheidung korrigiert.

Schavan stünde ohne Abschluss da

Schavans Lage ist speziell. Denn sie hat ihr Studium nicht mit dem Staatsexamen oder dem Magister abgeschlossen, sondern gleich mit dem Doktor. Sie hätte also keinen Abschluss mehr, würde ihr der Titel aberkannt.

Das Kölner Gericht hat im Fall Mathiopoulos hervorgehoben, in seltenen Fällen könne die Aberkennung des Doktorgrads massive Auswirkungen auf die Berufsfreiheit der Betroffenen haben – was bei den normalen Abschlüssen durch eine fünfjährige Verjährungsfrist berücksichtigt wird. In den seltenen Fällen, wo die Berufsfreiheit von Promovierten berührt wird, müsse in Ermessensprüfungen „angemessen“ entschieden werden. Dabei müsse allerdings berücksichtigt werden, dass der Wissenschaftsbetrieb ein „deutlich höheres und über Jahrzehnte andauerndes Interesse“ habe, „Plagiate aus dem Wissenschaftsbetrieb wieder herauszunehmen“. Das Düsseldorfer Gericht könnte also die Interessen der Wissenschaft oder aber die Interessen Schavans stärker gewichten.

Was aus dem Urteil folgen könnte

Was aus dem Urteil folgen könnte

Das Gericht muss sich zunächst mit der Frage befassen, ob Schavan getäuscht hat. Im zweiten Schritt entscheidet es, ob Schavan der Grad zu Recht entzogen wurde oder nicht. Dieses zweiteilige Verfahren entspricht der Promotionsordnung der Uni. Erkennt das Gericht zwar die von der Uni monierten Täuschungen, hält es aber für eine unzumutbare Härte, Schavan nach Jahrzehnten ihren einzigen Berufsabschluss abzuerkennen, könnte sie den Doktor behalten. Doch das wäre ein Freispruch zweiter Klasse. Sollte das Gericht das Verfahren der Uni für fehlerhaft halten, etwa weil Informationen in die Öffentlichkeit durchgestochen wurden, wäre es immerhin ein Teilerfolg für Schavan und ihre Mitstreiter. Sowohl die Uni als auch Schavan können nach dem Urteil versuchen zu erwirken, dass das Oberverwaltungsgericht in Münster die Berufung zulässt und schließlich bis zum Bundesverwaltungsgericht gehen.

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