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Verzettelt. Falsche Notizen im Erbgut sind an der Alzheimerentstehung beteiligt.

© picture alliance / dpa

Epigenetik: Vergessliche Gene

Alzheimer geht mit falschem Ein- und Ausschalten von Genen der Körperabwehr einher.

Alzheimer ist eine Krankheit, die sich über Jahre, vermutlich sogar über Jahrzehnte entwickelt und am Ende zu einem unaufhaltsamen Gedächtnisverlust führt. Jetzt haben Genforscher Hinweise entdeckt, dass übermäßig aktive Gene, die das Immunsystem steuern sollen, an der Entstehung der weitverbreiteten Demenzerkrankung beteiligt sein könnten.

Mehr Aufwand als beim Humangenomprojekt

Diesen Einblick ermöglicht ein relativ junger Forschungszweig, die Epigenetik. Sie stellt sich die Frage, wie Organe mit ganz speziellen Fähigkeiten gebildet werden können, wenn (fast) alle Zellen die gleiche Erbinformation enthalten. Eine grobe Vorstellung davon, wie das möglich sein kann, haben Forscher schon länger: In den verschiedenen Zellen werden immer nur bestimmte Gruppen der insgesamt 25 000 Gene des Menschen abgelesen. Wie das aber im Detail gesteuert wird und welche Fehler dabei zu Krankheiten führen, hat sich das internationale „Epigenome Roadmap“-Projekt zu entschlüsseln vorgenommen. Eine Mammutaufgabe, denn dazu sind gewissermaßen Liveaufnahmen von der Arbeit (oder eben dem Schlaf) der Gene in den schätzungsweise bis zu tausend verschiedenen Zelltypen des Menschen zu verschiedenen Zeiten der Entwicklung nötig.

Immerhin 127 Zelltypen des Menschen, von Leber- über Blut- bis hin zu Nervenzellen, haben die Forscher bislang untersucht und stellen ihre Ergebnisse jetzt in einem knappen Dutzend verschiedener Veröffentlichungen im Fachblatt „Nature“ vor. Ein Team entdeckte, welche „epigenetischen“ Markierungen – Notizzettel im Erbgut für das korrekte Ein- und Ausschalten der Gene – das Genom so beeinflussen, dass sich Stammzellen zu Nervenzellen entwickeln. Wieder andere Forscher untersuchten, wie das Verpacken und Entpacken des DNS-Fadens mit speziellen Eiweißen, den Histonen, dazu führt, dass krebsauslösende Mutationen in einigen Bereichen des Erbguts häufiger auftreten als in anderen. Oder wie das Erbgut von Stammzellen ausgepackt werden muss, damit sich erste Zellen eines Embryos korrekt entwickeln.

Tausende Gene überaktiv, tausende gedimmt

Das Team von Manolis Kellis vom Massachusetts Institute of Technology fand einen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Alzheimer und Fehlern beim Ein- oder Ausschalten von Genen, die für die Immunreaktion wichtig sind. Menschliches Hirngewebe konnte Kellis’ Team nicht untersuchen, deshalb studierten die Forscher Mäuse, die an einer Alzheimer sehr ähnlichen Krankheit leiden. Mit zunehmendem Alter haben die Tiere Lernschwierigkeiten und erleiden Gedächtnisverlust. Verglichen mit gesunden Mäusen waren bei diesen Tieren 2815 Gene überaktiv, 2310 hingegen in ihrer Aktivität gebremst.

Gene, die das Immunsystem der Mäuse steuern, gehörten zu den überaktiven. Die unterdrückten Gene sind normalerweise dafür zuständig, Nervenimpulse zu übertragen und Lernen zu ermöglichen. Diese Änderungen in der Genaktivität der Mäuse fanden die Forscher auch bei Gewebeproben, die sie 22 Alzheimer-Patienten kurz nach dem Tod entnommen hatten.

Der Einblick ist begrenzt, den die Forscher in die Epigenetik des Menschen trotz der aufwendigen Analyse von 127 Gewebetypen haben, gibt Hendrik Stunnenberg zu, Epigenetiker der Radboud Universität in Nijmegen. Das sei „erst der Anfang des Weges zu einer umfassenden Enzyklopädie des Epigenoms.“

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